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17. Juli 2020
Wie sieht es denn in unserer Bundeshauptstadt mit dem Thema Grippeschutz-Impfprojekt aus? Kammerpräsidentin Kerstin Kemmritz zeigt sich zufrieden im DAZ.online-Interview: Die Hausaufgaben sind gemacht, jetzt fehlen nur die geeigneten Vertragspartner, die Krankenkassen und Zusammenschlüsse von Apotheken, die mitmachen wollen. Der Berliner Apothekerverein ist bereits am Verhandeln. Kemmritz zeigt sich überzeugt, dass es durchaus Sinn macht, die Apotheken zusätzlich mit ins Boot zu holen, um die Durchimpfungsraten zu steigern. Für Kemmritz ist allerdings eine faire Vergütung die Grundvoraussetzung, damit das Modell funktioniert. Was eine faire Vergütung ist, sagte sie allerdings nicht. Mein liebes Tagebuch, hoffen wir, dass das Impfprojekt gerade in Berlin möglichst schon in diesem Herbst an den Start gehen kann. Dass Brandenburg nicht mitmacht, kann die Berliner Kammerpräsidentin allerdings wohl nicht so recht verstehen. Sie meint, es sollte doch „jeder Apotheker die Möglichkeit haben, am Modellprojekt teilzunehmen, um die Impfquote zu steigern, wenn ein Bedarf gesehen wird“. Genau. Auch wenn die Kammer Brandenburg schon jetzt der Meinung sei, dass sich Impfen auf dem Land angeblich nicht lohne. Mein liebes Tagebuch, warum überlässt die Kammer Brandenburg diese Entscheidung nicht den Apotheken selbst?
Die Berliner Kammerpräsidentin sieht das Impfen in der Apotheker allerdings nicht als pharmazeutische Dienstleistung, sondern als allgemeine weitere Dienstleistung, womit sie richtig liegt. Und so träumt Kemmritz davon, dass das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz endlich in Kraft tritt und wir Apothekers uns auf pharmazeutische Dienstleistungen konzentrieren und gute, wertschätzende Verträge dafür bekommen. Manchmal gehen Träume auch in Erfüllung.
Das ist der Knaller der Woche: Die Schweizerische Zur Rose AG, zu der u. a. auch DocMorris gehört, kauft den deutschen Telemedizin-Pionier Teleclinic, eine Fernbehandlungsplattform, die auch elektronische Verschreibungen anbietet. Mein liebes Tagebuch, na, wenn jetzt nicht die Alarmsirenen im Spahnschen Büro angehen! Denn dadurch gibt es wohl alles aus einer Zur-Rose-Hand: Mehrere Versandapotheken, die E-Rezepte einlösen wollen, und ein telemedizinisches Portal, auf dem Ärzte online konsultiert werden – und dann E-Rezepte ausstellen. Nun raten wir mal, mein liebes Tagebuch, in welchen Online-Apotheken diese E-Rezepte landen werden! So wird die seit Jahrhunderten bewährte Trennung von Arzt und Apotheker einfach mal eben so über den Haufen geworfen. Soll das die Richtung sein, in die unser zukünftiges Gesundheitssystem marschiert? Alles aus einer Zur-Rose-Hand – Arztkonsultationen, E-Rezepte und die verordneten Arzneimittel? Mein liebes Tagebuch, ich bin wirklich gespannt, wie das unser Herr Bundesgesundheitsminister sieht und ob er sich dazu äußern wird. Bei aller Sympathie für digitale Innovationen im deutschen Gesundheitswesen – das ist der Dammbruch, wenn in einem Hause Zur Rose eine Plattform für Teleärzte sitzt, die E-Rezepte verordnen für Arzneimittel, die in dem dazugehörigen Arznei-Versandhaus verschickt werden. Aus Zur Rose-Sicht ist das natürlich ein strategischer Schachzug sondersgleichen. Im Zur-Rose-Sprech hört sich das recht niedlich so an: Ziel sei es, „die Konsumenten (…) zu begleiten und zu befähigen, die eigene Gesundheit ‚mit nur einem Klick‘ zu managen“ so die Pressemitteilung. Und Zur-Rose-Chef Walter Oberhänsli wird mit den Worten zitiert: „Mit TeleClinic als integriertem Akteur in der Zur-Rose-Gesundheitsplattform werden wir, zusätzlich zum Medikations- und Apotheken-Produktportfolio, digitale Lösungen anbieten können, die den Patientinnen und Patienten ein besseres Leben ermöglichen.“ Mein liebes Tagebuch, wie putzig ist das denn? Ein besseres Leben? Ja, vielleicht für DocMorris und Co, weil zur Rose seinen so digital ausgelieferten Patienten das Geld noch leichter aus der Tasche ziehen kann. Oder seine Patienten beeinflussen kann, das E-Rezept doch bitteschön im gleichen Haus einzulösen, weil’s so einfach ist. Mein liebes Tagebuch, so wird die Trennung der Heilberufe – bisher für die Patienten die Garantie für eine sachgerechte und unbeeinflusste Therapie – auf dem Digitalisierungs-Altar geopfert. Für die Teleclinic-Gründerin und Chefin Katharina Jünger war nach eigenen Angaben ausschlaggebend, dass Zur Rose einen Wandel hin zu einem Plattform-Anbieter für alle Apotheken vollzogen habe. Mein liebes Tagebuch, ist auch eine recht niedliche Ansicht, dies als Grund zunehmen, sein Unternehmen in die Hände von Zur Rose zu geben, oder? Plattform-Anbieter! Wie viele Apotheken werden sich denn dieser Plattform anschließen? Wie dem auch sei, wie wird nun Jens Spahn reagieren? Kann sein kommendes Makelverbot diesem Dammbruch wirksam entgegenwirken? Reicht der Arm unseres Makelverbots auch in die Schweiz, in die Niederlande?
8 Kommentare
Spahn
von Gilbert Ernst am 20.07.2020 um 7:00 Uhr
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Impfen
von Conny am 19.07.2020 um 18:27 Uhr
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Die LAK Brandenburg…?
von Gunnar Müller, Detmold am 19.07.2020 um 17:34 Uhr
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Apothekenstaatsvertrag oder wie wir unsere Daseinsberechtigung zementieren
von Bernd Jas am 19.07.2020 um 14:59 Uhr
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Zukunftsfähigkeit
von Reinhard Rodiger am 19.07.2020 um 13:29 Uhr
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Äpfel und Birnen
von Karl Friedrich Müller am 19.07.2020 um 11:16 Uhr
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Zur Rose und die Apothekerorganisationen
von Ulrich Ströh am 19.07.2020 um 9:13 Uhr
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Corona verschiebt virtuelle Grenzen ... in Buxtehude ... und die Welt geht unter ...
von Christian Timme am 19.07.2020 um 8:38 Uhr
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