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Umsatzsteuer auf Herstellerabschlag
Sozialgericht Kassel weist 15 AOK-Klagen gegen Apotheken ab
Die AOK Hessen hatte kurz vor dem Jahreswechsel Apotheken verklagt, um die Verjährung von Umsatzsteuerforderungen für 2015 zu unterbrechen. Nun hat das Sozialgericht Kassel die ersten Klagen dieser Art abgewiesen. In einer jetzt veröffentlichten Entscheidung stützt sich das Gericht auf die Argumentation einer beklagten Apotheke, wonach der Klagegegenstand nicht deutlich werde.
Im Dezember 2019 hatten einige Krankenkassen eine offenbar erhebliche Zahl von Apotheken aufgefordert, auf die Einrede der Verjährung zur Umsatzsteuer für das Jahr 2015 zu verzichten. Diese Krankenkassen hatten argumentiert, Umsatzsteuer auf den gesetzlichen Herstellerabschlag entrichtet zu haben, obwohl sie dazu nicht verpflichtet gewesen seien. Sie stützten sich dabei insbesondere auf eine Entscheidung des Finanzgerichts Münster vom März 2018, bei dem es um den innergemeinschaftlichen Erwerb von einer ausländischen Versandapotheke ging. Die Steuerberatungsgesellschaft Treuhand Hannover erklärte dazu jedoch im Dezember 2019, die Umsatzsteuer auf den Herstellerabschlag werde bei dem auf Bundesebene vereinbarten Verfahren für Lieferungen im Inland so verbucht, dass die Krankenkassen damit gar nicht damit belastet würden.
Dennoch wollten einige Krankenkassen ihre erwarteten steuerrechtlichen Ansprüche vor den Finanzgerichten geltend machen. Damit mögliche Ansprüche für 2015 nicht verjähren, hatten sie vor dem Jahresende 2019 von Apotheken diesbezügliche Verzichtserklärungen gefordert. Darüber hinaus hatten einige Krankenkassen gedroht, die Apotheken noch vor dem Jahreswechsel zu verklagen, wenn sie keine solche Erklärung abgeben. Auch damit sollte die Verjährung unterbrochen werden. Bis Anfang Februar 2020 wurden daraufhin beim Hessischen Apothekerverband etwa 120 Klagen gegen Apotheken in Hessen bekannt. Verbände in anderen Bundesländern berichteten dagegen nur von einzelnen Klagen.
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Nun wurden die ersten Entscheidungen des Sozialgerichts Kassel zu solchen Klagen bekannt. Darin wurden die Klagen der AOK Hessen abgewiesen. Die AOK Hessen erklärte gegenüber DAZ.online, bisher gebe es 15 Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Kassel. Bisher habe nur eine Kammer des Gerichts Bescheide erlassen.
Aus einem dieser Bescheide der 12. Kammer (SG Kassel, 20. Mai 2020, Az.: S 12 KR 955/19) geht hervor, dass allein beim Sozialgericht Kassel 74 Klagen gegen nordhessische Apotheken eingegangen sind. Zugleich hatte die AOK Hessen beantragt, die Verfahren ruhend zu stellen. Die Klagen seien ohne Begründung, nur zur Hemmung der Verjährung anhängig gemacht worden, heißt es in dem Bescheid. Trotz wiederholter Erinnerungen habe die klagende AOK zunächst in keinem der Verfahren reagiert, auch nicht zu den Stellungnahmen der Apotheker.
Kein schlüssiger Sachvortrag der AOK Hessen
Das Gericht stellt in seinem Bescheid ausführlich die Position des beklagten Apothekers dar. Demnach enthalte die Klage keinen schlüssigen Sachvortrag. Die Krankenkasse erkläre nicht, aus welchem Lebenssachverhalt sie ihre Forderung ableite, worauf sie ihren Anspruch stütze und wie sich der geforderte Betrag zusammensetze. Der Apotheker argumentierte, die Klage sei als unzulässig zu verwerfen, weil die AOK Hessen den Klagegegenstand nicht hinreichend bezeichnet habe. Die Klage werde nach Herkunft und Zusammensetzung nicht einmal ansatzweise erläutert. Dieses Vorgehen stelle für einen langjährigen Vertragspartner eine Zumutung dar, folgerte der beklagte Apotheker.
Gericht macht sich Position des Apothekers zu eigen
Das Gericht wies die Klage am 20. Mai ohne mündliche Verhandlung ab. Zuvor seien den Beteiligten angemessene Fristen zur Stellungnahme gegeben worden, so die 12. Kammer in ihrem Bescheid. Für sie ist klar: Die Klage ist nicht begründet, der geltend gemachte Zahlungsanspruch besteht nicht. Und selbst wenn ein Rechtsgrund bestehen sollte, sei ein Anspruch aus dem Jahr 2015 verjährt. Die vorliegende Klage hätte diese Verjährung zwar grundsätzlich hemmen können – doch so, wie die AOK Hessen sie erhoben hat, sei sie dazu nicht geeignet. Zur Begründung macht sich das Gericht ausdrücklich die „insgesamt überzeugenden“ tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen des beklagten Apothekers zu eigen.
Weitere Entscheidungen stehen aus
Trotz dieser deutlichen und im Sinn der beklagten Apotheke sehr positiven Entscheidung bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten. Entscheidungen anderer Kammern stehen aus. Die AOK Hessen prüft derzeit, ob sie gegen die bisher bekannten Bescheide in Berufung geht, erklärte die Krankenkasse gegenüber DAZ.online. Der Hessische Apothekerverband erklärte, für Mitte Juli sei ein Gespräch mit dem AOK-Vorstand geplant.
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