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Hennings (Sanacorp) und Freitag (Phoenix) zur geplanten Mega-Plattform
„Unser Problem liegt nicht innerhalb des Systems, sondern außerhalb“
Der Arzneimittelmarkt ist lukrativ für Anbieter wie Amazon und Alibaba. Die Initiative Pro AvO und der Pharmagroßhändler Phoenix wollen dagegenhalten und gemeinsam eine Mega-Plattform schaffen, die explizit die Präsenzapotheken einbindet und es mit der Konkurrenz aus Übersee aufnehmen kann. Die DAZ sprach mit Phoenix-Deutschlandchef Marcus Freitag und Sanacorp-Geschäftsführer Frank Hennings über die Ziele der Initiative und die Bedeutung für die Apotheken in Deutschland.
DAZ: Kurz vor dem Launch der Apothekenplattform von Pro AvO wurde bekannt gegeben, dass Phoenix und Pro AvO ein Joint-Venture gründen werden. Warum so plötzlich und kurz vor dem Launch?
Hennings: Ganz so plötzlich, wie es scheint, war es nicht. Von Anfang an stand bei Pro AvO die Branchenlösung im Vordergrund. Das bedeutet, dass die Initiative für alle Unternehmen und Institutionen im Apothekenmarkt offen stehen muss. Als wir vor längerem angefangen haben, uns über die Initiative konkret Gedanken zu machen, redeten wir noch ausschließlich über das Thema Arzneimittelversorgung. Mittlerweile betrachten wir das sehr viel breiter.
DAZ: Wie genau?
Hennings: Wir sind davon überzeugt, dass wir nur dann erfolgreich werden, wenn wir dem Endverbraucher eine ganzheitliche Lösung präsentieren mit den unterschiedlichsten Angeboten. Dafür müssen wir das ursprüngliche Konzept auch für andere Leistungserbringer öffnen. Konkret bedeutet das: Wenn ich vom Arzt eine Verordnung erhalte, dann geht es in einigen Fällen eben nicht um Arzneimittel, sondern beispielsweise um eine logopädische Therapie. Mit unserer Initiative müssen wir also auch den Zugang der Patienten zu anderen Leistungserbringern im Gesundheitswesen ermöglichen.
Freitag: Ich glaube, dass wir mit der App „deine Apotheke“ in Kombination mit Payback aktuell die vernünftigste Lösung am Markt haben. Wir sind aber mit den Partnern von Pro AvO seit Monaten deshalb im Gespräch, weil wir bei Phoenix davon überzeugt sind, dass es zu kurz gesprungen wäre, wenn man nur die Apotheken im Fokus hat. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass wir eine tatsächliche Gesundheitsplattform brauchen.
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DAZ: Mal direkt gefragt: Präsentiert man die deutschen Vor-Ort-Apotheken durch eine Plattformökonomie nicht denen auf einem Servierteller, vor denen man sie eigentlich schützen will?
Hennings: Eine Grundausrichtung, die wir von Anfang hatten, war es ja, die Apotheker selbst gesellschaftsrechtlich zu beteiligen, beispielsweise in Form einer Genossenschaft. Unser Handeln ist zwar davon geprägt, was der Endverbraucher will, aber in unserem Fokus steht natürlich die Apotheke.
Freitag: Der Markt und der Endverbraucher werden sich weiter digitalisieren – und zwar unabhängig von der aktuellen Corona-Krise. Alle Beteiligten wollen, dass Arzneimittel weiterhin, und zwar on- und offline, über die Vor-Ort-Apotheken abgegeben werden. Und um das zu erreichen, brauchen wir diese Gesundheitsplattform. Deshalb ist für uns als Phoenix gar nicht das Ziel, irgendwelche Gesellschafteranteile zu veräußern.
DAZ: Mit anderen Worten: Sie sehen die Aufstellung einer Plattform und einer starken Marke als Garantie für die Apothekenzukunft in Deutschland?
Freitag: Wir erleben in München beispielsweise das Amazon-Vertriebskonzept „Prime Now“. Endverbrauchern ist es dabei möglich, innerhalb einer Stunde über Apotheken an OTC-Arzneimittel zu kommen. Glauben wir wirklich, dass alles so wie in der Vergangenheit weiterläuft oder glauben wir, dass sich Märkte verändern werden? Wir alle sechs sind davon überzeugt, dass sich Märkte verändern und wir gemeinsam versuchen müssen, die Arzneimittelversorgung nach wir vor durch die Apotheken zu garantieren. Unser Problem liegt nicht innerhalb des Systems, sondern außerhalb. Jetzt stellt sich die Frage: Schafft man das als Einzelapotheke? Oder muss es eine Branchenlösung geben?
