Bundesgerichtshof

Wie weit darf die Werbung der EU-Versender gehen?

Berlin - 24.10.2019, 14:45 Uhr

Der Bundesgerichtshof befasst sich mit Werbeaktionen der Europa Apotheek und von DocMorris. ( r / Foto: DAZ.online / hfd)

Der Bundesgerichtshof befasst sich mit Werbeaktionen der Europa Apotheek und von DocMorris. ( r / Foto: DAZ.online / hfd)


Am gestrigen Mittwoch hat sich der fürs Wettbewerbsrecht zuständige 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs erneut mit der Werbung von EU-Versandapotheken beschäftigt. Eine der entscheidenden Fragen ist: Dürfen sich die EU-Versender nach dem EuGH-Urteil von 2016 auch aus den Regelungen des Heilmittelwerberechts stehlen? Die Urteile sollen im Februar 2020 fallen.

Auch nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Rx-Preisbindung vor drei Jahren gibt es noch ungeklärte juristische Fragen zu den Werbemethoden niederländischer Arzneimittelversender. Zwei davon beschäftigen derzeit den Bundesgerichtshof. Beide Verfahren hat die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) ins Rollen gebracht. Im Mittelpunkt stehen dabei keine Verstöße gegen das Arzneimittelpreisrecht – denn der EuGH hatte ja entschieden, dass EU-Versender sich nicht an die deutsche Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel halten müssen. Und so geht es in den nun zu entscheidenden Revisionen um das Bestehen rein wettbewerbs- beziehungsweise heilmittelwerberechtlicher Ansprüche.

Der eine Fall (Az.: I ZR 5/19) betrifft den von der Europa Apotheek gewährten „Sofort-Bonus“ für Privatpatienten, der pro Rezept bis zu 30 Euro betragen kann. Das Oberlandesgericht Stuttgart befand diesen Bonus im Dezember vergangenen Jahres für zulässig. Ihn auszuloben stelle weder einen Verstoß gegen die unternehmerische Sorgfalt noch eine irreführende geschäftliche Handlung im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb dar – genau solche Verstöße hatte die Kammer gerügt. Da der Privatpatient für sein Rezept einen Bonus erhalte, der erst später beim Kauf eines nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittels verrechnet werde, werde der Kaufpreis des verordneten Arzneimittels und damit der Erstattungsanspruch des Kunden gegenüber seiner Versicherung nicht gemindert. Daher, so die Stuttgarter Richter, sei der Kunde auch nicht verpflichtet, seinen Versicherer über die Bonusgewährung zu unterrichten.

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An Rezepteinlösung gekoppeltes Gewinnspiel

Das zweite Verfahren, das den Bundesgerichtshof derzeit beschäftigt, ist ein an eine Rezepteinlösung gekoppeltes Gewinnspiel von DocMorris aus dem Jahr 2015 (I ZR 214/18). Wer mitmachte und ein Rezept einschickte, nahm an der Verlosung eines E-Bikes im Wert von 2500 Euro teil. Zudem waren neun hochwertige elektrische Zahnbürsten ausgelobt. In erster Instanz fiel das Urteil – ergangen nach dem EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016 – zugunsten von DocMorris aus. Das Landgericht Frankfurt war der Auffassung, die Vorschriften des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) müssten nach der EuGH-Entscheidung vom Oktober 2016 europarechtskonform ausgelegt werden – und zwar dahingehend, dass sie hier nicht zur Anwendung kommen. DocMorris meint: Wenn man nach der Entscheidung des EuGH schon uneingeschränkt Rabatte gewähren dürfe, müsse das erst Recht für Gewinnspiele gelten. Zumal die Chance auf den Gewinn gering sei und damit für den Verbraucher weniger wert sei als ein Barrabatt.

Doch das Oberlandesgericht Frankfurt kassierte die Entscheidung der Vorinstanz. Die Teilnahme an dem Gewinnspiel stelle eine unzulässige Zugabe dar, die nicht mehr geringwertig sei. Es liege damit ein Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 HWG normierte Zuwendungsverbot vor. Die EuGH-Entscheidung habe schon wegen der unterschiedlichen Schutzzwecke von Heilmittelwerberecht und Arzneimittelpreisrecht keinen Einfluss auf die Wertungen des § 7 Abs. 1 HWG.

