GKV-Faire-Kassenwettbewerb-gesetz (GKV-FKG)

Bundestag beschließt Maßnahmen gegen Arzneimittel-Lieferengpässe

Berlin - 13.02.2020, 17:15 Uhr

Der Bundestag hat am heutigen Donnerstagnachmittag einige Neuregelungen zur Vermeidung von Arzneimittel-Lieferengpässen beschlossen. (Foto: imago images / Spicker)

Der Bundestag hat am heutigen Donnerstagnachmittag einige Neuregelungen zur Vermeidung von Arzneimittel-Lieferengpässen beschlossen. (Foto: imago images / Spicker)


Der Bundestag hat am heutigen Donnerstagnachmittag das Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz (GKV-FKG) beschlossen. Mit dem Vorhaben kommen in erster Linie neue Mechanismen in der GKV-Finanzierung zur Anwendung. Das Gesetz enthält aber auch mehrere Neuregelungen zur Vermeidung von und zum besseren Umgang mit Arzneimittel-Lieferengpässen. Unter anderem sollen Apotheker im Falle eines Engpasses schneller und leichter austauschen können. Und die Krankenkassen sollen mögliche Mehrkosten für Patienten übernehmen, die durch Aufzahlungen entstehen.

Das GKV-FKG wurde am heutigen Donnerstag im Bundestag abschließend beraten und dann beschlossen – mit den Stimmen von Union, SPD, Grünen und FDP. Nur die Linken und die AfD stimmten dagegen. Das Gesetz kann nun voraussichtlich Ende März oder Anfang April 2020 in Kraft treten. Eine Zustimmung des Bundesrates ist nicht nötig. Einige Redner gingen kurz auf die im Gesetz zu den Lieferengpässen enthaltenen Maßnahmen ein. Der CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich sagte, dass das „wichtigste“ Element des Gesetzes sei, dass „Patienten und Apotheken nicht mehr alleine gelassen“ würden. Denn schließlich gebe es künftig bei vorkommenden Lieferengpässen keine Aufzahlungen mehr und Apotheken könnten „schnell und unbürokratisch“ austauschen. Hennrich kündigte aber an, dass noch weitere Maßnahmen nötig seien, die die Bundesrepublik im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft anstoßen werde.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Sabine Dittmar, sagte: „Für uns Sozialdemokraten ist es natürlich besonders wichtig, dass die Aufzahlungen nicht mehr von den Versicherten, sondern von den Kassen übernommen werden.“ Maria Klein-Schmeink, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, erklärte mit Blick auf die neuen Regelungen zu Lieferengpässen: „Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber da muss noch mehr kommen.“

Die Regelungen im Überblick

Hier nochmals ein Überblick über alle Neuregelungen zum Thema Lieferengpässe:

  • Rabattarzneimittel: Sind Rabattarzneimittel aufgrund eines Engpasses in der Apotheke nicht verfügbar sollen Apotheker künftig auch vergleichbare, nicht rabattierte Arzneimittel abgeben dürfen. Ist das verfügbare vergleichbare Arzneimittel teurer als der Festbetrag, trägt nicht der Versicherte die Mehrkosten, sondern die Krankenkasse. Damit ist in der Apotheke in diesem Fall auch der Preisanker kein Thema mehr. Allerdings bleibt der Vorbehalt rahmenvertraglicher Detailregelungen. Ob damit eine gänzlich freie Auswahl unter den verfügbaren Arzneimitteln möglich wird, erscheint daher fraglich.
  • Meldepflicht: Für Pharmaunternehmen und Großhändler werden verschiedene Meldepflichten gegenüber dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu versorgungsrelevanten Arzneimitteln eingeführt. Das BfArM kann auf Anordnung Daten von Herstellern und Großhändlern verlangen. Die Informationen zu verfügbaren Lagerbeständen, zur Produktion und zur Absatzmenge sollen dem BfArM helfen, die Versorgungslage bei bestimmten Arzneimitteln besser einschätzen und angemessen reagieren zu können.

