Unbestätigte Hypothese

SARS-CoV-2: Begünstigen ACE-Hemmer schwere Verläufe?

Stuttgart - 12.03.2020, 07:00 Uhr

SARS-Viren und auch das neue SARS-CoV-2 nutzen das transmembranäre Enzym ACE2 (Angiotensin Converting Enzyme 2) als Rezeptor, um in ihre Wirtszellen zu gelangen. Doch begünstigen ACE-Hemmer deswegen schwere Verläufe? Eine diesbezügliche Hypothese ist bislang nicht bestätigt. (c / Foto: imago images / ZUMA Wire)

SARS-Viren und auch das neue SARS-CoV-2 nutzen das transmembranäre Enzym ACE2 (Angiotensin Converting Enzyme 2) als Rezeptor, um in ihre Wirtszellen zu gelangen. Doch begünstigen ACE-Hemmer deswegen schwere Verläufe? Eine diesbezügliche Hypothese ist bislang nicht bestätigt. (c / Foto: imago images / ZUMA Wire)


Die Coronavirus-Epidemie nimmt für viele immer dramatischere Züge an. Insbesondere Menschen mit Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes werden als besonders gefährdet eingestuft. Warum das so ist, dazu gibt es eine Vielzahl von ­Hypothesen. Ein besonders beunruhigender Verdacht ist der, dass dafür eine ACE-Hemmer-Therapie verantwortlich sein könnte. Ein Blick hinter die ­Kulissen der Pathomechanismen einer Coronavirus-Infektion verrät, wie es zu diesem bislang unbestätigten Verdacht kommen konnte, aber er zeigt auch hoffnungsvolle Therapieansätze auf. ACE-Hemmer abzusetzen und auf Sartane oder andere Wirkstoffe auszuweichen, wird derzeit auf jeden Fall nicht empfohlen. 

Es handelt sich um eine bislang unbestätigte Theorie, die neue Möglichkeiten in der Wirkstoffentwicklung bietet. Ein schädlicher Einfluss von ACE-Hemmern ist bislang nicht belegt.  ACE-Hemmer abzusetzen und auf Sartane oder andere Wirkstoffe auszuweichen, wird derzeit auf jeden Fall nicht empfohlen.

SARS-Viren und auch das neue SARS-CoV-2 nutzen das transmembranäre Enzym ACE2 (Angiotensin Converting Enzyme 2) als Rezeptor, um in ihre Wirtszellen zu gelangen und ihre Replikation zu starten. Das haben Forscher rund um Prof. Dr. Josef Penninger, damals noch am Institut für molekulare Biotechnologie (IMBA) in Wien, inzwischen Scientific Director am Life Sciences Institut der British Columbia University in Vancouver, zu Zeiten der SARS-Epidemie 2002/2003 erforscht. Die bei uns therapeutisch genutzten ACE-Hemmer binden jedoch nicht an ACE2, sondern blockieren lediglich das Angiotensin Converting Enzyme (ACE). Aber sie sollen dazu führen, dass verstärkt ACE2-Rezeptoren gebildet werden und damit den Viren besonders viele Eintrittspforten in die Zellen geboten werden, so der Verdacht.

Sind die Viren dann erst einmal in den Zellen, wird mit dem Start der Virusreplikation die ACE2-Expression heruntergefahren. Das ist besonders fatal, weil ACE2 als ACE-Gegenspieler potenziell zellschädigende ACE-Auswirkungen antagonisiert und somit eine Schutzwirkung ausübt. Dieser Schutz geht durch die ACE2-Downregulation bei einem Virusbefall der Zelle verloren. ACE-Hemmer könnten hier als Brandbeschleuniger wirken. Entsprechend kursiert der unbestätigte Verdacht, dass in Italien die Todesrate mit aktuell 4 bis 5 Prozent so hoch ist, weil hier besonders häufig ACE-Hemmer eingesetzt werden sollen.

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Was machen Sartane?

Und was machen Sartane, die den Angiotensin-II-Rezeptor AT1R blockieren? Im Gespräch mit der DAZ erklärt Penninger, dass über Angiotensin-II-Bindung an diese AT1-Rezeptoren Gewebeschäden bis hin zum Lungenödem ausgelöst werden können. Deshalb sieht er hier eher eine Schutzfunktion durch Sartane. Allerdings steht auch hier der Verdacht einer ACE2-Hochregulation durch Sartane im Raum.

