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22. Januar 2020
Doch es geht weiter: Auch die Apothekerkammer Hamburg spricht sich dafür aus, Benedikt Bühler die Gutachten zur Verfügung zu stellen. Hamburgs Kammerpräsident Kai-Peter Siemsen, der zugleich Vorsitzender des ABDA-Haushaltsausschusses ist, macht zudem darauf aufmerksam, dass diese Gutachten schließlich aus Mitgliedsbeiträgen bezahlt wurden und im Interesse der Mitglieder zu verwenden seien. Ja, mein liebes Tagebuch, und die Hamburger Kammer weist die ABDA darauf hin, dass die Verweigerung der Herausgabe der Beschlusslage der ABDA widerspreche. Zum Schluss ihres Schreibens bringt die Hamburger Kammer ihr Unverständnis zum Ausdruck, „wie von Seiten der ABDA-Spitze mit Herrn Bühler und den Interessen der apothekerlichen Basis umgegangen wird“. Mein liebes Tagebuch, es ist in der Tat schon mehr als seltsam, welche Taktik, welche Politik die ABDA da fährt. Hätte sie dem Studenten Bühler die Gutachten, die eh schon kursieren, umgehend zur Verfügung gestellt, hätte es keinen Aufschrei gegeben, keinen Eklat. Und sie hätte sich bei vielen ein paar Sympathiepunkte verdient. Aber was hier abgelaufen ist und abläuft, ist eine Politik, die nicht mehr nachzuvollziehen ist.
Ein Update zu den Arbeiten rund ums E-Rezept war vom Gematik-Manager Hannes Neumann auf dem Kongress des Bundesverbands Managed Care (BMC) zu erfahren. Also, bis Ende Juni will die Gematik die technischen Spezifikationen festgelegt haben. Bis dann die ersten E-Rezepte von Apotheken und Versandapotheken beliefert werden können, wird es noch bis Ende des Jahres dauern. Mein liebes Tagebuch, wir fügen mal das Wörtchen „mindestens“ hinzu, also mindestens bis Ende des Jahres, denn wir wissen doch alle, dass Termine rund um die IT und EDV noch nie eingehalten werden konnten. Und so wird es wohl auch hier sein. Immerhin, eine Planung steht. Erst ein weiteres Jahr später soll es dann auch für BtM- und T-Rezepte die E-Rezept-Lösung geben. In einem weiteren Schritt sollen dann die Heil- und Hilfsmittelrezepte eingebunden werden – und, Achtung, mein liebes Tagebuch, erst dann soll auch die grenzüberschreitende Einlösung von E-Rezepten ermöglicht werden, sagte der Gematik-Manager. Interessante Aussage, oder? Würde das bedeuten, dass z. B. DocMorris und die anderen europäischen Arzneiversandhäuser erst in zwei, drei Jahren an unserem E-Rezept-System teilnehmen können? Gut möglich. Und überhaupt, diese Versandshops in den Niederlanden müssen erstmal irgendwie an einen deutschen Heilberufsausweis kommen, obwohl sie nicht Mitglied einer deutschen Apothekerkammer sind. Denn nur mit einem Heilberufsausweis kann man sich in die deutsche Telematikinfrastruktur einklinken. Ganz fürsorglich hat da aber unser liebes Bundesgesundheitsministerium bereits wissen lassen, dass man hier an einer Lösung arbeite, um die EU-Versender am deutschen E-Rezept-Verkehr teilnehmen zu lassen.
Was auf dem BMC-Kongress auch zur Sprache kam: Der Innovationsexperte (sowas gibt es!) der Techniker Kasse (TK), Daniel Cardinal, meinte, dass sich spätestens mit dem E-Rezept das Thema Lieferengpässe erledigt habe. Er ließ es allerdings im Vagen, warum dies so sein könnte, deutete aber an, dass es der Apotheke durch die vorab vorliegenden E-Rezepte früher und schneller möglich sei, die Lieferbarkeit von Arzneimitteln zu überprüfen und gegenzusteuern. Mein liebes Tagebuch, nun, wie innovativ ist das denn? Die Lieferengpässe an sich werden dadurch nicht geringer, man könnte lediglich rascher Abhilfe schaffen. Aber eine Lösung für Engpässe ist das nicht.