Mehr zum Thema

  • Lagerhaltung: Die Bundesoberbehörden können für versorgungskritische Arzneimittel künftig auch Vorgaben zur Lagerhaltung erteilen. Diese Vorgaben richten sich an ebenfalls an Hersteller und Großhändler.
  • Kennzeichnung: Im Ausnahmefall dürfen künftig auch Arzneimittel angewendet werden, die in einer anderen Sprache gekennzeichnet sind, also aus einem anderen Land importiert wurden. Aus Gründen der Arzneimittelsicherheit wird diese Ausnahmemöglichkeit auf versorgungsrelevante Arzneimittel beschränkt, die vom Arzt unmittelbar bei Patienten angewendet werden.
  • Beirat: Ein mit Experten besetzter Beirat beim BfArM soll die Versorgungslage in Zukunft kontinuierlich beobachten und bewerten. Neben Vertretern der Ärzte- und Apothekerschaft sollen auch die pharmazeutische Industrie, der Patientenvertreter, Krankenkassen und Großhandelsvertreter teilnehmen. Der Beirat ersetzt den bisherigen „Jour Fixe“, wird im Arzneimittelgesetz etabliert und berät die Bundesoberbehörden beim Ergreifen der oben genannten Anordnungen und Maßnahmen.

Regelungen zum Kassenwettbewerb

Neben den Maßnahmen zur Verbesserung der Arzneimittelversorgung enthält das Gesetz hauptsächlich Neuregelungen zum Wettbewerb zwischen Krankenkassen, aber auch einige weitere Regulierungen. Hier einige Beispiele:

  • Neue Haftungsregeln: Heute zahlen bei der Auflösung, Schließung oder Insolvenz einer Kasse zuerst die anderen Krankenkassen der gleichen Kassenart. Künftig wird die Last fair unter allen Krankenkassen verteilt.
  • Neue Verhaltensregeln für den Wettbewerb: Die Verhaltensregeln für den Wettbewerb und insbesondere für Werbemaßnahmen werden laut BMG „klarer und verbindlicher“ definiert. Auch die Unterlassungsansprüche und Rechtsschutzmöglichkeiten der Krankenkassen untereinander bei wettbewerbswidrigem Verhalten werden ausgeweitet.
  • Neue Strukturen des GKV-Spitzenverbandes: Der Gesetzgeber will dafür sorgen, dass das operative Geschäft der Kassen „enger und transparenter“ angebunden wird. Dazu wird ein neuer „Lenkungs- und Koordinierungsausschuss“ geschaffen, der mit Vorstandsmitgliedern der einzelnen Krankenkassen besetzt ist. Das BMG hatte hier allerdings weitergehende Eingriffe in die Selbstverwaltung vor, die die Regierungsfraktionen wieder aus dem Gesetz genommen haben. Und: Künftig gibt es eine Frauenquote in den Entscheidungsgremien.
  • Kooperation zwischen den Aufsichtsbehörden: Die bisher geltenden Rahmenbedingungen für den Erfahrungs- und Meinungsaustausch der Aufsichtsbehörden der Krankenkassen werden konkretisiert, um Transparenz, Abstimmung und Kooperation zwischen den Aufsichtsbehörden auf Bundes- und Landesebene zu stärken.
  • Finanzausgleich der Krankenkassen (Risikostrukturausgleich, RSA): Regionale Über- und Unterdeckungen im Finanzausgleich werden abgebaut und somit gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Krankenkassen geschaffen. Zudem wird durch die Regionalkomponente der Marktkonzentration einzelner Kassen entgegengewirkt.
  • Krankheits-Vollmodell: Künftig wird bei der Verteilung der Gelder aus dem Gesundheitsfonds an die Krankenkassen das gesamte Krankheitsspektrum (statt bisher 50 bis 80 Krankheiten) im RSA berücksichtigt. Das erhöht die Zielgenauigkeit des Finanzausgleichs und verringert Über- und Unterdeckungen für den Großteil der Versicherten.
  • Risikopool: Hochkostenfälle werden dadurch abgefedert, dass die Krankenkassen für jeden Leistungsfall 80 Prozent der Leistungsausgaben erstattet bekommen, die über 100.000 Euro pro Jahr hinausgehen.

