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Dr. Frank Diener (Treuhand)
Wie könnte der Apothekenmarkt 2022 aussehen?
E-Rezept, neue Botendienst-Regelungen, pharmazeutische Dienstleistungen, Telepharmazie. Die Apotheker mögen diese Veränderungen teils kritisch sehen – aber sie werden früher oder später kommen. Auf der Versammlung der Landesapothekerkammer Brandenburg hat Treuhand-Chef Dr. Frank Diener dargestellt, welche Veränderungen sich in den Arbeitsabläufen und in den betriebswirtschaftlichen Ausrichtungen der Apotheken in den nächsten drei Jahren ergeben könnten. Seine Botschaft an die Apotheker: Wehren Sie sich nicht gegen die neuen Strukturen, nutzen Sie sie als Chance!
Dr. Frank Diener beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Entwicklungen im Apothekenmarkt. Der ehemalige Wirtschaftschef der ABDA ist seit Jahren Generalbevollmächtigter der Steuerberatungsgesellschaft Treuhand Hannover. Zu seinen Aufgaben gehört es daher natürlich auch, den Apothekern aufzuzeigen, welche Veränderungen ihnen ins Haus stehen, wenn das E-Rezept kommt, telepharmazeutische Beratungen ermöglicht werden und Botendienste zur Standard-Versorgung werden.
Am heutigen Mittwoch in Potsdam blickte Diener dazu auf die möglichen Entwicklungen der kommenden drei Jahre. Seine Prognose für das Jahr 2020 ist allerdings: Zunächst wird es keine weltbewegenden Veränderungen geben, vielmehr könnten sich die derzeitigen Entwicklungen fortsetzen. Denn: Die von der Bundesregierung und vom Gesetzgeber beschlossenen Änderungen im Apothekenmarkt werden 2020 noch nicht greifen. Die per Verordnung beschlossenen Änderungen am Apothekenhonorar (BtM-Vergütung und Notdienstpauschale) treten zwar im Januar 2020 in Kraft und die neue Botendienstregelung ist jetzt schon wirksam. Die für die Einführung des E-Rezeptes wichtigen, strukturellen Festlegungen (Gematik Spezifikationen im Sommer 2020 und Änderungen in den Verträgen zwischen Kassen, Ärzten und Apothekern) kommen aber erst im Laufe des nächsten Jahres.
Bemerkenswert ist, dass Diener schon für 2020 eine weitere Marktspreizung vorhersagt. Die großen Apotheken würden weiter wachsen, während die kleinen mehr und mehr Probleme bekämen. Ein weiterer Effekt: Durch weitere Schließungen müsste frei werdender Umsatz in einer Größenordnung von etwa 200 Millionen Euro verteilt werden. „Das ist mehr als Sie durch die Notdienstpauschale im Jahr einnehmen“, sagte Diener. Ansonsten werde sich der Wareneinsatz weiter verteuern, das Umsatzplus werde daher weiter „gefressen“. Außerdem würden die Personalkosten marktbedingt steigen. Unter dem Schnitt erwartet Diener für 2020 „stagnierende Betriebsergebnisse“. Die kommenden Honorar-Anpassungen haben für ihn eher „marginale Bedeutung“. Die Erhöhung der Notdienstpauschale bringe rein rechnerisch etwa 2000 Euro mehr pro Jahr in die Apotheke, die neue BtM-Vergütung etwa 750 Euro mehr.
Diener: Fünf große Veränderungen stehen an
2021 und 2022 stehen laut Diener aber diverse tiefgreifendere, strukturelle Veränderungen an. Grund dafür seien „systemverändernde Bausteine“ der teilweise noch geplanten Apothekenreform. Diener sieht hier fünf größere Veränderungen, die den Alltag der Apotheker ändern könnten:
1) Das E-Rezept
2) Der Botendienst als Regelleistung. Schon jetzt gibt es den Botendienst nicht mehr nur im begründeten Einzelfall.
