SARS-CoV-2

Warum Antikörpertests (noch) nicht helfen, die Pandemie einzudämmen

Düsseldorf - 23.06.2020, 07:00 Uhr

Wie sinnvoll sind Antikörpertests auf SARS-CoV-2? (Foto: tilialucida / stock.adobe.com)

Wie sinnvoll sind Antikörpertests auf SARS-CoV-2? (Foto: tilialucida / stock.adobe.com)


Auf dem Markt gibt es bereits eine Vielzahl verschiedener Antikörper-Tests im Zusammenhang mit Covid-19. Vom Schnelltest „für Zuhause“ aus dem Internet bis zum High-end-Labortest ist alles dabei. Und der Wettbewerb um Marktanteile wird mit allen Mitteln geführt. Allerdings gibt es gleich mehrere Aspekte, warum die Tests und ihre Ergebnisse noch mit Unsicherheit behaftet und noch weit entfernt vom möglichen „Immunitäts-Ausweis“ sind.

„Wir wollen das Virus im Keim ersticken. Das geht nur mit präventiven Reihentests in Krankenhäusern und Pflegeheimen und wenn wir möglichst alle Kontaktpersonen von Infizierten testen. Am Geld soll das nicht scheitern. Es ist viel teurer, zu wenig zu testen als zu viel zu testen.“ Dieses Zitat des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn findet sich prominent hervorgehoben auf der Covid-19-Informationsseite des Bundesministeriums für Gesundheit. Mit dieser Prämisse sind seit Mitte Mai auch solche Tests durch die Krankenkassen finanziert, die bei Menschen ohne Symptome durchgeführt werden.

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Tests – das bedeutet derzeit in der Regel, dass ein Abstrich aus dem Nasen-Rachen-Raum genommen wird und dieser mittels Real-Time-Polymerasekettenreaktion (RT-PCR) auf das Vorhandensein von Virus-Erbinformation untersucht wird. Diese Nukleinsäureamplifikationstestung (NAT) gilt weiterhin als „der Goldstandard“ im Testgeschehen rund um COVID-19. 148 der insgesamt zum Stand 15. Juni 2020 allein vom Branchenportal 360dx gelisteten 210 kommerziell erhältlichen SARS-CoV-2-Tests basieren auf dem PCR-Verfahren.

Nicht nur Spahn aber setzt auch auf den indirekten Nachweis von Sars-CoV-2 – durch Antikörpertests. Einige Zeit lang geisterte gar das Wort vom „Immunitäts-Ausweis“ durch die Debatten – ein schriftlicher Nachweis also, dass jemand immun gegen COVID-19 sei, weil er die Krankheit bereits mit oder ohne Symptome durchgemacht hat und nun Antikörper im Blut habe. Das allerdings ist noch nicht endgültig erwiesen.

Der Wettbewerb auf dem Markt ist eröffnet

Auch der Wettbewerb auf dem umkämpften Diagnostik-Markt um den besten und zum Teil auch den günstigsten Test auf Sars-CoV-2-Antikörper ist längst eröffnet und wird mit harten Preis- und PR-Bandagen geführt. 49 der vom Branchenportal 360dx gelisteten kommerziell bereits erhältlichen Testkits sind serologisch, also auf dem Nachweis von Antikörpern basierend. Die Weltgesundheitsorganisation WHO listet unter vorläufigen Notfallzulassungen noch viele mehr und auch zwei Tests gegen Antigene des Sars-CoV-2 im Blut finden sich bereits in der 360dx-Liste. Und neben zum Teil automatisierten Labortestkits findet sich auf dem Markt auch eine zunehmende Anzahl von sogenannten Schnelltests, die ähnlich wie ein Schwangerschaftstest auch von Laien zu Hause durchgeführt werden könnten – mit nur einem Tropfen Blut aus der Fingerbeere etwa.

Etliche der Testkits tragen die europäische CE-Kennzeichnung, etliche weitere die Schnellzulassung durch die US-amerikanische Food and Drug Administration FDA. Prominent sind die Antikörper-Tests auch spätestens seitdem Anfang Mai der Bundesgesundheitsminister gemeinsam mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder das Werk des Pharma- und Diagnostikkonzerns Roche im bayrischen Penzberg besuchten und den dort neu vorgestellten automatisierten Labor-Antikörper-Test des Unternehmens mitpräsentierten und als „soweit uns bekannten besten Test“ lobten. Drei Millionen Tests orderte das Bundesgesundheitsministerium dann auch direkt, mit der Option auf weitere fünf Millionen. Neben der PR-Schlacht um die Antiköper-Tests sei auch ein Preiskampf entbrannt, berichtet etwa das Handelsblatt.

Allerdings gibt es für den gesamten Bereich der serologischen Sars-CoV-2-Diagnostik gleich mehrere schwerwiegende Probleme, die aktuell noch dazu führen, das die Weltgesundheitsorganisation (und mit Verweis auf diese auch das deutsche Robert-Koch-Institut RKI) den Einsatz von immuno-diagnostischen Tests derzeit ausschließlich im Kontext von Forschungsprojekten empfiehlt. Davon, „das Ergebnis eines alleinigen Antikörpertests als Kriterium für eine Diagnosestellung einzusetzen“ wird derzeit noch abgeraten. Antikörpertests können so lediglich ergänzend zu einem PCR-Test eingesetzt werden.

