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Perseiden-Sternschnuppen im August! Was wird aus unserem Botendiensthonorar? Was wird aus unserem Apothekenstärkungsgesetz? Was wird aus dem Rx-Versandverbot? Wie geht es mit der Corona-Pandemie weiter? Wie zerstört der Zur Rose-Teleclinic-Deal die bewährte Trennung des Arzt- und Apothekerberufs? Und warum schaut die Politik weg? Warum gibt es für Apothekers bei der Pflege des elektronischen Medikationsplans kein Honorar? Fragen über Fragen! Wenn Sie noch Wünsche offen haben: Zurzeit gibt’s reichlich Sternschnuppen!
10. August 2020
Seit Anfang dieses Monats wissen wir: Unsere liebevolle Bitte nach Beibehaltung eines Botendienst-Honorars ist beim Bundesgesundheitsminister angekommen. Allerdings möchte uns das Ministerium ab Oktober nicht mehr 5 Euro je Botengang zugestehen, sondern nur noch die Hälfte! Warum das denn? Keine Ahnung, mein liebes Tagebuch, in der Begründung zum Gesetzentwurf ist nichts dazu zu finden. Da steht nur, dass eine Botendienstvergütung notwendig sei, „um insbesondere in Regionen mit geringerer Apothekendichte eine Versorgung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sicherzustellen. Der Botendienst trägt bei dem zunehmenden Anteil der älter werden Bevölkerung damit zu deren Entlastung bei der Zahl der Apothekenbesuche und zur Sicherstellung der Versorgung dieser Personen mit Arzneimitteln bei“. Ja, nett, wunderschön, mein liebes Tagebuch, liest sich gut, vielen Dank – aber warum ist unsere Arbeit dem Ministerium von April bis September 5 Euro wert und danach nur noch die Hälfte? Das Corona-Virus ist noch da, die erhöhten Anforderungen an unseren Schutz beim Botendienst (Desinfektion, Maske) ebenfalls. Wir wissen es nicht. Ein wohlwollender Erklärungsversuch könnte darin liegen, dass man den Botendienst unabhängig von Corona auch in Zukunft würdigen will. Das Ministerium schätzt diesen Service und möchte mit der kleinen Bezuschussung zeigen, dass man sich auch in Regionen mit geringerer Apothekendichte für die Versorgung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln durch die Vor-Ort-Apotheke einsetzt. Mein liebes Tagebuch, man könnte nun ebenso wohlgesinnt zwischen den Zeilen herauslesen, dass das Ministerium in Regionen mit geringerer Apothekendichte nicht auf den Versandhandel baut, sondern auf die Apotheke vor Ort. Also, was bleibt uns? Zugreifen und die 2,50 Euro akzeptieren? Oder nachverhandeln? In Apothekerskreisen sind die Reaktionen über dieses Angebot gespalten. Freude bei den einen über das kleine Zubrot, Unverständnis bei den anderen. Mein liebes Tagebuch, wir können noch darüber diskutieren – ein offizieller Entwurf eines „Krankenhauszukunftsgesetzes“, mit dem das 2,50 Euro-Botendiensthonorar ins SGB V geschrieben werden soll, liegt noch nicht vor, derzeit gibt es nur eine „Formulierungshilfe“. Schafft es das Papier in den Status eines Gesetzentwurfs, müsste es noch durch die Hürden des parlamentarischen Verfahrens. Ob und wann das Gesetz in Kraft treten könnte – und ob wir dann wirklich Geld für den Botendienst bekommen – das alles steht noch in den Sternen. Hoffentlich sind die Vorschläge nicht nur Sternschnuppen.
