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21. April 2020
Der Begleitbrief des Bundesgesundheitsministers zur SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung an alle Vor-Ort-Apotheken und Klinikapotheken liest sich freundlich und anerkennend. Ja, Jens Spahn lobt die Apothekerinnen und Apotheker für ihre Arbeit und bedankt sich für deren „außergewöhnlichen Einsatz“. Spahn spricht von einer „harten Belastungsprobe“ durch die Krise, er zollt den Apothekerinnen und Apothekern Respekt für die Arbeit. Der Minister sieht sehr wohl die Gefahr der eigenen Infizierung beziehungsweise die Gefährdung der Angestellten. Um die Versorgung von Patienten in häuslicher Quarantäne sicherzustellen, sehe die neue Eilverordnung die „zeitlich befristete“ Vergütung des Botendienstes vor. Diese Mittel sollen das „Engagement der Apotheken bei der Versorgung der Patienten in der bestehenden Notlage absichern und unterstützen“, schreibt Spahn. Ach, ja, mein liebes Tagebuch, solch lobende Worte tun gut in dieser rauen Zeit, darüber darf man sich schon mal freuen. Aber mir fehlt noch ein Appendix, ein Post Scirptum an diesem Brief, etwa folgenden Inhalts: P.S. – Unabhängig davon, liebe Apothekerinnen und Apotheker, werde ich mich als Ihr Bundesgesundheitsminister mit aller Kraft dafür einsetzen, dass die Apothekenreform endlich verabschiedet werden kann, die Gleichpreisigkeit hergestellt wird und Ihre pharmazeutischen Dienstleistungen endlich honoriert werden.
Wie, was soll das denn? Arzneimittelabgabeautomaten in Krankenhäusern? Jens Spahn kann sich solche Automaten als Modellprojekte im Rahmen von Neuregelungen für das Infektionsschutzgesetz durchaus vorstellen, wie ein Entwurf für ein zweites Bevölkerungsschutzgesetz des Bundesgesundheitsministeriums vorsieht. Geboren hat diese Idee bereits im vergangenen Jahr die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG). Sie sprach sich in einer Stellungnahme dafür aus, eine automatengestützte Kommissionierung durch Krankenhausapotheken ausdrücklich zuzulassen. Diese Automaten sollten Arzneimittel an die Stationen abgeben können – auch ohne abschließende Kontrolle durch pharmazeutisches Personal. Mein liebes Tagebuch, was haben Abgabeautomaten in Krankenhäusern mit der Corona-Krise zu tun? Rein gar nichts. Daher ist es unverständlich, dass dieses Thema in ein Infektionsschutzgesetz Eingang finden soll. Ob solche Automaten überhaupt sinnvoll sind, was sie bringen, ob sie nicht falsche Zeichen setzen würden – das mag Diskussionsstoff in Friedens- aber nicht in Krisenzeiten sein. Und so hält auch die ABDA nichts von der Idee des Bundesgesundheitsministers, solche Modellprojekte zur automatisierten Arzneimittelabgabe im Krankenhaus zuzulassen.
Sabine Dittmar, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, ist rundum zufrieden mit dem Einsatz und den Leistungen der Apothekerinnen und Apotheker in der Krise. Sie findet es auch gut, wie schnell die Apotheken ihre Botendienst-Tätigkeiten ausgebaut haben, und sie hält es für richtig, dass für diese zusätzliche Belastung eine zusätzliche Vergütung fließt. Dass Rabattverträge gelockert werden, ist für sie auch o.k., aber klar, nur vorübergehend. Und dass die Abhängigkeit von Märkten in Asien weniger werden muss, ist für sie auch ganz klar. Mein liebes Tagebuch, wir werden sehen, was von diesen Ansichten auch nach der Krise noch Bestand hat.