Hypothese, die noch auf Bestätigung wartet, Substanzwechesel derzeit nicht empfohlen

An dieser Stelle muss festgehalten werden, dass die Hochregulation von ACE2 durch den Eingriff in das Renin-Angiotensin-System eine interessante Hypothese ist, die aber auf eine Bestätigung wartet. So beispielsweise durch Auswertung der schwer bis ­tödlich verlaufenen COVID-19-Fälle, in der die Pharmakotherapie entsprechend unter die Lupe genommen werden muss. ACE-Hemmer abzusetzen und auf Sartane oder andere Wirkstoffe auszuweichen, wird derzeit nicht empfohlen.

Eine potenziell infektionsfördernde Wirkung von ACE-Hemmern wollte Penninger im Gespräch mit der DAZ nicht bestätigen. Prinzipiell führen ja auch ACE-Hemmer zu einer Abnahme von Angiotensin II, dass dann ebenfalls nicht mehr für die Bindung an den AT1-Rezeptor zur Verfügung steht.

Konzentration auf den vielversprechenden Therapieansatz

Penninger konzentriert sich vielmehr auf den vielversprechenden Therapieansatz, den die Erkenntnisse rund um ACE2 bieten. So ist Penninger Gründungsmitglied der Firma Apeiron Biologics mit Sitz in Wien, die ein rekombinantes humanes ACE2 in löslicher Form im Portfolio hat. Dieses rhACE2, auch als APN01 bezeichnet, ist in der Lage, das neue SARS-CoV-2 zu binden und damit vor dem Eintritt in die Zelle abzufangen. Darüber hinaus ist die ACE2-Enzymfunktion bei APN01 erhalten, so dass es zusätzlich Angiotensin II in Angiotensin1-7 abbauen kann. Angiotensin1-7 bindet nicht an AT1-Rezeptoren und kann damit die potenziell schädliche Angiotenin-II-Wirkung antagonisieren.

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Im Tierversuch ließen sich schwere Lungenschäden vermeiden

Im Tierversuch ließen sich mit APN01 schwere Lungenschäden vermeiden, ein Effekt, den Penninger auch bei Sartanen gesehen hat. Klinische Phase-I-Studien mit APN01 sind erfolgreich abgeschlossen worden, nun soll das rhACE2 in Wuhan in einer Phase-II-Pilotstudie randomisiert und unverblindet an 24 schwer an COVID-19 erkrankten Patienten getestet werden. Sollte diese Studie erfolgreich verlaufen, ist eine doppelblind-randomisierte Phase-IIb Studie geplant. Insgesamt setzt Penninger im Kampf gegen das neue Coronavirus auf das Zusammenspiel unterschiedlicher therapeutischer Strategien und die Entwicklung eines Impfstoffs.

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Chefredaktion DAZ

redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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12 Kommentare

Versteh von Medizin nichts, bin absolut blöd....

von Peter Gleiszner am 26.03.2020 um 18:59 Uhr

ACE ODER ACETYLSALICYLSÄURE , haben wir doch im Aspro, im Thrombo ASS, Plavex und wie sie alle sich nenne.
Ich lese in zig Fachschriften Erdenweit, dass sich unser Freund Covid -19, SARS-CoV-2 überhaupt nicht mit dem ACE - Hemmer versteht.
Millionen nehmen diese Medikamente, Millionen Menschen sind gefährdet. Kein Arzt kann in die Wahrheit gehen, keine Institution kann in die Wahrheit gehen.
Das ist ein Euro Milliarden - Geschäft.
Sorry, wenn ich Blödsinn schreibe, aber ich versteh von Medizin nichts.
Lg. Peter Gleiszner

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AW: Versteh von Medizin nichts, bin absolut

von Jürgen am 07.04.2020 um 17:22 Uhr

Hallo!,
Acetylsalicylsäure ( Abgek.: ASS) ist der Wirkstoff im Aspirin. ...
Angiotensin Converting Enzym ( Abgek.: ACE) ist ein Enzym, das u.A. Angiotensin I in Angiotensin II umwandelt. ( Renin -Angiotensin - Aldosteronsystem )
ACE II ist ein transmembranöses Enzym, welches als funktioneller Rezeptor wirkt und an eben das auch die S Bindungsdomäne des Sars Cov2 andocken kann.
So weit ich weiß. Bei einem Fehler bitte korrigieren.