3) Telepharmazeutische Beratungen. Diese sind auch in der schon beschlossenen Sammelverordnung enthalten und ermöglichen künftig, dass der Botendienst auch ohne pharmazeutisches Fachpersonal angeboten kann – wenn die Beratung vorher per Telepharmazie erfolgte. Hier erwartet Diener erhebliche Veränderungen im Bereich Öffnungszeiten. Denn: Während der normalen Öffnungszeiten werden nur die wenigsten Apotheker Video-Sprechstunden anbieten können.
4) Die automatisierte Arzneimittelabgabe aus der Offizin. Im noch nicht beschlossenen Apotheken-Stärkungsgesetz ist dazu eine Neuregelung vorgesehen, die es auch Versendern unter bestimmten Bedingungen ermöglichen soll, solche Abgabestationen anzubieten.
5) Der E-Medikationsplan mit Vergütung. Die Einführung des E-Medikationsplans ist beschlossene Sache und soll in der Telematikinfrastruktur als eine der ersten Anwendungen umgesetzt werden. Die Vergütung für Apotheker, wenn sie Daten in einem E-Medikationsplan bearbeiten, war kürzlich in einem Gesetzentwurf des GSAV vorgesehen, wurde dann aber doch nicht beschlossen.
Diener: Neue Möglichkeitsbereiche für Apotheker
Diener erklärte, dass sich durch diese Veränderungen ein neuer „Möglichkeitsbereich“ für Apotheker ergebe. Allerdings stehen diese neuen Möglichkeiten auch mit teils großen Veränderungen im Arbeitsablauf der Apotheker in Verbindung. Die folgenden Gedanken dazu führte der Treuhand-Chef aus:
1) Durch das E-Rezept wird sich ein neuer Kundentypus ergeben, der „Fernbesteller“.
2) Durch die neuen Botendienst-Regelungen ergibt sich ein neues Wettbewerbselement, mit dem sich die Apotheker untereinander abgrenzen können, aber auch vom Versandhandel. Was die konkrete Umsetzung in der Apotheke betrifft, empfahl Diener den Apothekern, eine Apotheken-individuelle Konzeption des Botendienstes. Abhängig von der Lage der Apotheke (Stadt/Land) aber auch von der Kundschaft sollten die Apotheken ihr eigenes Botendienst-Angebot konzipieren.
3) Die telepharmazeutische Beratung eröffne einen neuen Kanal zu den Kunden. Auch hier empfahl der Treuhand-Chef eine eigene Konzeption möglicher telepharmazeutischer Leistungen.
4) Sowohl die Telepharmazie aber auch die Pläne zu den automatisierten Abgabestationen werden sich auf die Öffnungs- und Arbeitszeiten der Apotheker auswirken. Durch die Kombination dieser ersten vier Punkte bräuchten die Apotheker einen „virtuellen Arbeitsplatz“ – also einen Arbeitsplatz, um mit Kunden digital zu kommunizieren. Daraus ergeben sich laut Diener nicht nur Gedanken über die Umgestaltung der Apotheke (Wo wird dieser Arbeitsplatz eingerichtet?) aber auch Fragen nach der Fort- und Weiterbildung des Personals. Insgesamt sollten sich Apotheker Gedanken über ihren eigenen „Marktauftritt“ machen und diesen konzipieren, so die Empfehlung.
5) Durch den E-Medikationsplan ergeben sich neue Chancen auf eine intensivere pharmazeutische Betreuung aber auch Chancen auf eine neue Vergütung.
Diener empfahl den Pharmazeuten, bei diesen Veränderungen nicht die Angst überwiegen zu lassen, sondern die Chancen zu sehen. „Das ist anders als beim EuGH-Urteil von 2016. Da konnten Sie nur mit Zorn raufgucken und nichts gegen die Wettbewerbsverzerrung machen. Bei diesen Veränderungen können Sie selbst mitgestalten“
12 Kommentare
Analyse
von Roland Mückschel am 02.12.2019 um 17:53 Uhr
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