Substitution bei Opioid-abhängigkeit

Suchtmediziner wollen Sichtbezug in den Apotheken ausweiten

Berlin - 08.06.2020, 14:00 Uhr

Nach einem Bündnis von Suchtexperten könnte der Sichtbezug bei der Substitutionsbehandlung stärker in die Apotheken verlagert werden als bisher, auch über die Coronakrise hinaus. Wichtig dabei: ein angemessenes Honorar für die Pharmazeuten. ( r / Foto: imago images / epd)

Nach einem Bündnis von Suchtexperten könnte der Sichtbezug bei der Substitutionsbehandlung stärker in die Apotheken verlagert werden als bisher, auch über die Coronakrise hinaus. Wichtig dabei: ein angemessenes Honorar für die Pharmazeuten. ( r / Foto: imago images / epd)


Apotheken vor Ort stärker einbinden und angemessen honorieren

Neben einer Ausweitung der Take-Home-Vergabe und der Möglichkeit, größere Mengen als bisher verordnen zu dürfen, fordert das Bündnis auch, die Strukturen vor Ort besser zu nutzen als bisher. So soll die Vergabe etwa durch Apotheken deutlich ausgeweitet werden. Auch nicht medizinisches Personal, zum Beispiel in Drogenkonsumräumen, wollen die Unterzeichner des Eckpunktepapiers schulen und für den Sichtbezug fit machen. Sie appellieren an die Politik, die Kassenärztlichen Vereinigungen sowie die Ärzte- und Apothekerkammern: „Handeln auch Sie sofort und konsequent. Schaffen Sie die nötigen Rahmenbedingungen.“

Doch auch unabhängig von der aktuellen Krise halten die Suchtexperten den Versorgungsauftrag für nicht mehr erfüllt. „Opioidabhängigkeit ist ein gravierendes gesundheitliches und gesellschaftliches Problem“, mahnen sie. Aktuell haben demnach von den etwa 166.000 opioidabhängigen Menschen in Deutschland nur etwa die Hälfte Zugang zu einer substitutionsgestützten Therapie – auch weil es an den nötigen Strukturen mangelt. „Die Attraktivität der Substitutionsbehandlung ist aufgrund von Stigmatisierung, hohem bürokratischem Aufwand und mangelnder Vergütung gering.“

Substitution muss sich auch für Apotheken lohnen

Um das nicht nur während der Coronavirus-Pandemie, sondern langfristig zu ändern, legt die Initiative einen Zehn-Punkte-Plan vor. Darin fordert sie unter anderem, die Apotheken beim Sichtbezug stärker einzubinden als bisher. Gleichzeitig gelte es, die Honorierung an den für alle Beteiligten entstehenden Aufwand anzupassen.

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Das weit verzweigte Apothekennetz in Deutschland biete gute Möglichkeiten, die Vergabe der Ersatzmittel zu delegieren. Dazu müssen jedoch die räumlichen und organisatorischen Voraussetzungen in den Offizinen geschaffen werden, um die Sichtvergabe reibungslos in den Apothekenalltag integrieren zu können. Zudem sei es nötig, eine Beteiligung auch für Landapotheken wirtschaftlich attraktiv zu machen und ihnen einen Zusatzumsatz durch die Sichtvergabe zu ermöglichen. „Der zusätzliche Aufwand für Apotheken (separater Beratungsraum, Terminvergabe etc.) ist ebenso angemessen zu vergüten wie der Aufwand der Praxis, vor Ort zu substituieren oder die Apothekenvergabe zu beaufsichtigen“, stellen die Autoren klar.

Die Delegation werde aktuell vonseiten der Ärzte zu wenig genutzt, bemängeln die Fachleute. Es gelte, diese Chance künftig verstärkt zu ergreifen. Als positives Beispiel nennen die Unterzeichner den Pakt für Substitution, den Politik, Krankenkassen, Apotheker und Ärzte in Baden-Württemberg im Oktober 2019 geschlossen haben. Ziel ist es unter anderem, die Versorger besser zu vernetzen  und die Abrechnung von erbrachten Leistungen auf diesem Gebiet zu vereinfachen. Dieses Modell könnte Vorbild für eine bundesweite Regelung sein. „Nun sind die Politik sowie die Selbstverwaltungsgremien gefordert, insbesondere die Kassenärztlichen Vereinigungen, die Ärztekammern und die Apothekerkammern.“



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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