Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

26.04.2020, 08:00 Uhr

5 Euro für den Botendienst – aber wie bekommt die Apotheke diesen Zuschuss?

5 Euro für den Botendienst – aber wie bekommt die Apotheke diesen Zuschuss?


21. April 2020 

Der Begleitbrief des Bundesgesundheitsministers zur SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung an alle Vor-Ort-Apotheken und Klinikapotheken liest sich freundlich und anerkennend. Ja, Jens Spahn lobt die Apothekerinnen und Apotheker für ihre Arbeit und bedankt sich für deren „außergewöhnlichen Einsatz“. Spahn spricht von einer „harten Belastungsprobe“ durch die Krise, er zollt den Apothekerinnen und Apothekern Respekt für die Arbeit. Der Minister sieht sehr wohl die Gefahr der eigenen Infizierung beziehungsweise die Gefährdung der Angestellten. Um die Versorgung von Patienten in häuslicher Quarantäne sicherzustellen, sehe die neue Eilverordnung die „zeitlich befristete“ Vergütung des Botendienstes vor. Diese Mittel sollen das „Engagement der Apotheken bei der Versorgung der Patienten in der bestehenden Notlage absichern und unterstützen“, schreibt Spahn. Ach, ja, mein liebes Tagebuch, solch lobende Worte tun gut in dieser rauen Zeit, darüber darf man sich schon mal freuen. Aber mir fehlt noch ein Appendix, ein Post Scirptum an diesem Brief, etwa folgenden Inhalts: P.S. – Unabhängig davon, liebe Apothekerinnen und Apotheker, werde ich mich als Ihr Bundesgesundheitsminister mit aller Kraft dafür einsetzen, dass die Apothekenreform endlich verabschiedet werden kann, die Gleichpreisigkeit hergestellt wird und Ihre pharmazeutischen Dienstleistungen endlich honoriert werden.

 

Wie, was soll das denn? Arzneimittelabgabeautomaten in Krankenhäusern? Jens Spahn kann sich solche Automaten als Modellprojekte im Rahmen von Neuregelungen für das Infektionsschutzgesetz durchaus vorstellen, wie ein Entwurf für ein zweites Bevölkerungsschutzgesetz des Bundesgesundheitsministeriums vorsieht. Geboren hat diese Idee bereits im vergangenen Jahr die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG). Sie sprach sich in einer Stellungnahme dafür aus, eine automatengestützte Kommissionierung durch Krankenhausapotheken ausdrücklich zuzulassen. Diese Automaten sollten Arzneimittel an die Stationen abgeben können – auch ohne abschließende Kontrolle durch pharmazeutisches Personal. Mein liebes Tagebuch, was haben Abgabeautomaten in Krankenhäusern mit der Corona-Krise zu tun? Rein gar nichts. Daher ist es unverständlich, dass dieses Thema in ein Infektionsschutzgesetz Eingang finden soll. Ob solche Automaten überhaupt sinnvoll sind, was sie bringen, ob sie nicht falsche Zeichen setzen würden – das mag Diskussionsstoff in Friedens- aber nicht in Krisenzeiten sein. Und so hält auch die ABDA nichts von der Idee des Bundesgesundheitsministers, solche Modellprojekte zur automatisierten Arzneimittelabgabe im Krankenhaus zuzulassen.

 

Sabine Dittmar, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, ist rundum zufrieden mit dem Einsatz und den Leistungen der Apothekerinnen und Apotheker in der Krise. Sie findet es auch gut, wie schnell die Apotheken ihre Botendienst-Tätigkeiten ausgebaut haben, und sie hält es für richtig, dass für diese zusätzliche Belastung eine zusätzliche Vergütung fließt. Dass Rabattverträge gelockert werden, ist für sie auch o.k., aber klar, nur vorübergehend. Und dass die Abhängigkeit von Märkten in Asien weniger werden muss, ist für sie auch ganz klar. Mein liebes Tagebuch, wir werden sehen, was von diesen Ansichten auch nach der Krise noch Bestand hat.

