Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

12.07.2020, 08:00 Uhr

Die Plattformeritis greift um sich. Mitmachen oder lassen? (Foto: Alex Schelbert)

Die Plattformeritis greift um sich. Mitmachen oder lassen? (Foto: Alex Schelbert)


10. Juli 2020

Alles digital. Die Plattformeritis greift um sich:  Vor-Ort-Apotheken haben die Wahl, sich auf Internet-Plattformen zu präsentieren und darüber Kunden zu gewinnen und zu halten: Für die Kunden wollen die Plattformen der schnelle und einfache Zugang zum Arzneimittel sein, für OTC-Arzneimittel und fürs E-Rezept – und die Antwort auf die Konkurrenz der Arzneimittelversender. Derzeit sind drei Plattformen angetreten: der Zukunftspakt mit „Ihre Apotheken“, Pro AvO mit ‚apora“ und Phoenix mit „Deine Apotheke“, wobei „Ihre Apotheken“ schon online ist, „apora“ in den Startlöchern steht und „Deine Apotheke“ noch im Aufbau ist. Und schon gibt’s Neues: Pro AvO mit den fünf Partnern Noventi, Sanacorp, Gehe, BD Rowa und der Wort & Bild Verlag will noch größer werden: Zusammen mit dem Pharmahändler Phoenix soll eine Mega-Plattform entstehen, die es angeblich mit Amazon und Co. aufnehmen können soll. Puh, mein liebes Tagebuch, da wird’s einem digital ganz schwindelig. Noch nicht richtig am Start und schon wird vergrößert und erweitert. Angetreten als Konkurrenten, wollen sie nun verschmelzen und „größer denken“, wie es so schön heißt. Man wolle neben den Apotheken auch andere Leistungserbringer wie wie Ärzte, Sanitätshäuser und Pflegedienste als Partner mit ins Boot holen. Sogar Krankenkassen sollen mit eingebunden werden. Man wolle sich gegenseitig nicht bekriegen, die Feinde hießen stattdessen Amazon und Alibaba. Mein liebes Tagebuch, da entsteht Großes – wenn es denn entsteht. Wir wissen ja, die Digitalisierung ist tückisch. Noch sind wir im Stadium der Ankündigungen, in statu nascendi. Was die Plattform genau für Kunden und Apotheken bringen wird, ob tatsächlich die Partner mitmachen, ob die Krankenkassen dabei sein werden und wann es soweit ist – noch ist alles offen. Auch, was uns Apothekers das alles kosten wird und welche Möglichkeiten uns zugestanden werden.

 

Plattform, Plattform über alles? Liegt die Zukunft in den Plattformen? Und, mein liebes Tagebuch, wir setzen eins drauf und fragen: Sind wir gar schon auf dem Weg zur Giga-Plattform? Gemach, gemach, man könnte auch mal fragen, ob Plattformen tatsächlich der richtig Weg in die Zukunft sind, um den großen Versandhäusern die Stirn zu bieten. Apotheker Hermann Vogel jedenfalls sieht den Plattform-Hype durchaus kritisch. In einem DAZ-Interview erklärt der Apotheker, der selbst an zahlreichen digitalen Projekten und Services mitgearbeitet hat, warum er nicht davon überzeugt ist, dass Plattformen oder Services wie Click&Collect den EU-Versendern nachhaltig Kunden abwerben können. Was er auch nicht nachvollziehen kann: Einerseits kämpft der Berufsstand für ein Makelverbot bei Rezepten, andererseits bauen apothekennahe und apothekereigene Unternehmen ähnliche „Vermittlungs-Plattformen“ auf. Er befürchtet zudem eine Abhängigkeit der Apotheke von den Plattformen: So eine Plattform sortiere die Apotheken nach ihren eigenen Regeln, ohne dass die teilnehmende Apotheke darauf Einfluss nehmen könne. Und die individuelle Apotheke zähle beim Kunden nicht mehr, nur noch die Plattform. Mein liebes Tagebuch, und schon werden neue Entscheidungen auf uns Apothekers zukommen: Soll oder muss ich sogar auf eine Plattform, um zu überleben, oder soll ich lieber Einzelkämpfer bleiben?