Das ging dann doch relativ zügig: die Eilverordnung zur Arzneimittelversorgung (die SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung). Schon ist sie in Kraft und bringt für die Apotheken neue Austauschmöglichkeiten bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und einen vergüteten Botendienst während der Corona-Pandemie. Fein, mein liebes Tagebuch, und wie kommt die Apotheke an ihre 5 Euro pro Corona-Botendienst und an die 250 Euro für die Erstausstattung der Schutzausrüstung im Botendienst? Tja, die Details der Abrechnung müssen der Deutsche Apothekerverband und der GKV-Spitzenverband noch abklären. Hhmm, und wie lange dauert das? Die Botendienste laufen jetzt und in den kommenden Wochen. Außerdem ist diese Regelung mit den fünf Euro pro Botendienst bis 30. September 2020 befristet. Fritz Becker, Chef des Deutschen Apothekerverbands, jubelt schon: „Mit einer Grundausstattung von 250 Euro pro Apotheke und 5 Euro Zuschuss pro Botendienst wird die Versorgung in diesen schwierigen Zeiten jetzt aber sehr gut unterstützt.“ Na, na, na, Herr Becker, gemach, da fehlt doch der Nachsatz, dass dies wirklich nur ein kleiner Zuschuss ist und beileibe nicht die Kosten des Botendienstes abbildet. Und – jetzt muss man sich erst mal mit den Krankenkassen „unbürokratisch und schnell“ einigen. Wie wir aus der Vergangenheit wissen, kann das dauern.
So manche Bestimmungen werden in Corona-Zeiten zwar außer Kraft gesetzt oder gelockert, z. B. die Auswahl von Rx-Arzneimitteln bei Rabattverträgen. Aber die eine oder andere Dokumentationspflicht bleibt uns nicht erspart, erst recht in Corona-Zeiten. Ein Beispiel: Apothekeninhaber und Filialleiter sind verpflichtet eine Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen und entsprechende Schutzmaßnahmen festzulegen, um die Mitarbeiter während der Pandemie vor einer Infektion zu schützen. Die Bundesapothekerkammer hat bereits Empfehlungen zu Arbeitsschutzmaßnahmen veröffentlicht, wie Apothekenleiter während der Pandemie mit Blick auf den Arbeitsschutz vorgehen sollten. Hinzu kommen Dokumente und Arbeitshilfen der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege und der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung. So weit, so gut. Mein liebes Tagebuch, was ebenso wichtig ist: Alle Maßnahmen und die entsprechenden Ergebnisse müssen laufend dokumentiert werden. Denn ohne Dokumentation kann es berufs- und arbeitsschutzrechtlich problematisch werden, wenn beispielsweise Pharmazierat oder Gesundheitsamt danach fragen. Hier die gute Nachricht: Der Münchner Apotheker Dr. Hermann Vogel hat eine Plattform entwickelt (www.corona-doku.de), auf der jede Apotheke alle nötigen Maßnahmen fortlaufend online dokumentieren kann und das alles kostenlos. Unterstützt wird die neue Plattform von der Niederlassung der Deutschen Apotheker und Ärztebank in München.
10 Kommentare
Folgenlos?
von Reinhard Rodiger am 26.04.2020 um 13:53 Uhr
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AW: Folgen- und Konzeptlos in die Zukunft ...
von Christian Timme am 26.04.2020 um 17:14 Uhr
AW: Folgenlos? ... Weichenstellung!
von Reinhard Rodiger am 26.04.2020 um 20:02 Uhr
AW: Folgenlos ...
von Christian Timme am 26.04.2020 um 21:11 Uhr
BVG-Urteil zu Rezeptsammelstelle
von Uwe Hüsgen am 26.04.2020 um 10:59 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: BVG-Urteil zu Rezeptsammelstelle
von Dr.Diefenbach am 26.04.2020 um 11:37 Uhr
Coronas Zauberberg 2020 ...
von Christian Timme am 26.04.2020 um 9:22 Uhr
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Botendienst
von Conny am 26.04.2020 um 8:21 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Botendienst
von Conny am 26.04.2020 um 8:23 Uhr
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von Anita Peter am 26.04.2020 um 8:09 Uhr
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