11. August 2020
Apropos Gesetzentwürfe: Was so im Laufe der Beratungen aus einem Gesetzentwurf entstehen kann, sehen wir auch beim Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken. Das einstige Rundumpaket zur Apothekenstärkung, das das Bundeskabinett schon vor 14 Monaten (!) beschlossen hatte, wurde mehrfach auseinandergenommen, zerlegt in Einzelverordnungen und Gesetzesteile, die zum Teil bereits in Kraft getreten sind, zum Teil aber noch in der Gesetzesmaschinerie hängen. Der Knackpunkt: Bundesgesundheitsminister Spahn wollte sich mit der EU-Kommission noch über das geplante Rx-Boni-Verbot für den GKV-Bereich abstimmen. Doch auch nach nunmehr neun Gesprächen auf Leitungsebene hängt das Gesetz noch immer fest – ein klares Signal aus Brüssel gibt es immer noch nicht. Mein liebes Tagebuch, das verspricht nichts Gutes, irgendwie weiß man nicht so recht weiter. Das Dumme dabei ist, dass das Apothekenstärkungsgesetz neben einem Rx-Boni-Verbot auch die geplanten honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen bringen sollte – und die kommen nun ebenfalls nicht voran. Wie vertrackt ist das denn! Auch der FDP-Bundestagsfraktion kommt die Hängepartie des Gesetzes seltsam vor. Sie hat sich daher kürzlich mit einer Kleinen Anfrage zur „Zukunft der Vor-Ort-Apotheken“ an die Bundesregierung gewandt. Die Antwort des Bundesgesundheitsministeriums liegt nun vor. Ehrlich gesagt, sie ist dermaßen floskelhaft und weichgespült, dass sie einem beim Lesen aus den Fingern flutscht. Auch für den FDP-Abgeordneten Andrew Ullmann ist es „unfassbar, dass die Bundesregierung bei allen Fragen erneut auf Tauchstation geht“. Ullmann fragt sich: ‚„Was wird da genau verhandelt? Die reine Klärung zur Vereinbarkeit mit EU-Recht kann es nicht mehr sein, für eine juristische Prüfung und entsprechende politische Einschätzung braucht man keine neun Kaffeerunden in einem Jahr. Ich fordere die Bundesregierung auf, endlich transparent zu arbeiten und die Diskussion ins Parlament zu verlagern.“ Mein liebes Tagebuch, die Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf die Fragen der FDP-Fraktion lassen einen echt frustriert zurück. Was wird aus dem Apothekenstärkungsgesetz?
12. August 2020
Da ist sie: die neue SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel, veröffentlicht vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) zum Schutz der Mitarbeiter vor einer Erkrankung mit COVID-19. Mit der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel werden die gesetzlichen Anforderungen an den Arbeitsschutz in Corona-Zeiten konkretisiert. Mein liebes Tagebuch, zwar dürften viele der Regelungen bereits in den meisten Apotheken umgesetzt sein, aber möglicherweise eben nicht alle. Oder nicht alle in der nun vorgeschriebenen Art und Weise. Da kommt was auf den Arbeitgeber zu! Also, unbedingt durchlesen und in den Apothekenbetrieb integrieren. Der Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat oberste Priorität! Und wie lange gilt die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel? Solange das Infektionsschutzgesetz die epidemische Lage von nationaler Tragweite feststellt. Mein liebes Tagebuch, machen wir uns nichts vor, das wird noch dauern. Corona ist noch lange nicht weg, ein Impfstoff nach internationalen Werten noch lange nicht da – auch wenn uns Russland das Gegenteil glauben machen will. Und die Infektionszahlen steigen derzeit wieder, „besorgniserregend“, wie Spahn uns wissen lässt: Die Zahl der täglich gemeldeten Neuinfektionen in Deutschland hat den höchsten Wert seit Anfang Mai erreicht. Also, weiterhin Masken an und Arbeitsschutzregeln befolgen.