Hennings: Die aktuelle Phase ist der Vorabend zu einer großen Veränderung – gerade im Hinblick auf die Einführung des E-Rezepts. Das wird ein echter Game-Changer, auch mit vielen Chancen für den Endverbraucher. Wir sind davon überzeugt, dass die aktuelle Versorgung durch die Apotheke vor Ort qualitativ kaum zu toppen ist. Die Schnelligkeit und die persönliche Bindung sind nicht zu schlagen. Wir müssen das also selbst in die Hand nehmen, weil wir genau wissen, was die Menschen heute und morgen brauchen.
DAZ: Denken Sie, wir werden auf kurz oder lang nicht drum herumkommen, auf dem deutschen Gesundheitsmarkt mit internationalen Playern zu kooperieren?
Freitag: Das glauben wir nicht. Wir glauben, dass wir unsere Plattform so gut ausstatten können, dass wir selbst die Frage nach der Digitalisierung für die inhabergeführten Apotheken lösen können. Davon abgesehen sind wir uns wohl einig, dass wir andere Geschäftsmodelle, durch z. B. Amazon oder andere große Konzerne, in Zukunft verstärkt sehen werden. Daher wollen wir eine starke Lösung anbieten, um den großen Playern eine Konkurrenz zu bieten. Als PHOENIX sind wir in 27 Ländern aktiv. Wir sehen deutlich, dass das E-Rezept zu Veränderungen führt. Diesen Veränderungen kann weder die Apotheke allein, noch Phoenix oder die Pro AvO allein entgegentreten. Wir müssen kooperieren, damit die Struktur im Wesentlichen so bleibt wie sie ist und der Nutzen für den Endverbraucher gestärkt wird.
Hennings: Unsere Aufgabe sehe ich weniger darin, die aktuellen Entwicklungen zu verhindern. Unsere Aufgabe besteht darin, ein Angebot zu entwickeln, das das deutsche Gesundheitssystem erhalten kann. Unser Hauptmotiv ist, die E-Rezepte in Deutschland bei der Apotheke vor Ort zu halten. Das motiviert uns, eine bessere Lösung zu finden. In der Bevölkerung wird die Versorgung durch die Apotheke vor Ort als hervorragend wahrgenommen – gerade jetzt, da der internationale Vergleich erlebbar wird. Genau an dieser Stelle stecken unsere Chancen. Wenn wir uns dessen annehmen, können wir sehr erfolgreich sein. Dazu tragen wir auch mit dem aktuell deutlich erweiterten Horizont bei.
DAZ: Es gab ja aus der Apothekerschaft, allen voran ABDA-Präsident Friedemann Schmidt, sehr kritische Worte bezüglich der Zur-Rose-/TeleClinic-Akquisition. Ist das vor dem Hintergrund nicht etwas kurios, dass apothekernahe Unternehmen eine ähnliche Zusammenführung auf einer Gesundheitsplattform in Aussicht stellen?
Hennings: Der „laute Schrei der Standespolitik“ (s.a. DAZ 31/2020), dass mit dem Kauf der TeleClinic durch Zur Rose ein „Dammbruch“ erreicht wurde, ist sicher von der Politik gehört worden. Die Standespolitik möchte damit richtigerweise nur auf die Frage aufmerksam machen, welche gesetzlichen Änderungen vorgenommen werden müssen, damit die vorhandenen Strukturen den Entwicklungen im Gesundheitssystem standhalten können. Unsere Aufgabe sehe ich darin, Lösungen zu schaffen, die Strukturen langfristig auf diesem Niveau zu erhalten und den Nutzen für den Endverbraucher weiter zu stärken.
Freitag: Was wäre denn die Alternative? Wir verändern nichts und lassen alle so wie bisher? Oder wollen wir lieber Teil der Diskussion sein und bei der inhabergeführten Apotheke aktiv die Dinge vorantreiben? Jedem Thema kann man etwas Negatives abgewinnen. Ich frage mich eher nach den Alternativen, die uns zur Verfügung stehen. Ich bin davon überzeugt, dass unser Vorgehen alternativlos ist.
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Hinweis: Das vollständige Interview lesen Sie in der aktuellen Printausgabe der DAZ.
2 Kommentare
Wer betreibt die Plattform?
von Ulrich Ströh am 31.08.2020 um 9:05 Uhr
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AW: Wer betreibt die Plattform
von Steffen Kuhnert am 21.09.2020 um 17:30 Uhr
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