ACE ARB COVID-19 Augen zu und durch

von Stefan Oesch am 21.03.2020 um 13:54 Uhr

Die Statistiken aus Italien:
-74% der verstorbenen waren Bluthochdruck-Patienten
-52% der verstorbenen nahmen ACE oder ARB Medikamente
Siehe:
https://t.co/J1lmnKUl0p

Als Mediziner oder Apotheker in dieser Situation mit der Devise, "Augen zu und durch" zu handeln ist meiner Meinung nach unverantwortlich.

Die nächste Krise ist abgezeichnet.

Für Erklärungen /Rechtfertigung solcher Devisen oder zur Situation, besten Dank vorab.

Stefan Oesch
MS ETH

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ACE2 Entry Mechanismus

von Prof. Dr. Joachim Beige am 14.03.2020 um 19:48 Uhr

Zunächst mal eine wissenschaftlich relevante Diskussion, die aber an der Vermischung von sehr komplizierten pathophysiologischen Argumenten und Corona-Hype leidet. Jeder halbwegs nachdenkliche Arzt hat sicher bei der Identifkation des ACE2-Rezeptors aufgehorcht und erkannt, dass eine einfache schädliche oder vielleicht auch protektive Wirkvermutung nicht mögich sein wird. Dann Zusammenhänge zwischen der (sehr sinnvollen aber nicht bewiesenen) häufigen RAS-Blocker Verordnung in Norditalien und der Mortalitätsrate unkritisch hochzujubeln (tw. in den Kommentaren und anderswo, nicht im Artikeltext), ist abenteuerlich. Viel sinnvoller wäre z.B. der naheliegende und auch bei andereren Krankheiten praktizierte Ansatz, während einer kritischen respiratorischen Verschlechterung, wohl meist mit Sepsis (und begleitender Hypotonie) ACE-Hemmer wie andere Blutdrucksenker situativ abzusetzen (Halbwertzeiten 4-12 Stunden). Jeder klinisch tätige Arzt kennt auch die manchmal Allergie-verstärkende Wirkung (selten bis zum Lungenödem) der ACE-Hemmer, die vielleicht auch einen Ansatz bietet. Auf keinen Fall sollte man diese ZWEIFELSFREI bewiesen nützlichen Medikamente aus Corona-Angst absetzen, sondern im Fall einer schweren Infektion ihren Mechanismus kennen und im Hinblick auf die konkrete Situation des Patienten entscheiden.

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Endlich ein Hoffnungsschimmer

von Dr. L. Kampmann am 14.03.2020 um 18:15 Uhr

Liebe Frau Dr. Uhl,
Herzlichen Dank für diesen Artikel. Auch wenn er unbestätigt ist, zeigt er mir doch, dass die "mal eben" Verschreibung von ACE- Hemmern viel zu lax gehandhabt wurde. Wir sind alle mündige Bürger und entscheiden alle 4 Jahre über unsere Regierung. Warum nutzen wir diese Entscheidungsgewalt nicht für unseren Körper? Überlassen da nicht viel zu viele Bürger die Entscheidung "ihrem" Arzt und der Pharmaindustrie?

Ich habe kein Verständnis dafür, einen solchen gut begründeten Artikel als Panikmache zu verreissen und im gleichen Moment in der Lethargie eines krankmachenden Lebenswandels in der allzu bequemen Komfortzone des täglichen Lebens zu verharren.
Wer sich ein wenig auskennt und dazu mit der Suche im Internet vertraut ist, erkennt, dass die hier beschriebenen Mechanismen durchaus anatomische Vorgänge sind, die einzeln für sich wissenschaftlich belegt sind.

Ich möchte die Leser um etwas mehr Zurückhaltung bitten. Dieser Artikel bietet Hoffnung, keine Panik. Der erste übrigens, den ich mit diesen Ansätzen gelesen habe.

Sollte der Atikel dazu beigetragen haben, dass sich einige Menschen nun der Tatsache bewusst werden, ihre Komfortzone verlassen zu müssen, um zu überleben, fälschlich als Panikmache beschrieben, freue ich mich, wenn einige Ärzte und Apotheker dieses zum Anlass nehmen, so manch gut gemeinte 08/15-Terapie gemeinsam mit ihren Patienten zu überdenken.