13. August 2020
Die DocMorris-Mutter Zur Rose übernimmt den Telemedizinanbieter Teleclinic – während diese Übernahme in Apothekerkreisen für Unbehagen, für Aufruhr und größte Bedenken sorgt, scheint sie die Politik kalt zu lassen. Sie sieht in dieser Übernahme, bei der sich ein Unternehmen mit Arzneiversendern ein Unternehmen für Fernbehandlung einverleibt, keine Gefahren für unser Gesundheitssystem. Dabei baut doch unser System auf eine strikte Trennung zwischen Arzt und Apotheker auf, zum Wohl des Patienten. Doch die Politik scheint sich auf das im Patientendaten-Schutzgesetz verankerte erweiterte Makelverbot zu verlassen. Mein liebes Tagebuch, wie kann man nur! Das ist doch vergleichbar mit dem Hund, der die Wurst bewachen soll, und dessen Herrchen darauf baut, dass man es ihm einmal beigebracht hat. Die Reaktionen der politischen Vertreter gegenüber diesem Zur Rose/Teleclinic-Deal hält auch Klaus Michels, Chef des Apothekerverbands Westfalen-Lippe, für „widersprüchlich, wenn nicht gar scheinheilig, bestenfalls nur naiv“, wie er im Interview mit der DAZ sagt. Die berechtigte Trennung von Arzt und Apotheker, so Michels weiter, „die seit annähernd 800 Jahren aus Gründen des Patienten- und Verbraucherschutzes Berechtigung besaß, soll nun zugunsten ausländischer Aktien-Konzerne, die […] ausschließlich im zwangsläufigen Interesse ihres Shareholder-Value den hiesigen Gesundheitsmarkt besetzen wollen, den Götzen der Convenience und der Digitalisierung geopfert werden“. Sagt Michels, der durchaus Anhänger der europäischen Idee ist und auch digitalen Innovationen offen gegenüber steht. Mein liebes Tagebuch, wie recht er hat! Michels sieht zudem größte Gefahren für unser Gesundheitssystem. Wenn die Politik auf das Makel- und Zuweisungsverbot vertraue, „dann scheint man sich weder seiner Kontroll- noch seiner Einflussnahmemöglichkeiten bewusst zu sein“, ist Michels überzeugt. Und er stellt fest: „Indem die Politik solche Konstruktionen wie im Fall von DocMorris toleriert, legt sie die Axt an das überkommene deutsche Gesundheitssystem.“ Mein liebes Tagebuch, deutlicher kann man es nicht sagen. Es ist eine Kommerzialisierung größten Ausmaßes, die uns da bevorsteht, zudem ein Angriff auf die freien Berufe, wenn Kapitalunternehmen jegliches medizinische und pharmazeutische Angebot im Gesundheitswesen abdecken wollen. Gibt es noch Hoffnung, dass die Politik die Gefahren sieht? Michels zeigt sich skeptisch: „Ob man den Deckel wieder drauf bekommt, das wage ich zu bezweifeln.“ Ehrlich gesagt, mein liebes Tagebuch, das bezweifeln wir auch.
Kennen Sie den Unterschied zwischen dem „Bundeseinheitlichen Medikationsplan (BMP)“ und dem „elektronischen Medikationsplan (eMP)“? Also, wenn Sie da nicht ganz sattelfest sind: Die ABDA hat dazu ein FAQ-Dokument (häufig gestellte Fragen) veröffentlicht mit vielen Tipps rund um die Medikationspläne. Durchaus lesenswert! Mit der Ernüchterung am Schluss: „Für den Apotheker […] sieht der Gesetzgeber für die Erstellung oder Aktualisierung des eMP bisher kein Honorar vor.“ Mein liebes Tagebuch, was bereits für den BMP galt, scheint sich also beim eMP fortzusetzen: Kein Honorar für uns Apothekers bei der durchaus verantwortungsvollen und zeitintensiven Pflege des elektronischen Medikationsplans! Dass kein Honorar für uns vorgesehen ist, liegt daran, dass der eMP auf der elektronischen Gesundheitskarte gespeichert ist. Wäre er Teil der kommenden elektronischen Patientenakte, gäbe es eine Vergütung: Im Patientendatenschutzgesetz, dem voraussichtlich nach der Sommerpause ein letzter Durchgang im Bundesrat bevorsteht, ist nämlich vorgesehen, dass Apotheker für Arbeiten in der elektronischen Patientenakte vergütet werden sollen. Tja, was ist da schief gelaufen? Wer hat da nicht aufgepasst? Immerhin ist schon abzusehen, dass die Gesundheitskarte bald der Vergangenheit angehört – die Zukunft gehört der elektronischen Patientenakte. Außerdem dürfen die Patienten sich schon ab 1. Januar 2021, wenn die elektronische Patientenakte eingeführt wird, dafür entscheiden, ihren eMP in die elektronische Patientenakte zu überführen. Und dann sind wir Apothekers auch hinsichtlich einer Honorierung dabei – hoffen wir, dass unsere ABDA das schon auf ihrer Agenda hat!
