Studie aus England

Mehr als 237 Millionen Medikationsfehler in einem Jahr

Remagen - 19.06.2020, 11:30 Uhr

 In England passieren einer Studie zufolge jedes Jahr mehr als 237 Millionen Medikationsfehler. (x /Foto: alex.pin / stock.adobe.com)

 In England passieren einer Studie zufolge jedes Jahr mehr als 237 Millionen Medikationsfehler. (x /Foto: alex.pin / stock.adobe.com)


Das Thema Medikationsfehler ist in den Fachmedien nicht gerade ein Dauerbrenner, auch wenn die Praxiserfahrungen dies durchaus rechtfertigen würden. Nun lässt eine Studie aus England wieder mal aufhorchen. Britische Wissenschaftler haben errechnet, dass die vermeidbaren Folgen den Nationalen Gesundheitsdienst jährlich mehr als 98 Millionen britische Pfund kosten und mehr als 1.700 Menschenleben fordern.

Erschreckende Zahlen: In England werden jedes Jahr mehr als 237 Millionen Medikationsfehler gemacht. Die Folgen kosten den Nationalen Gesundheitsdienst (NHS) jedes Jahr mehr als 98 Millionen Pfund. Außerdem könnten dadurch 1.700 Menschen zu Tode kommen. In einem Worst-Case-Szenario, bei dem ein Krankenhausaufenthalt von 14 Tagen für jeden Vorfall und der Bedarf an einer breiten Palette von NHS-Diensten angesetzt werden, sollen sie sogar mit 1,6 Milliarden Britischen Pfund und 22.303 Menschenleben pro Jahr zu Buche schlagen.

Daten über ein Jahr analysiert

Dies geht aus nationalen Schätzungen hervor, die online im Fachblatt BMJ Quality & Safety veröffentlicht wurden. Für ihr Rechenexempel nutzte ein britisches Wissenschaftler-Team Statistiken über die jährliche Anzahl der abgegebenen und verwendeten Medikamente sowie Daten zur Bettenbelegung in Krankenhäusern und zur Anzahl der Bewohner von Pflegeheimen in ganz England über ein Kalenderjahr. Die Forscher berechneten die Anzahl der Möglichkeiten für Medikationsfehler nach Stadium des Medikationsprozesses (Verschreibung, Entlassverordnung, Abgabe, Verabreichung) und Umgebung: ambulante Versorgung, Pflegeheime, Krankenhäuser und Zeitpunkt der Entlassung (Übergang) und setzten sie in Beziehung zu den dadurch verursachten Behandlungen.

Die Hälfte der Fehler passiert bei der Verabreichung

Basierend auf all diesen Informationen ermittelten sie, dass in England jedes Jahr mehr als 237 Millionen Medikationsfehler gemacht werden könnten. Sie passieren in jeder Phase des Medikationsprozesses, wobei der Schwerpunkt mit mehr als der Hälfte (54 Prozent) eindeutig bei der Verabreichung liegen soll. Dahinter folgt die Verschreibung (21 Prozent). Für die Abgabe kommen die Wissenschaftler auf einen Anteil von 16 Prozent an allen Medikationsfehlern.

Zwar sind die Fehlerquoten in der ambulanten Versorgung am niedrigsten, aber aufgrund der Größe des Sektors machen sie trotzdem fast 40 Prozent aller Fehler aus. Die Pflegeheime, wo weniger Patienten als in den anderen Sektoren erfasst werden, kommen auf 42 Prozent. Etwa jeder fünfte Medikationsfehler passiert im Krankenhaus.

Die Forscher schätzten, dass fast drei Viertel aller Medikationsfehler geringfügig sind, während etwa ein Viertel mäßige und nur zwei Prozent ernsthafte Schäden verursachen könnten. Rund ein Drittel der potenziell schädlichen Medikationsfehler tritt bei der Verschreibung in der ambulanten Versorgung auf.

Welche Arzneimittel sind am häufigsten beteiligt?

Nach den Daten, die die Wissenschaftler gesichtete und analysiert haben, sind die folgenden Medikamente bei Krankenhauseinweisungen aufgrund von Medikationsfehlern am häufigsten im Spiel: nicht steroidale Antirheumatika (NSAID), Thrombozytenaggregationshemmer, Arzneimittel zur Behandlung von Epilepsie, Diuretika, inhalierbare Corticosteroide sowie Herzglykoside und Betablocker. Die meisten (80 Prozent) der daraus resultierenden Todesfälle sollen durch gastrointestinale Blutungen durch NSAID, wie Acetylsalicylsäure, oder den Gerinnungshemmer Warfarin verursacht worden sein.

Folge von Übermedikation?

Die Forscher bemerken einschränkend, dass für bestimmte Phasen des Medikationsprozesses keine ausreichenden Fehlerdaten verfügbar waren und dass sich ihre Berechnungen auf bestimmte Annahmen über das Ausmaß der direkten Schäden stützten. Die geschätzten Fehlerraten ähnelten jedoch denen für die USA und die Länder der Europäischen Union, stellen sie abschließend fest. Da Arzneimittel im Gesundheitswesen allenthalben verwendet würden, sei die hohe Anzahl Medikationsfehlern für sie nicht überraschend, schreiben die Wissenschaftler weiter in ihrer Schlussfolgerung. Die meisten davon besitzen demnach keine klinische Relevanz.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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