ARGE PareZu zum Hamburger Zytoskandal

„Überregionale MVZ-Strukturen verbieten“

Berlin - 07.01.2020, 15:54 Uhr

Die Zyto-Herstellung sollte wieder regional stattfinden, meint man bei der der ARGE PareZu. (b/Foto: dpa)

Die Zyto-Herstellung sollte wieder regional stattfinden, meint man bei der der ARGE PareZu. (b/Foto: dpa)


Zum Jahresende sorgte erneut ein Zyto-Skandal für Schlagzeilen. Es geht um Korruptionsvorwürfe. Im Mittelpunkt: die Hamburger alanta Group, zu der unter anderem ZytoService und die SKH Stadtteilklinik Hamburg mit ihren MVZ gehören. Die in der Arbeitsgemeinschaft parenterale Zubereitungen (ARGE PareZu) verbundenen Apotheker fordern nun, überregionale MVZ-Strukturen zu verbieten, und verlangen ein klares Bekenntnis zu regionalen Versorgungsstrukturen.

Am 17. Dezember 2019 hatte die Hamburger Staatsanwaltschaft insgesamt 58 Objekte durchsucht, etwa 480 Beamte waren im Einsatz. Es wurden rund 1000 Kartons mit Unterlagen und rund 100 Mobiltelefone, PCs und Speicherkarten zur Auswertung durch die Staatsanwaltschaft sichergestellt. Nach Recherchen von Zeit Online und Panorama sollen Ärzte diverse lukrative Vorteile erhalten haben, wenn sie Zyto-Rezepte über eine bestimmte Apotheke durch ZytoService bedienen ließen. Die alanta Group, zu der die ZytoService GmbH ebenso gehört wie die SKH Stadtteilklinik mit ihren Medizinischen Versorgungszentren (MVZ), hat inzwischen alle Vorwürfe zurückgewiesen. „Das Geschäftsmodell der alanta health group GmbH steht in vollständigem Einklang mit geltenden Gesetzen. Insbesondere sind sämtliche MVZ durch gesetzlich vorgegebene Genehmigungsverfahren bestandskräftig zugelassen worden“, heißt es in einer Stellungnahme des Unternehmens.

Die Staatsanwaltschaft geht nicht von einer Patientengefährdung aus – was alanta nur bekräftigen kann. Die Unternehmensgruppe kann allerdings nicht nachvollziehen, inwiefern den Krankenkassen ein Schaden entstanden sein soll. Die Behörde hatte angegebenen, der Gesamtschaden belaufe sich auf mindestens 8,6 Millionen Euro.

Fragwürdige MVZ-Konstruktionen

Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft parenterale Zubereitungen (ARGE PareZu) haben allerdings Zweifel – sowohl im Hinblick auf den Schaden als auch auf die nicht befürchtete Patientengefährdung. In einer Pressemitteilung erklären die Pharmazeuten, dass sich der „Schaden“ für die Krankenkassen allein aus der juristischen Überlegung ergebe, dass – sollte das gesamte MVZ-Konstrukt illegal sein – auch deren einzelne Abrechnungen unzulässig wären. Und zwar auch dann, wenn die Arzneimittel korrekt geliefert wurden.

Wo beginnt die Korruption?

Grundsätzlich sind derartige MVZ-Konstrukte nun aber rechtlich möglich. Doch für die ARGE PareZu scheint sicher, dass durch sie „onkologische Praxen beziehungsweise deren KV-Sitze mit dem Ziel gekauft wurden, deren Versorgungsverhalten zu steuern“. In der Pressemitteilung der ARGE heißt es weiter: „Dabei sollen möglichst große Marktanteile kontrolliert und die eigenen Gewinne aus dem Einkauf der Ausgangsprodukte und aus der Versorgung der Praxen gesteigert werden. Dies geschieht mit kräftiger finanzieller Unterstützung meist ausländischer Finanzinvestoren, die ihrerseits eine klare mittelfristige Gewinnerzielungsabsicht verfolgen, meist mit der Intention, ihr Investment nach einigen Jahren mit Gewinn weiterzuverkaufen. So werden Teile unseres Gesundheitssystems als Spekulationsobjekt missbraucht“. Damit Onkologen ihre Selbstständigkeit freiwillig aufgeben, würden erhebliche Summen für Zulassungssitze und entsprechend attraktive Beschäftigungsmodelle geboten. Lohnen müsse es sich aber. Deshalb gebe es Bonusmodelle für die angestellten Ärzte und deshalb sollten die Umsatzzahlen der gekauften Praxen möglichst steigen. Die ARGE PareZu fragt: „Nimmt eine derartige Konstellation Einfluss auf das Verordnungsverhalten? Bekommt der zu behandelnde Patient was er braucht oder eher das, was dem gesamten, rein finanziell motivierten Konstrukt dient?“

Vorteile der zeit- und raumnahen Herstellung verschwinden

Was die Patientengefährdung betrifft, räumt die ARGE ein, dass sich Behandlungsfehler wohl kaum nachweisen ließen. Für die Apotheker liegt aber jedenfalls der Verdacht unnötiger Mehrbehandlungen oder gewinnorientierter Arzneimittelauswahl nahe. Zudem gefährde sicher die Zentralisierung der Versorgung die Patientengesundheit. Immer mehr kleine herstellende Apotheken würden aus dem Markt gedrängt, weil sie nicht über den gleichen finanziellen Background verfügten und sich an die sinnvolle und klare Trennung ärztlicher und pharmazeutischer Aufgaben hielte. 

Die Folge sei, dass wohnortnahe Reinraumlabore geschlossen würden, was wiederum zu längeren Transportwegen bei der Versorgung führe, „die es in entsprechenden Fällen praktisch unmöglich machen, die Haltbarkeitsangaben der Fachinformationen einzuhalten“. Alle Vorteile einer zeit- und raumnahen Herstellung verschwänden. Und: Es werde billigend in Kauf genommen, dass bei empfindlichen Wirkstoffen Teile der Wirkung während des Transportes verloren gehen können.

Für die ARGE PareZu wäre es nun die richtige Konsequenz, dass der Gesetzgeber überregionale MVZ-Strukturen und die Beteiligung von Finanzinvestoren an versorgungsrelevanten Strukturen verbietet und sich – im Interesse der Patienten – klar zu regionalen Versorgungsstrukturen bekennt.

Die im Raum stehenden Vorwürfe der Bestechlichkeit und der Korruption dürften nicht als Kavaliersdelikte oder als Einzelfall behandelt werden, betonen die Apotheker.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Kleine Anfrage zur ZytoService-Affäre

Hamburger Zyto-Apotheken wurden regelmäßig kontrolliert

Vorwurf der Bestechung von Onkologen / Offenbar kein Schaden für Patienten

Zyto-Herstellbetrieb unter Korruptionsverdacht

Ermittlungen gegen Zytoservice

Aktenvorlage gefordert

Pharmazeut beteiligte sich über Strohmann an MVZ

Haftstrafe für Apotheker

Recherchen zu Krebsmedikamenten

Apotheken im „Pharmagold“-Rausch

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.