Medizin Transparent prüft Studienlage

Hilft Biotin bei Haarausfall?

Stuttgart - 01.09.2020, 11:45 Uhr

In bestimmten Fällen kann eine Biotin-Einnahme bei Haarausfall sinnvoll und angezeigt sein. (x / Foto: galitskaya / stock.adobe.com)

In bestimmten Fällen kann eine Biotin-Einnahme bei Haarausfall sinnvoll und angezeigt sein. (x / Foto: galitskaya / stock.adobe.com)


Darmbakterien können Biotin produzieren

Bereits seit den 1940er Jahren ist bekannt, dass auch Darmbakterien Biotin herstellen können, weswegen die ausgeschiedene Menge an Biotin die mit der Ernährung zugeführte übersteigen kann. Zudem wird Biotin im Körper wiederverwertet. Die Biotin-Versorgung in Deutschland ist laut dem Ernährungsbericht der DGE aus dem Jahr 2012 ausreichend, die mediane Zufuhr liegt bei Frauen bei 40 µg/d und bei Männern bei 46 µg/d.

Biotin und rohe Eier

Ein ernährungsbedingter Biotin-Mangel ist selten und tritt dann auf, wenn Menschen beispielsweise eine biotinfreie parenterale Ernährung erhalten oder über längere Zeit viel rohes Eiklar essen. Das darin enthaltene Avidin, ein Glycoprotein, bindet Biotin (und zwar sowohl das nutritive wie auch das durch Darmbakterien produzierte) und hemmt dessen Aufnahme, was auch als „egg white injury“ bekannt ist. Da Avidin durch Erhitzen zerstört wird, sind gekochte Eier keine „Biotin-Räuber“.

Bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen und Schwangerschaft

Es gibt jedoch Risikogruppen, die leicht einen Biotin-Mangel entwickeln können: Bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen oder Kurzdarmsyndrom kann die Aufnahme von Biotin verringert sein. Ebenso gibt es Hinweise, dass eine längerfristige Antibiotikaeinnahme die Biotin-Versorgung negativ beeinflusst, da die Antibiose Darmbakterien in ihrem Wachstum hemmt und tötet. Auch Schwangere zeigen relativ häufig einen „subklinischen Biotin-Mangel“, so Smollich, und eine Supplementation könne empfohlen werden. Er empfiehlt sodann bei klinisch manifestem, gesichertem Biotin-Mangel Dosierungen von 0,1 bis 1 mg pro Tag. Bei Patienten, die ständig Phenobarbital oder Phenytoin zur Behandlung ihrer Epilepsie einnehmen, können diese Arzneimittel die Biotin-Versorgung stören. Zudem gibt es genetische Ursachen, die für einen Biotin-Mangel verantwortlich zeichnen.

Biotin stört Labormessungen

Im März 2019 informierte die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) in einem Rote-Hand-Brief, dass Biotin zu falschen kardialen und endokrinologischen Laborwerten führen kann. In den USA wurde deshalb bei einem Patienten ein Herzinfarkt nicht erkannt. Der Patient verstarb. Eine erhöhte Anzahl an Fallberichten von falschen Laborwerten infolge einer kürzlichen oder gleichzeitigen Biotineinnahme bei Patienten hatte den Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) dazu veranlasst, in einem Signalverfahren die Biotininterferenz von Laborwerten zu bewerten. 

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Biotin für Schwangere

Bereits am 11. Februar 2019 veröffentlichte der PRAC seine Empfehlung dazu. Der PRAC empfahl, bei biotinhaltigen Arzneimitteln zum Einnehmen ab einem Wirkstoffgehalt von 150 µg Biotin pro Dosiseinheit und bei biotinhaltigen Arzneimitteln zur parenteralen Anwendung ab einem Gehalt von 60 µg Biotin pro Dosiseinheit die Fach- und Gebrauchsinformationen zu aktualisieren. Auf nationaler Ebene setzte das BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) die EMA-Empfehlung für Deutschland um.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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