Medizin Transparent prüft Studienlage

Hilft Biotin bei Haarausfall?

Stuttgart - 01.09.2020, 11:45 Uhr

In bestimmten Fällen kann eine Biotin-Einnahme bei Haarausfall sinnvoll und angezeigt sein. (x / Foto: galitskaya / stock.adobe.com)

In bestimmten Fällen kann eine Biotin-Einnahme bei Haarausfall sinnvoll und angezeigt sein. (x / Foto: galitskaya / stock.adobe.com)


Biotin-Mangel kann zu Haarausfall führen. Kann umgekehrt die Einnahme von Biotin Haarausfall hemmen und dünnes Haar wieder kräftiger und voller nachwachsen lassen? Medizin Transparent hat sich die Studienlage angeschaut. Demnach ist eine Biotin-Substitution nicht immer sinnvoll. Wann hilft Biotin bei Haarausfall? Und nehmen wir genügend Biotin mit der Nahrung auf?

„Biotin für die Haare – Wundermittel oder wirkungslos?“, fragt „MedizinTransparent“, ein Online-Service, der allerlei Gesundheitsbehauptungen „kritisch“ und „unabhängig“ überprüft. Das wasserlösliche B-Vitamin wurde früher auch als Vitamin H („H“ von Haut und Haare) oder Vitamin B7 bezeichnet, heute ist „Biotin“ gebräuchlich. Biotin ist wichtig für mehrere Prozesse im Körper: für die Bildung und den Abbau von Fettsäuren, Aminosäuren und für die Gluconeogenese. Auch für die Keratinbildung benötigt der Körper Biotin. Keratin ist der Hauptbestandteil von Haaren und Nägeln. Biotin soll folglich Haare schöner und kräftiger machen und sie schneller wachsen lassen – so verspricht es die Werbung für Biotinpräparaten zur Nahrungsergänzung. Doch was ist dran? MedizinTransparent ging dieser Frage nach. Ihr Ergebnis dürfte die Hersteller biotinhaltiger Nahrungsergänzungsmittel nicht unbedingt begeistern.

Unzureichende Studienlage mit methodischen Mängeln

„Unsere Suche nach wissenschaftlichen Belegen für die behaupteten Wirkungen von Biotin blieb erfolglos“, schreibt der Online-Service. Trotz „umfangreicher Recherche“ stieß MedizinTransparent bei der Frage nach der Wirkung von Biotin auf das Haarwachstum nur auf eine „unzureichende“ Studienlage. Über zwei Studien berichten sie genauer.

Was ist MedizinTransparent?

Medizin-Transparent.at überprüft Gesundheitsbehauptungen – wie „Hydroxylapatit für bessere Zähne“, „Avocado gegen Arthrose“, „Coffein oder Biotin gegen Haarausfall“ – und überprüft diese wissenschaftlich. Seine Arbeitsweise beschreibt MedizinTransparent als „kritisch“ und „unabhängig“, die sodann gefundenen und veröffentlichten Ergebnisse als „geprüft“. Die Ergebnisse seien „evidenzbasierte Informationen“, die MedizinTransparent kostenfrei zugänglich und in leicht verständlicher Sprache veröffentlicht. Der eigenen Angaben zufolge „unabhängige Online-Service“ ist ein Projekt von Cochrane Österreich an der Donau-Universität Krems.

Dünne Studienlage

Ein polnisches Forscherteam untersuchte bereits 1966 an 46 Frauen die Wirkung von 10 mg Biotin täglich auf die Wachstumsphase der Haare. Nach vier Wochen Einnahme zeigte sich kein Unterschied zwischen der Biotin- und der Placebogruppe. Neben dem Umstand, dass die Teilnehmerzahl mit 46 Frauen sehr klein war, fehlten in der Studie außerdem Angaben zum grundsätzlichen Gesundheitszustand der Frauen, ihrer Ernährung und Haarpflege, so dass das Studienergebnis nicht aussagekräftig erscheint.

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2014 veröffentlichten Wissenschaftler aus Australien, Kanada und den USA die Ergebnisse ihrer Untersuchung, bei der 50 Frauen mit geschädigtem Haar über 90 Tage ein biotinhaltiges (0,15 mg pro Tag) Nahrungsergänzungsmittel („Cynatine HNS“) eingenommen hatten. Ob Biotin gegen Haarausfall hilft, testeten sie mithilfe des „Hair-pull“-Tests. Sie nahmen an drei Stellen des Kopfes je ein Büschel Haare, eigenen Angaben zufolge „etwa 60 Stück“ – eine für eine Studie zu ungenaue Angabe –, und zogen daran. Gingen dabei mehr als neun Haare aus, war der Test positiv: Die Haare befänden sich bei „leichtem“ Ausgehen in der Phase des telogenen Effluviums – einem gesteigerten Haarverlust, wenn die Haarzellen frühzeitig in die Ruhephase (telogene Phase) eingetreten sind. Normalerweise – ohne Hair-pull-Test – fallen die Haare nach Übergang in die Ruhephase zwei bis drei Monate später aus. Die Wissenschaftler fanden unter dem eingesetzten Nahrungsergänzungsmittel eine „deutliche Verbesserung“ (statistisch signifikant) von Haaren und Nägeln. Doch: Das Präparat enthielt zahlreiche weitere Stoffe, ob der positive Effekt auf das Haarwachstum tatsächlich auf Biotin zurückzuführen ist, klärt die Studie nicht. 

Somit kommt MedizinTransparent zu dem Schluss: „Wir können damit weder beantworten, ob Biotin Haare schneller wachsen lässt, noch ob das Vitamin Haarausfall stoppen kann.“



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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