SARS-CoV-2

Warum Antikörpertests (noch) nicht helfen, die Pandemie einzudämmen

Düsseldorf - 23.06.2020, 07:00 Uhr

Wie sinnvoll sind Antikörpertests auf SARS-CoV-2? (Foto: tilialucida / stock.adobe.com)

Wie sinnvoll sind Antikörpertests auf SARS-CoV-2? (Foto: tilialucida / stock.adobe.com)


Antikörpernachweis bedeutet nicht zwingend einen Immunschutz

Gleiches gilt für Tests auf Antigene im Blut. Beide sind derzeit noch nicht über den Status eines Hoffnungsträgers hinaus. Antiköper- und Antigen-Test „können eine wichtige Rolle in der derzeitigen Pandemie spielen. Mit den Antikörpertests könnte sich eine durchgemachte Infektion und damit eine mögliche Immunität nachweisen lassen. Die Antigentest könnten möglicherweise die aufwendigen Tests mit der NAT zum Nachweis einer gerade bestehenden aktiven Infektion entlasten“, heißt es dazu vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI), dem dem Bundesgesundheitsministerium angegliederten Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel. Das PEI unterhält unter anderem ein Prüflabor, das Hochrisikotests etwa auf das HI-Virus oder Hepatitis B-Virus zertifiziert.

Im Konjunktiv – „könnte“ – auch deshalb, weil schlicht noch ausreichend wissenschaftliche Studien zur Validierung dessen fehlen, was das Vorhandensein von Antikörpern im Blut tatsächlich aussagt. „Die serologische Diagnostik wird einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des Ausmaßes von überstandenen SARS-Coronavirus-2-Infektionen beziehungsweise COVID-19-Erkrankungen in der Bevölkerung leisten und kann gegebenenfalls auch zur Identifizierung von Personen führen, die potenziell vor einer weiteren Infektion ‚geschützt‘ sind“, sagt Professor Klaus Cichutek, Präsident des PEI. Ließen sich so aber diagnostisch Antikörper nachweisen, müsse das noch nicht zwingend mit einem Immunschutz vor einer SARS-CoV-2-Infektion beziehungsweise COVID-19 korrelieren, sagt er weiter.

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„Das hängt wiederum davon ab, gegen welche Epitope sich die Antikörper richten. Epitop ist das spezifische Stück eines Virusproteins, an das ein Antikörper bindet. Nur die Antikörper, die die Infektiosität des Virus unterdrücken (z.B. die Bindung des Virus an den Zellrezeptor oder das Eindringen des Virus in und die Infektion von neuen Zelle hemmen) sind sogenannte „neutralisierende Antikörper“, die bei ausreichendem Titer im Blut eventuell einen Immunschutz vermitteln können. Neutralisierende Antikörper sind in geringerer Anzahl vorhanden als die Gesamtheit der verschiedenen virusspezifischen Antikörper, die diagnostisch nachweisbar sein können“, erklärt er.

Geringe Prävalenz: etwa genauso viele falsch positive wie richtig positive Ergebnisse 

Davon unabhängig heißt es etwa vom RKI: „Nach derzeitigem Kenntnisstand lässt ein serologischer Nachweis von SARS-CoV-2-spezifischen Antikörpern keine eindeutige Aussage zur Infektiosität oder dem Immunstatus eines Probanden zu.“ Eine Serokonversion, also das Vorhandensein von Antikörpern im Blut nach einer Infektion, findet laut RKI bei „der Mehrzahl der Patienten in der zweiten Woche nach Symptombeginn“ statt. In der frühen Phase gibt es nur eine geringe Serokonversionsrate, was den Nachweis von Antikörpern zur Akutdiagnostik laut RKI nicht empfehlenswert mache. Damit kann bei den meisten lediglich eine bereits durchgemachte Infektion durch das Vorhandensein von Antikörpern nachgewiesen werden. Ob das allerdings auch bedeutet, das derjenige gegen eine zweite Infektion immun ist, ist noch nicht abschließend geklärt. Mutationen des SARS-CoV-2, die die Ansteckungsfähigkeit erhöhen – wie in Studien bereits gezeigt – könnten das zusätzlich erschweren. Auch die WHO rät davon ab, auf Basis von Antikörpernachweisen etwa einen „Immunitäts-Ausweis“ auszustellen.

Ein weiteres Problem der Antikörpertests ist statistischer Natur. „Gemäß der wissenschaftlichen Literatur ist die Spezifizität der COVID-19-Antikörpertests im Allgemeinen mit größer gleich 98 Prozent hoch, so dass nur mit wenig falschpositiven Ergebnissen zu rechnen ist. Ungeachtet dessen sollte berücksichtigt werden, welche Aussage man damit erreichen kann. Zum Beispiel würde eine Spezifität, die sehr hoch bei 99 Prozent liegen würde, rein statistisch schon ein relativ niedrigen Vorhersagewert von 76 Prozent bis 88 Prozent für ein korrektes Ergebnis haben, wenn die Prävalenz in der Bevölkerung 5 Prozent beträgt“, sagt Cichutek.

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Die Prävalenz, also das Vorhandensein des Erregers in der Bevölkerung, liegt anhand der Zahlen der positiv Getesteten derzeit bei rund 0,2 Prozent (187.764 Stand 18. Juni laut RKI) bei rund 83 Millionen Einwohnern. Selbst bei Tests wie dem von Roche, der nach Angaben des Herstellers eine Spezifität von 99,81 Prozent hat, gäbe es beim Durchtesten aller 83 Millionen Deutschen rein statistisch also 0,2 Prozent falsch positiver Ergebnisse. Bei der geringen Prävalenz des Erregers in der Bevölkerung bedeutet das, dass es aktuell etwa genauso viele falsch positive wie richtig positive Ergebnisse gäbe, was statistisch bedeutet, dass nur jedes zweite Ergebnis richtig ist. Einer der Gründe, warum WHO und RKI Antikörpertests derzeit nur für den Forschungsgebrauch empfehlen. Insbesondere auch deshalb, weil auch der indirekte Nachweis von SARS-CoV-2 durch einen positiven Antikörpertest meldepflichtig ist – mit allen Konsequenzen wie Quarantäne, Isolation und Ausfindigmachen von Kontaktpersonen.



Volker Budinger, Diplom-Biologe, freier Journalist
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

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von Pillendreher am 26.06.2020 um 14:33 Uhr

Wir haben es doch gewußt. Es geht ums Geld! Die Schlacht am Markt tobt. Und unser Gespann Spahn/Söder ist sehr am Umsatz von Roche u.a. interessiert - auch wenn die Teste, wie die WHO mehrfach betonte - falsch positive oder falsch negative Ergebnisse liefen. Hauptsache testen. Mit dem Maskenwahn wird es ähnlich sein...

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