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


Diesen Artikel teilen:


5 Kommentare

RXVV ist tot

von Dr. Radman am 12.07.2020 um 12:55 Uhr

RXVV ist tot. Wenn wir im letzten DAT Rückgrat und Beharrlichkeit gegenüber Spahn gezeigt hätte, gäbe es sicher heute RXVV. Wer mit seinen guten Karten (RXVV im Koalitionsvertrag) nicht gut spielt, gewinnt derjenige der pokert. Und Spahn hat gepokert und gewonnen. So ist das.

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: RXVV ist tot

von Anita Peter am 12.07.2020 um 15:38 Uhr

Spahn und Co. lachen sich doch schlapp über uns.
Ohne ein RXVV wird es keine gleichlangen Spiesse mehr geben. Das fängt beim Fremdkapital an, geht über den Kontrahierungszwang, und hört bei den Einkaufskonditionen auf. Wir können mit dem Versand nicht konkurrieren. Es bleibt auf lange Sicht bei uns nur noch die Akutversorgung, die BTM Versorgung, Rezepturen etc hängen. Der "Beratungsklau" wird ebenso zunehmen. Den NN dürfen wir natürlich noch machen.

Die Politik ist nicht im geringsten an gleichlangen Spiessen interessiert. In 2 Jahren wird es keinen deutschen Versender in nennenswerten Größe mehr geben. Die haben wenigsten noch schön Kasse gemacht.

Wenn keine gleichlangen Spiesse über das RXVV hergestellt werden, dann sollte man auch das FBV endgültig beerdigen, den Kontrahierungszwang beenden, die Pflicht zum NN beenden und die PB im Einkauf beenden, denn das ist alles nichts anderes als Inländerdiskriminierung. Da können die Gerichte urteilen was sie wollen. Diskriminierung ist Diskriminierung, ergal wie gross oder klein der Diskriminierte ist. Ein bisschen schwanger gibt es auch nicht.

AW: RXVV ist tot

von Conny am 12.07.2020 um 20:47 Uhr

Die Delegierten waren erbärmlich und feige.

Dummheit ist die Basis zur Selbstzerlegung ... und letzteres ist bereits Intelligenz ...

von Christian Timme am 12.07.2020 um 8:31 Uhr

Während die Apotheken unter den Marktpartnern "aufgeteilt" werden ... wird die Zahl der Apotheken weiter zurückgehen. Wenn dann die "Nabelschau" vorbei ist ... wird sich der Großteil der verbleibenden "Apotheken" von Amazon & Co. kaufen lassen (müssen). Das ist dann Marktwirtschaft ...

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

RxVV und e-Rezept

von Karl Friedrich Müller am 12.07.2020 um 8:22 Uhr

Laschet und Tönnies. Ein Muster, dass es auch bei Apotheken gibt?
Wenn Laschet meint, ab jetzt (!) ginge es bei Schlachtbetrieben nach Gesetz. Was war vorher? Wurde ein Konzern gegen die Kleinen unterstützt? Oder weggesehen, dass die Leitung möglichst viel Gewinn macht? Und die Mitarbeiter in unwürdigen Verhältnissen leben müssen? Wer war hier eigentlich das arme Schwein?
Macht Spahn und deine Vorgänger eigentlich etwas anderes? Oder die Politik und Gerichte? Wieder gab es ein skandalöses Urteil zur Rx Boni. Konzerne unterstützen, egal wie die Rechtslage ist und der Rest, auch die Bevölkerung kann sehen, wo er bleibt?
Diese Einstellung der Politik kann nicht so bleiben. Und wenn ich das Gegreine sehe während der Corona und nun ist alles beim Alten. Die Betriebswirtschaftler bekommen Oberhand, Krankenhäuser geschlossen, die Pflege, Ärzte, Apotheken einen Tritt, Hauptsache, der Rubel rollt zugunsten der Anleger, Konzerne, Heuschrecken.
In der SZ von Samstag stehen einige Leserbriefe über die Corona App. Statt App könnte man auch mal E-Rezept einfügen. Es beklagen sich die Schreiber, dass nur wenige die App tatsächlich nutzen können. Ich hab mich ja schon darüber ausgelassen, dass viele Bürger einfach ignoriert werden, insofern halte ich die Werbung seitens der Apotheken für nicht zielführend. Werden da nicht Leute angesprochen, die sowieso im Versand kaufen? Die will man zurück haben? Lächerlich. Und alle anderen fühlen sich nicht wahrgenommen und benachteiligt, also der weit größere Rest? Vielleicht sogar verunsichert?
Blind und mit Scheuklappen. Es ist schlimm

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.