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Unnötiges Verbreiten von Panik!

von Lina S. am 14.03.2020 um 13:43 Uhr

Ich würde Sie bitten den Absatz, dass Substanzwechsel nicht empfohlen sind auf die erste Seite des Artikel zu verschieben. So wie es jetzt ist, liest das niemand und dessen sind sie sich als Redaktion sicherlich bewusst.

Artikel wie dieser schüren nur unnötige Panik unter Menschen die auf diese Medikamente angewiesen sind. Mal davon abgesehen, dass wenn diese Medikamente abgesetzt werden absolut unklar ist, wie sich dies dann auf den Krankheitsverlauf auswirkt. Ich finde es unverantwortlich, dass ungefiltert solche Informationen verteilt werden, ohne darüber nachzudenken, wie sich das auf den Teil der Bevölkerung auswirkt, der nicht einschätzen kann ob das jetzt wissenschaftlich relevant ist oder nicht.
Außerdem sind die Quellen nicht nachvollziehbar angegeben. Korrekter Wissenschafts-Journalismus sieht anders aus.

Obendrein steht in der URL immer noch der Titel "SARS COV2 Wirken ACE Hemmer als Brandbeschleuniger", was weiterhin verantwortungslos ist!
Lg
MA der Biochemie und Molekular Biologie,
Lina S.

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AW: Unnötiges Verbreiten von Panik

von Redaktion DAZ.online am 14.03.2020 um 15:03 Uhr

Liebe Frau S.,

wird sind ein Fachportal, das sich an Apotheker richtet. Das ist ein absolut sachlicher, nicht panikschürender Artikel. Vorausgesetzt man liest ihn bis zum Ende. Wenn es aufgrund der grassierenden Panik nicht mehr möglich sein sollte, solche, ohne Frage spanennende Themen innerhalb der Fachkreise zu diskutieren, ist das eine ziemlich traurige Entwicklung, die wir eigentlich nicht mitmachen möchten.
Viele Grüße
Julia Borsch

AW: Unnötiges Verbreiten von Panik

von Lina S. am 14.03.2020 um 17:48 Uhr

Hey! Ich finde Ihr als Redaktion solltet euch bewusst sein, dass ihr im Internet nicht auswählen könnt welches Publikum eure Artikel erreichen. Deswegen muss mit Inhalten verantwortungsbewusst umgegangen werden. Das war im ursprünglichen Artikel leider eher mangelhaft. Es ist jedoch super, dass ihr auf Kritik eingeht und die Kritikpunkte überarbeitet habt. Sowohl für den Leser vom Fach, als auch für den Laien ist nun wesentlich klarer worum es geht. Danke dafür!
Lg, Lina

AW: Unnötiges Verbreiten von Panik

von Dave am 03.04.2020 um 10:53 Uhr

Hallo,

die Hypothese ist absolut nach zu vollziehen und sollte der Allgemeinheit durchaus zugänglich gemacht werden.

Aufklärung hat nichts mit Panikmache zu tun.

Ihr gefährliches Publikationsgebaren

von Steffen Sonntag am 14.03.2020 um 10:16 Uhr

Frau Doris Uhl, Chefredaktion DAZ, Ihr Artikel wird über den Link https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2020/03/12/sars-cov-2-wirken-ace-hemmer-als-brandbeschleuniger verbreitet. Meine beunruhigten und verängstigten Patienten lesen "ace-hemmer-als-brandbeschleuniger" und setzen ihre Medikamente ab. Korrigieren Sie das bitte, sofort.

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AW: Ihr gefährliches Publikationsgebaren

von kraeMit am 14.03.2020 um 12:21 Uhr

!!!!!
Ist hier in der Familie gerade als WA Message als ganz heisser Geheimtip durchgereicht worden.
ICH FASSE ES NICHT, WIE B##D MUSS MAN DA EIGENTLICH SEIN!?
Gru

Raucher und ACE2

von Brigitte Hillner am 12.03.2020 um 9:21 Uhr

Es ist wohl auch so, dass Raucher eine deutlich erhöhten Spiegel an ACE2 haben und daher auch bei ihnen die Krankheitsverläufe so dramatisch schlimmer sind. Das sollte doch ein guter Grund sein mit dem Rauchen aufzuhören.

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