 

Das ging dann doch relativ zügig: die Eilverordnung zur Arzneimittelversorgung (die SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung). Schon ist sie in Kraft und bringt für die Apotheken neue Austauschmöglichkeiten bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und einen vergüteten Botendienst während der Corona-Pandemie. Fein, mein liebes Tagebuch, und wie kommt die Apotheke an ihre 5 Euro pro Corona-Botendienst und an die 250 Euro für die Erstausstattung der Schutzausrüstung im Botendienst? Tja, die Details der Abrechnung müssen der Deutsche Apothekerverband und der GKV-Spitzenverband noch abklären. Hhmm, und wie lange dauert das? Die Botendienste laufen jetzt und in den kommenden Wochen. Außerdem ist diese Regelung mit den fünf Euro pro Botendienst bis 30. September 2020 befristet. Fritz Becker, Chef des Deutschen Apothekerverbands, jubelt schon: „Mit einer Grundausstattung von 250 Euro pro Apotheke und 5 Euro Zuschuss pro Botendienst wird die Versorgung in diesen schwierigen Zeiten jetzt aber sehr gut unterstützt.“ Na, na, na, Herr Becker, gemach, da fehlt doch der Nachsatz, dass dies wirklich nur ein kleiner Zuschuss ist und beileibe nicht die Kosten des Botendienstes abbildet. Und – jetzt muss man sich erst mal mit den Krankenkassen „unbürokratisch und schnell“ einigen. Wie wir aus der Vergangenheit wissen, kann das dauern.   

 

So manche Bestimmungen werden in Corona-Zeiten zwar außer Kraft gesetzt oder gelockert, z. B. die Auswahl von Rx-Arzneimitteln bei Rabattverträgen. Aber die eine oder andere Dokumentationspflicht bleibt uns nicht erspart, erst recht in Corona-Zeiten. Ein Beispiel: Apothekeninhaber und Filialleiter sind verpflichtet eine Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen und entsprechende Schutzmaßnahmen festzulegen, um die Mitarbeiter während der Pandemie vor einer Infektion zu schützen. Die Bundesapothekerkammer hat bereits Empfehlungen zu Arbeitsschutzmaßnahmen veröffentlicht, wie Apothekenleiter während der Pandemie mit Blick auf den Arbeitsschutz vorgehen sollten. Hinzu kommen Dokumente und Arbeitshilfen der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege und der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung. So weit, so gut. Mein liebes Tagebuch, was ebenso wichtig ist: Alle Maßnahmen und die entsprechenden Ergebnisse müssen laufend dokumentiert werden. Denn ohne Dokumentation kann es berufs- und arbeitsschutzrechtlich problematisch werden, wenn beispielsweise Pharmazierat oder Gesundheitsamt danach fragen. Hier die gute Nachricht: Der Münchner Apotheker Dr. Hermann Vogel hat eine Plattform entwickelt (www.corona-doku.de), auf der jede Apotheke alle nötigen Maßnahmen fortlaufend online dokumentieren kann und das alles kostenlos. Unterstützt wird die neue Plattform von der Niederlassung der Deutschen Apotheker und Ärztebank in München.



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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10 Kommentare

Folgenlos?

von Reinhard Rodiger am 26.04.2020 um 13:53 Uhr

Ich vermisse alles, was mit konstruktivem Nutzen der gebotenen Ansätze zusammenhängt :

--Sicherung der Handlungsfreiheit NACH der Pandemie und Begrenzung des wieder folgenden Machtmissbrauchs der KK.

--Beitrag zur Logistik der nächsten Grippeimpfung ,
Vorbereitung auf die Corona-Impfung und ev. Schnelltests im Rahmen epidemiologischer Untersuchungen.

--Erhaltung der Flächendeckung, wenn laut FS die normalen Kunden den Apotheken fernbleiben und damit die Existenz gefährden.

--Abgabeautomaten in KH mindern Fehler und erhöhen die Zeitkapazität für Sachfragen- als Voraussetzung für Vorort-
KH-Apotheker.Diese Erfahrungen dürfen nicht einfach abgelehnt, sondern müssen konzeptionell gestaltet werden.

--Festschreibung der Zugehörigkeit zum "medizinischen Personal" nach RKI- als erster Schritt zur Integration in das Gesundheitswesen.

--Vorbereitung für die nächste Herausforderung dieser Art unter Berücksichtigung der gewollten Apothekenreduktion um etwa die Hälfte.

Das fällt mir spontan ein ohne Anspruch auf Vollständigkeit .
Selbstverständlich wird das alles berücksichtigt? Nur hört niemand etwas davon. Stattdessen Austausch wohlfeiler Lobpreisungen ohne jegliche Kopplung an die Realität und Erhaltung der durch die Krise gewonnenen Handlungsfähigkeit.
Es sind genügend Ansätze, um die "Macherqualität" zweiseitig zu testen.Vieles davon wird später nicht mehr ansprechbar sein, weil die Druck vergangen ist.

» Auf diesen Kommentar antworten | 3 Antworten

AW: Folgen- und Konzeptlos in die Zukunft ...

von Christian Timme am 26.04.2020 um 17:14 Uhr

Beschäftigungstherapie für Pharmazeuten oder Weichenstellung für die Zukunft der Apotheken in Deutschland ... jetzt mal ganz offen ... wollt oder könnt ihr nicht?