14. August 2020
Es ist ein flammendes Plädoyer für ein Rx-Versandhandelsverbot und ein eindringlicher Appell an die Politik: „Wäre es politisch gewollt, dass die wohnortnahe Akutversorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln erhalten bliebe, ginge dies nur mit einem Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln“, ist sich Wolfgang P. Kuck sicher. In seinem Beitrag in der Apotheken-Kundenzeitschrift „MyLife“ erinnert der Vater des Noweda-Chefs Michael P. Kuck daran, dass die Bundesregierung im Koalitionsvertrag ein Gesetzesvorhaben zum Rx-Versandverbot vereinbart hatte. Mein liebes Tagebuch, wie wahr, man kann es nicht oft genug sagen! Und was ist daraus geworden? Ein zerfleddertes Apothekenstärkungsgesetz, das uns Apothekers ein paar kleine Zuschüsse zum Apothekenhonorar spendiert hat, aber von einer wirksamen Apothekenstärkung weit entfernt ist. Denn die eigentliche Stärkung hängt bei der EU-Kommission fest: das Rx-Boni-Verbot, das nicht voran kommt. Wolfgang P. Kuck verweist in seinem Beitrag auch auf die Folgen, die das E-Rezept mit sich bringen wird: ein beschleunigtes Apothekensterben. Die Arzneiversender rechneten damit, dass sie ihren Anteil am Umsatz verschreibungspflichtiger Arzneimittel von 1 Prozent auf 10 Prozent steigern können. Ja, mein liebes Tagebuch, und dann sind wir Vor-Ort-Apothekers weit entfernt von einer Apothekenstärkung. Verständnis hat Kuck für die Verbraucher, wenn sie aus Bequemlichkeit ihr E-Rezept bei einer Versandapotheke einlösen. Die Schuldigen sitzen für ihn in der Politik. Mein liebes Tagebuch, wenn wir in zwanzig oder dreißig Jahren ein aktuelles pharmaziehistorisches Buch zur Hand nehmen, werden wir zwei Politikernamen darin finden, die den Untergang der Vor-Ort-Apotheken eingeleitet haben: Ulla Schmidt, die den Versandhandel auch mit Rx erlaubte, und Jens Spahn, der den Versandhandel mit Rx nicht verboten hat.
Die Rabattverträge – seit dreizehn Jahren eine Erfolgsstory der Krankenkassen, seit dreizehn Jahren eine quälende und teure Last für uns Apothekers. Während die Kassen in all den Jahren mehrere Milliarden Euro eingespart haben, kosteten uns die Rabattverträge unendlich viel Zeit, Geld und Ärger für die Kundenberatung, für die Software und für das wachsende Problem der Lieferengpässe. Und wie es aussieht, werden wir mit den Rabattverträgen auch in Zukunft leben müssen – ohne erfahren zu dürfen, wie hoch die tatsächlichen Einsparungen der Kassen bei den einzelnen Präparaten eigentlich ausfallen. Denn diese Informationen fallen unter das Geschäftsgeheimnis – Unbeteiligte, zum Beispiel Apotheker, haben keinen Anspruch zu erfahren, wie hoch die gewährten Rabatte sind. Das hat jetzt das Bundesverwaltungsgericht entschieden. Denn betroffen sei sowohl das Geschäftsgeheimnis der Krankenkassen als auch der Pharmahersteller. Geklagt hatte ein Apotheker, der von einer Betriebskrankenkasse erfahren wollte, wie viel Rabatt ihr der Originalhersteller für ein bestimmtes Arzneimittel gewährt.
DocMorris nimmt den Mund zu voll bei seinen Werbeaussagen. Das Arzneiversandhaus will seinen Kunden weismachen: „DocMorris…versorgt dich sicher in jeder Lebenslage“ und „Schnell und bequem gesund werden und das von zu Hause aus“ – zwei Slogans, die nach Auffassung der Apothekerkammer Nordrhein irreführend sind – sie klagte daher gegen den Versender. Das Landgericht Stuttgart sieht dies genauso und untersagte DocMorris diese Werbeaussagen. Mein liebes Tagebuch, richtig, auch wenn es den Versender nicht sonderlich jucken wird – man darf diese vollmundigen Werbesprüche nicht durchgehen lassen. Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht.
2 Kommentare
Teilnehmer an der Berliner Klagemauer
von Ulrich Ströh am 16.08.2020 um 8:38 Uhr
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Radiologie
von Karl Friedrich Müller am 16.08.2020 um 8:24 Uhr
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