Antikörpernachweis bedeutet nicht zwingend einen Immunschutz

Gleiches gilt für Tests auf Antigene im Blut. Beide sind derzeit noch nicht über den Status eines Hoffnungsträgers hinaus. Antiköper- und Antigen-Test „können eine wichtige Rolle in der derzeitigen Pandemie spielen. Mit den Antikörpertests könnte sich eine durchgemachte Infektion und damit eine mögliche Immunität nachweisen lassen. Die Antigentest könnten möglicherweise die aufwendigen Tests mit der NAT zum Nachweis einer gerade bestehenden aktiven Infektion entlasten“, heißt es dazu vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI), dem dem Bundesgesundheitsministerium angegliederten Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel. Das PEI unterhält unter anderem ein Prüflabor, das Hochrisikotests etwa auf das HI-Virus oder Hepatitis B-Virus zertifiziert.

Im Konjunktiv – „könnte“ – auch deshalb, weil schlicht noch ausreichend wissenschaftliche Studien zur Validierung dessen fehlen, was das Vorhandensein von Antikörpern im Blut tatsächlich aussagt. „Die serologische Diagnostik wird einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des Ausmaßes von überstandenen SARS-Coronavirus-2-Infektionen beziehungsweise COVID-19-Erkrankungen in der Bevölkerung leisten und kann gegebenenfalls auch zur Identifizierung von Personen führen, die potenziell vor einer weiteren Infektion ‚geschützt‘ sind“, sagt Professor Klaus Cichutek, Präsident des PEI. Ließen sich so aber diagnostisch Antikörper nachweisen, müsse das noch nicht zwingend mit einem Immunschutz vor einer SARS-CoV-2-Infektion beziehungsweise COVID-19 korrelieren, sagt er weiter.

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„Das hängt wiederum davon ab, gegen welche Epitope sich die Antikörper richten. Epitop ist das spezifische Stück eines Virusproteins, an das ein Antikörper bindet. Nur die Antikörper, die die Infektiosität des Virus unterdrücken (z.B. die Bindung des Virus an den Zellrezeptor oder das Eindringen des Virus in und die Infektion von neuen Zelle hemmen) sind sogenannte „neutralisierende Antikörper“, die bei ausreichendem Titer im Blut eventuell einen Immunschutz vermitteln können. Neutralisierende Antikörper sind in geringerer Anzahl vorhanden als die Gesamtheit der verschiedenen virusspezifischen Antikörper, die diagnostisch nachweisbar sein können“, erklärt er.

Geringe Prävalenz: etwa genauso viele falsch positive wie richtig positive Ergebnisse 

Davon unabhängig heißt es etwa vom RKI: „Nach derzeitigem Kenntnisstand lässt ein serologischer Nachweis von SARS-CoV-2-spezifischen Antikörpern keine eindeutige Aussage zur Infektiosität oder dem Immunstatus eines Probanden zu.“ Eine Serokonversion, also das Vorhandensein von Antikörpern im Blut nach einer Infektion, findet laut RKI bei „der Mehrzahl der Patienten in der zweiten Woche nach Symptombeginn“ statt. In der frühen Phase gibt es nur eine geringe Serokonversionsrate, was den Nachweis von Antikörpern zur Akutdiagnostik laut RKI nicht empfehlenswert mache. Damit kann bei den meisten lediglich eine bereits durchgemachte Infektion durch das Vorhandensein von Antikörpern nachgewiesen werden. Ob das allerdings auch bedeutet, das derjenige gegen eine zweite Infektion immun ist, ist noch nicht abschließend geklärt. Mutationen des SARS-CoV-2, die die Ansteckungsfähigkeit erhöhen – wie in Studien bereits gezeigt – könnten das zusätzlich erschweren. Auch die WHO rät davon ab, auf Basis von Antikörpernachweisen etwa einen „Immunitäts-Ausweis“ auszustellen.

Ein weiteres Problem der Antikörpertests ist statistischer Natur. „Gemäß der wissenschaftlichen Literatur ist die Spezifizität der COVID-19-Antikörpertests im Allgemeinen mit größer gleich 98 Prozent hoch, so dass nur mit wenig falschpositiven Ergebnissen zu rechnen ist. Ungeachtet dessen sollte berücksichtigt werden, welche Aussage man damit erreichen kann. Zum Beispiel würde eine Spezifität, die sehr hoch bei 99 Prozent liegen würde, rein statistisch schon ein relativ niedrigen Vorhersagewert von 76 Prozent bis 88 Prozent für ein korrektes Ergebnis haben, wenn die Prävalenz in der Bevölkerung 5 Prozent beträgt“, sagt Cichutek.