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Douglas: „DocMorris pervertiert EuGH-Urteil“

Am gestrigen Mittwoch hat der Bundesgerichtshof in beiden Verfahren mündlich verhandelt. Unter anderem wurde intensiv über die Auffassung von DocMorris diskutiert, das Zugabeverbot müsse einschränkend ausgelegt werden, da anderenfalls die Entscheidung des EuGH ihre Geltung nicht voll entfalten könne. Der EuGH habe EU-Versendern ja das Recht zugesprochen, Kunden zum Ausgleich von Wettbewerbsnachteilen etwas zukommen lassen zu dürfen, betont DocMorris. Dieses Urteil werde aber konterkariert, wenn das Zugabeverbot weiter gelte.

Aus Sicht der AKNR versucht DocMorris die Entscheidung des EuGH zu überdehnen. Die Kammer und ihr Prozessvertreter Dr. Morton Douglas hoffen nun, dass der Bundesgerichtshof diesem Ansinnen entgegentritt. Die Sache sei differenzierter als von dem Versender dargestellt: Der EuGH habe zwar entschieden, zum Ausgleich der vermeintlichen Nachteile dürfte das Preisrecht nicht auf ausländische Anbieter angewendet werden. Er habe aber nicht entschieden, dass dies auch für andere Vorschriften gelten müsse, insbesondere wenn diese – wie die des Heilmittelwerbegesetzes – unmittelbar dem Gesundheitsschutz der Verbraucher dienen.

Lästiger Patientenschutz

Douglas befürchtet einen „Dammbruch“, wenn der Bundesgerichtshof dies anders sieht: Letztlich könnte dann nämlich jede Vorschrift mit dem Hinweis auf den vermeintlichen Wettbewerbsnachteil ausgehebelt werden: Müsste man DocMorris dann auch das Teleshopping erlauben (§ 8 HWG)? Oder dürfte DocMorris dann für Arzneimittel mit der Wiedergabe von Krankengeschichten werben (§ 11 Abs. 1 Nr. 3 HWG)?

Gegenüber DAZ.online sagte der Rechtsanwalt: „DocMorris hat mit seiner auf die EuGH-Entscheidung gestützten Forderung in der mündlichen Verhandlung, der Bundesgerichtshof müsse bei allen Regelungen des Heilmittelwerbegesetzes in Zukunft dessen Anwendbarkeit neu prüfen, ganz klar zu erkennen gegeben, dass der Patientenschutz DocMorris vollkommen egal ist und nur als lästig erachtet wird, bei dem Bestreben Geld zu verdienen.“ Letztlich, so Douglas, pervertiere DocMorris das EuGH-Urteil: „Der EuGH hat DocMorris attestiert, dass sein Produkt schlechter sei als das der deutschen Apotheken. Nun soll der Anbieter eines schlechteren Produktes gefördert werden, indem ihm das Recht eingeräumt wird, den Verbraucher in einer Weise unsachlich zu beeinflussen, die den Anbietern der besseren Produkte ohne weiteres untersagt ist.“

Nun heißt es erst einmal abwarten. Seine Urteile wird der Bundesgerichtshof erst am 20. Februar verkünden.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Doc Morris ist KEINE Apotheke

von Hermann Eiken am 24.10.2019 um 15:56 Uhr

Auch wenn sie es immer wieder in der Werbung betonen, Doc Morris dürfte sich gar nicht als Apotheke bezeichnen, und deshalb nach deutschem Recht nicht mit Arzneimitteln handeln! Wann wird das endlich mal für die unkontrollierte "Grensapoteeke " und ihre ähnlich agierenden Auslandsversender festgestellt. Dr. Douglas argumentiert vollkommen richtig damit, das Patientenschutz ein Fremdwort für diese zweifelhaften Konstrukte sei, und es nur ums Geldverdienen gehe. Können die dort angestellten leitenden Apotheker dieses Geschäftsmodell überhaupt vor ihrem Gewissen verantworten. In Deutschland müsste DIE BUDE sofort zugemacht werden. Und sowas lässt die Politik seit Jahren ohne Revisionen agieren?

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