Fernbehandlung, Fernverordnung, E-Rezepte, Versandapos – was da noch auf uns zu kommt (oder zum Teil schon da ist), lässt unser Pharmazeutenherz nicht höher schlagen. Einem Bericht und Test der Zeitung „Neue Westfälische“ zufolge können auch ausländische Ärzte im europäischen Binnenmarkt schon heute Patienten online „behandeln“ und Rezepte ausstellen, die dann von Arznei-Versandhäusern beliefert werden. Im Test hatte sich eine Redakteurin der Neuen Westfälischen quasi selbst eine Antibaby-Pille ausgesucht, die sie sich von einem Arzt des Online-Portals „zavamed“ verordnen ließ. Bevor sie ihre Bestellung aufgeben konnte, musste sie nur einen Diagnosebogen ausfüllen. Die Ware sei dann von einem niederländischem Versender gekommen. Mein liebes Tagebuch, vermutlich kam dieser Redakteurin dieses einfache Procedere doch sehr einfach und unkontrolliert vor. Ihr Fazit: Die Frage nach einem Verbot für den Versandhandel von verschreibungspflichtigen Medikamenten stehe wieder im Raum. Richtig, mein liebes Tagebuch, nur so könnte man diese Sicherheitslücken schließen.
Wir erinnern uns: Das Bundeswirtschaftsministerium hatte vor drei Jahren ein Gutachten zum Apothekenmarkt in Auftrag gegeben, um verlässliche Daten zu bekommen. (Den ABDA-Daten wollte man nicht trauen.) Heraus kam das unsäglich Gutachten der Agentur „2hm“, so unsäglich, dass es die ABDA offiziell nicht kommentieren wollte. Vor Kurzem erfuhren wir so nebenbei, dass unlängst auch das Bundesgesundheitsministerium noch ein Gutachten beim IGES Institut in Kooperation mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Auftrag gegeben hat. Pikanterweise arbeitet eine frühere 2hm-Mitarbeiterin nun beim IGES-Institut. Ob sie auch an diesem neuen Gutachten mitarbeitet, war allerdings nicht zu erfahren. Also, ein neues Gutachten – das bedeutet ja wohl, dass sich auch dieses Ministerium nicht auf ABDA-Zahlen stützen möchte. Und dabei hat sich die ABDA doch so bemüht, mein liebes Tagebuch, eigene glaubwürdige Zahlen mit ihrem ABDA-Datenpanel auf die Beine zu stellen. Dumm nur, dass auch dieses Ministerium nichts davon wissen will. Auch die Bundestagsabgeordnete Sylvia Gabelmann (Linke) hatte beim Ministerium nach Details zu diesem neuerlichen Gutachten gefragt, aber das Ministerium gab sich recht einsilbig. Gabelmann zeigt sich irritiert darüber „welche Geheimnisse im Moment um Gutachten gemacht werden“. Und sie fügte noch einen Seitenhieb in Richtung ABDA hinzu: Auch die ABDA verweigere die Herausgabe von Rechtsgutachten an Benedikt Bühler, was sie ebenfalls für inakzeptabel halte.
12 Kommentare
Lächerlich
von Meusel am 27.01.2020 um 1:37 Uhr
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Bestürzend
von Reinhard Rodiger am 26.01.2020 um 13:39 Uhr
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AW: Bestürzend ... auch noch ein Misstrauensvotum... das wäre der Ehre zu viel ...
von Christian Timme am 26.01.2020 um 17:09 Uhr
AW: Bestürzend- wenn niemand aufsteht
von Reinhard Rodiger am 26.01.2020 um 17:37 Uhr
UNERTRÄGLICHKEITEN
von Dr.Diefenbach am 26.01.2020 um 12:37 Uhr
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von Anita Peter am 26.01.2020 um 12:14 Uhr
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ABDA-Präsident
von Lars Janzen am 26.01.2020 um 11:28 Uhr
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Schmidt und Abda
von Conny am 26.01.2020 um 11:03 Uhr
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Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit: Stellung der Vertrauensfrage ist notwendig
von Klaus Gärtner am 26.01.2020 um 8:59 Uhr
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Etwas stimmt hier schon lange nicht mehr ...
von Christian Timme am 26.01.2020 um 8:54 Uhr
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AW: Etwas stimmt hier schon lange nicht mehr
von Ulrich Ströh am 26.01.2020 um 9:49 Uhr
AW: Etwas stimmt hier schon lange nicht mehr ...
von Christian Timme am 26.01.2020 um 14:26 Uhr
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