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Die Prävalenz, also das Vorhandensein des Erregers in der Bevölkerung, liegt anhand der Zahlen der positiv Getesteten derzeit bei rund 0,2 Prozent (187.764 Stand 18. Juni laut RKI) bei rund 83 Millionen Einwohnern. Selbst bei Tests wie dem von Roche, der nach Angaben des Herstellers eine Spezifität von 99,81 Prozent hat, gäbe es beim Durchtesten aller 83 Millionen Deutschen rein statistisch also 0,2 Prozent falsch positiver Ergebnisse. Bei der geringen Prävalenz des Erregers in der Bevölkerung bedeutet das, dass es aktuell etwa genauso viele falsch positive wie richtig positive Ergebnisse gäbe, was statistisch bedeutet, dass nur jedes zweite Ergebnis richtig ist. Einer der Gründe, warum WHO und RKI Antikörpertests derzeit nur für den Forschungsgebrauch empfehlen. Insbesondere auch deshalb, weil auch der indirekte Nachweis von SARS-CoV-2 durch einen positiven Antikörpertest meldepflichtig ist – mit allen Konsequenzen wie Quarantäne, Isolation und Ausfindigmachen von Kontaktpersonen.

Fälschungen und schlechte Ergebnisse bei Schnelltests

Diesen Unwägbarkeiten zum Trotz ist das Feld der serologischen Tests aber auch ein gutes, um Geschäfte zu machen – auch mit unlauteren Mitteln. Das PEI warnte unlängst vor den vielen Schnelltests, die unter anderem im Internet zu bekommen sind. Denn anders als bei Tests etwa auf HIV gelten Tests auf SARS-CoV-2 als „In-Vitro-Diagnostika niedrigen Risikos“. „Diese In-Vitro-Diagnostika unterliegen keiner Zulassungspflicht, sondern der entsprechenden EU-Richtlinie“, erklärt Cichutek. Demnach dürften Hersteller ihre Produkte auch selbst zertifizieren – einige seien nur wenig aussagekräftig, andere sogar nachweislich gefälscht, so das PEI.

„Generell ist eine Empfehlung für einzelne Tests zur Zeit noch schwierig, da SARS-CoV-2 noch ein neues diagnostisches Feld darstellt und es eine große Anzahl CE-markierte Tests gibt, die meist nicht unabhängig evaluiert wurden. Es zeichnet sich jedoch ab, dass automatisierte Tests namhafter Hersteller, die über entsprechende Erfahrung verfügen, in der Regel zuverlässig sind. Bei Schnelltests ist dagegen eine generelle Aussage zur Qualität nicht möglich, da es bei diesem Testformat hunderte verschiedener Produkte gibt und sehr unterschiedliche Qualitäten berichtet werden. Ein Überblick wird dadurch erschwert, dass veröffentlichte Untersuchungsergebnisse jeweils nur einzelne Tests vergleichend abdecken und jeweils unterschiedliche Proben hierfür eingesetzt wurden“, sagt Cichutek. Daher könne man auch seitens des PEI keinen Marktüberblick geben, sagt er.

Angesichts der jüngsten Fortschritte auf dem Weg zu einem Impfstoff oder auch, um Blutplasma Genesener therapeutisch einsetzen zu können, könnten die Antikörpertests aber an Bedeutung gewinnen. „Das Paul-Ehrlich-Institut ist dabei, eine repräsentative Auswahl von Antikörpertests zu validieren, um grundsätzliche Anforderungen an Antikörpertests und ihren Wert für die Antikörperbestimmung in therapeutisch einsetzbarem Blutplasma sowie für eine mögliche Impferfolgskontrolle zu ermitteln“, sagt Cichutek.

Kreuzreaktionen gegen „Erkältungs“-Viren möglich

Das schließt auch ein, Kreuzreaktionen auszuschließen. Denn etliche mehr oder weniger harmlose grippale Infekte – die „normalen“ Erkältungen also – werden von mit dem COVID-19-Erreger verwandten Coronaviren ausgelöst. Deren Prävalenz ist relativ hoch – ein durch „Erkältungs“-Antikörper falsch positives Testergebnis für SARS-CoV-2 muss daher ausgeschlossen werden. Für Apotheker gibt die ABDA aktuell die Empfehlung der Arzneimittelkomission der Deutschen Apotheker (AMK) weiter: 

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„Die AMK bittet Apotheker Kunden beziehungsweise Patienten, die sich über eine Testung von SARS-CoV-2-Antikörpern informieren möchten, angemessen über die Limitationen der Testsysteme aufzuklären. Weiterhin sollten Patienten bei Verdacht auf COVID-19 an die lokalen Gesundheitsämter verwiesen werden, um die Notwendigkeit einer laboranalytischen Testung zu prüfen. Diese sollte nicht durch einen Antikörper-„Schnelltest“ ersetzt werden.“



Volker Budinger, Diplom-Biologe, freier Journalist
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

testen testen testen

von Pillendreher am 26.06.2020 um 14:33 Uhr

Wir haben es doch gewußt. Es geht ums Geld! Die Schlacht am Markt tobt. Und unser Gespann Spahn/Söder ist sehr am Umsatz von Roche u.a. interessiert - auch wenn die Teste, wie die WHO mehrfach betonte - falsch positive oder falsch negative Ergebnisse liefen. Hauptsache testen. Mit dem Maskenwahn wird es ähnlich sein...

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