Mehr zum Thema

  • Präventionsausgaben: Die Präventionsorientierung im RSA wird gestärkt, indem eine Vorsorge-Pauschale eingeführt wird. Damit wird der Anreiz für Krankenkassen gestärkt, die Inanspruchnahme von Präventionsmaßnahmen ihrer Versicherten zu fördern.
  • Versichertenindividuelle Berücksichtigung von Arzneimittelrabatten: Systematische Über- und Unterdeckungen sollen vermieden und Wettbewerbsverzerrungen beseitigt werden. Wirtschaftlichkeitsanreize zum Abschluss von Rabattverträgen durch die Krankenkassen bleiben erhalten.
  • Eine Manipulationsbremse soll sicherstellen, dass sich eine sogenannte „Kodierbeeinflussung“ künftig nicht mehr lohnt: Wenn die Diagnosekodierungen bei bestimmten Krankheiten auffällig stark steigen, bekommen alle Krankenkassen hierfür keine Zuweisungen mehr.
  • Um für die Jahre 2018 und 2019 etwaige nicht refinanzierte Tarifsteigerungen in der Pflege zu finanzieren, erhalten die Krankenhäuser einmalig rund 250 Millionen Euro.


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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4 Kommentare

Wieder daneben

von ratatosk am 17.02.2020 um 16:07 Uhr

Die unseriösen Detailregelungen machen es schon vorm Start zur Totgeburt ! Da der Gesetzgeber natürlich auch einfach einen Vorrang für die Versorgung hätte einbauen können, zeigt es sich, daß die Politik nur eine Nebelkerze werfen wollte und den Kassen weiterhin die lukrative Retaxabzocke auf keinen Fall vermiesen wollte.. Anzumerken ist noch, daß vorige Woche auch der indische Generikaverband erklärt hat, daß sie ab März, wenn China weiter lahmliegt, die Produktionen herunterfahren müssen, was dann etwa 80 % der europäischen Generikas ausmacht.
Das ist der wirkliche Abgrund und das Problem, hier helfen keine parlamentarisch-bürokratischen Tricksereien mehr, oder der Digitalklimbim von Spahn, jetzt geht es an die Substanz. Warum er so gelobt wird, daß er etwas macht ist völlig grotesk, denn nicht das Machen an sich ist lobenswert, sondern nur wenn etwas gut gemacht wird.

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Maßnahmen gegen Lieferengpässe??

von Heiko Barz am 14.02.2020 um 12:41 Uhr

Ich bin verstört und verunsichert über den folgenschweren Satz:
„Damit ist in der Apotheke in diesem Fall auch der Preisanker kein Thema mehr. Allerdings bleibt der Vorbehalt ramenvertraglicher Detailreglungen“
Das öffnet doch jedem Regress alle Türen!
Und, hat sich dadurch irgendetwas planungsmäßig verändert?

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Richtig & Mehr ... das kann man 4 Jahre lang "aufsagen" ohne etwas gesagt zu heben ... davon brauchen wir noch mehr ...

von Christian Timme am 13.02.2020 um 21:47 Uhr

Maria Klein-Schmeink, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, erklärte mit Blick auf die neuen Regelungen zu Lieferengpässen: „Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber da muss noch mehr kommen.“

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AW: Richtig & Mehr ... ohne etwas gesagt zu h a b e n ...

von Christian Timme am 13.02.2020 um 22:12 Uhr

Nachtrag: Kosten über eine Legislaturperiode für sie o.g. Dame 5.6 Mio. € ...

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