AW: Folgenlos? ... Weichenstellung!

von Reinhard Rodiger am 26.04.2020 um 20:02 Uhr

Ideen haben können viele, Weichen stellen nur ganz Wenige.Und die wollen nicht.Oder besser gesagt nur in die Weichen in Richtung 5-10 000.Dazu gehört das Vernachlässigen der gegebenen Möglichkeiten, die ja nicht deren Arbeitsergebnis sind.Sie sind also narzisstisch nicht nutzbar.Deshalb ist das stete Mahnen an Ausstehendes leider die verbleibende Möglichkeit für die, die nicht das Ruder ergreifen können( zB aus Altersgründen).Das ist gleichzeitig ein Appell an die ja vorhandene zukunftsinteressierte Klientel.Die muss nur ihren Äusserungswiderstand überwinden.Krisen können das beschleunigen.Selten gab es soviel Möglichkeiten.
Wenn das nicht gesehen werden will, kann ich nichts ändern.Alles , was folgt ist dann gewollt.

AW: Folgenlos ...

von Christian Timme am 26.04.2020 um 21:11 Uhr

Mir war es erlaubt ab 1986, noch am Bethovenplatz in Ffm., Persönlichkeiten kennenzulernen die eine Vision hatten ... als "Werber" sah ich mich als "Ergänzung" in diesem Team. Die Wende als Wachstumsmotor, Ulla als "erster Virus" und danach dann die langsame und qualvolle Selbstzerstörung der Apothekergemeinschaft ... waren meine "mitgelebten Stationen" in diesem Drama. Gewollt oder ungewollt ... an einigen Stellen "zuckt" es noch ... es besteht also noch Hoffnung ... als Akteur oder Vasall ...

BVG-Urteil zu Rezeptsammelstelle

von Uwe Hüsgen am 26.04.2020 um 10:59 Uhr

In ihrem (wieder sehr guten) Beitrag zitiert Frau Sucker-Sket aus den Urteilsgründen wie folgt:
„Die Arzneimittelsicherheit sei dabei nicht mehr gefährdet als beim Versand über größere Entfernungen mittels externer Versanddienstleister.“
Wenn das die Quintessenz des Urteils sein sollte, müsste man m.E. mehr denn je ein RxVV fordern.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: BVG-Urteil zu Rezeptsammelstelle

von Dr.Diefenbach am 26.04.2020 um 11:37 Uhr

Absolute Zustimmung zu Ihrer Aussage!!Es werden derart viele Unwägbarkeiten ausser Acht gelassen.Auch ist das gerade bei den ganzen MÜHEN und AKTIVITÄTEN in der Praxis eine indiskutable Entscheidung für die Zukunft.Die Kollegin hat es sicher nicht so mit "kollegial"

Coronas Zauberberg 2020 ...

von Christian Timme am 26.04.2020 um 9:22 Uhr

Wenn ich schon Abweichungen in den Meldezeiten habe, die Grafikdarstellung mir etwas zeigt was 7 bzw. 10 Tage vorher stattgefunden hat, ich das aber unter dem aktuellen Datum einordne, die Angaben das zeigen was in einer Blase geschieht die selbst in einer anderen schwimmt ...daraus Entscheidungen abgeleitet werden die eigene Einflüsse entwickeln ... dann ist das bereits Chaos und nichts anderes ... wer dann noch "Input is Output" sagt ... der hat es begriffen ... was mit uns gerade geschieht ... und noch geschehen wird ...

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Botendienst

von Conny am 26.04.2020 um 8:21 Uhr

Wann kommt endlich das Sonderkennzeichen für den Botendienst.Was ist daran so schwer, ausser man den Willen nicht dafür. Zu Spahn : Spahn hat am Anfang (Dr. Wimmer beschimpft) alles verschlafen wie auch das Telefonat mit dem FDP Politiker um die Tourismusmesse in Berlin aufdeckt. Wie bockig Spahn sein kann haben die devoten Delegierten ja in Düsseldorf erlebt. Ps: das Urteil ist kein kleiner Knaller, sondern ein grosser Knall. Die Frau aus Herne weiss noch gar nicht was Sie angerichtet hat.

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AW: Botendienst

von Conny am 26.04.2020 um 8:23 Uhr

ausser man hat

.

von Anita Peter am 26.04.2020 um 8:09 Uhr

"Keine Frage, er ist ein Macher, einer, der handelt: unser Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. "

Widerspricht den Ausführungen von Herrn Theurer (FDP). Aber "Blendkraft" hat Herr Spahn mit Sicherheit.

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