Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz

OTC-Preise: ABDA widerspricht IGES-Gutachten

Berlin - 11.09.2020, 13:00 Uhr

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt glaubt nicht, dass die Preise für OTC-Arzneimittel deutlich steigen würden, wenn das Rx-Boni-Verbot kommt. (m / Foto: Schelbert) 

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt glaubt nicht, dass die Preise für OTC-Arzneimittel deutlich steigen würden, wenn das Rx-Boni-Verbot kommt. (m / Foto: Schelbert) 


AVWL schreibt an Abgeordnete

Der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) geht einen anderen Weg: Er wendet sich in einem Brief an die westfälischen Bundestagsabgeordneten sowie die Mitglieder im Gesundheitsausschuss und stellt noch einmal klar, was es aus Sicht des Verbands wirklich braucht, um die Präsenzapotheken zu stärken. Dabei hat der AVWL nicht nur das VOASG, sondern auch das Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG) auf dem Schirm. „Die Situation der Patienten wird sich, sollten VOASG und PDSG unverändert umgesetzt werden, verschlechtern statt verbessern“, heißt es in dem Brief. „Die Vor-Ort-Apotheken werden nicht gestärkt, sondern massiv geschwächt. Darüber hinaus sind sogar Gefahren für unser Gesundheitssystem als solches zu befürchten.“

Boni-Verbot im Sozialrecht wird Kommission nicht beeindrucken

Von dem Vorhaben Spahns, das Rx-Boni-Verbot ins Sozialrecht zu überführen, halten die Apotheker nichts. „Dieser Plan wird nach Auffassung des Apothekerverbands Westfalen-Lippe bzw. der von ihm befragten Rechtsexperten nicht aufgehen“, schreiben sie. „Es hilft nämlich nichts, die Gleichpreisigkeit einfach an anderer Stelle zu regeln; das ist nicht mehr als eine juristische Finte. Davon werden sich weder EU-Kommission noch EuGH beeindrucken lassen.“

Zielführend kann es demnach nur sein, die Preisbindung in § 78 Abs. 1 S. 4 AMG zu verteidigen – und hierzu die Frage der Preisbindung dem EuGH erneut durch ein deutsches Gericht vorzulegen. „Der EuGH hat in seiner Entscheidung 2016 mehrfach die Lückenhaftigkeit des Tatsachenvortrages bemängelt. Dies kann die Bundesregierung in einem erneuten Verfahren besser machen.“ Der EuGH habe sich in der Vergangenheit durchaus schon selbst korrigiert. „Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht gehen zudem bei der Preisbindung von einer nationalstaatlichen Gesetzgebungskompetenz aus und halten die Preisbindung keineswegs für europarechtswidrig. Warum auch sollte eine Preisbindung für das Kulturgut Buch zulässig sein – nicht aber für lebenswichtige Arzneimittel?“

Beim PDSG, das am 18. September auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht, sieht der AVWL ebenfalls dringenden Verbesserungsbedarf – insbesondere beim Makelverbot mit E-Rezepten. „Zwar sieht das PDSG ein Makelverbot und Zuweisungsverbot der E-Rezepte an eine bestimmte (Versandhandels-)Apotheke vor, um die freie Apothekenwahl des Patienten zu garantieren. In der Praxis können diese Verbote jedoch künftig ganz einfach unterlaufen werden: durch einen Token, mit dem der Versicherte über Smartphone-Apps, E-Mail, Messenger-Dienste und andere Internet-Kanäle sein Rezept bzw. den Zugriff auf dieses außerhalb der geschützten Telematikinfrastruktur weiterleiten kann.“ Durch diese Lücke erhielten ausländische Versandhändler „durch intensive Marketing-Maßnahmen, auf die weder die einzelne inhabergeführte Apotheke noch Apothekerverbände adäquat erwidern können, die Möglichkeit, eine mobile Anwendung marktbeherrschend zu etablieren.“

Dringender Appell

Der Verband schließt mit einem Appell an die Politiker: „Daher möchten wir Sie dringend bitten, sich dafür einzusetzen, dass erstens das VOASG in dieser Form nicht verabschiedet und zweitens auch das PDSG zwingend nachgebessert wird. Die Preisbindung muss auch für Privatversicherte und Selbstzahler gelten“, heißt es. „Das Fundament der Arzneimittelversorgung unserer Patienten, der Vor-Ort-Apotheken sowie des deutschen Gesundheitssystems darf nicht zerstört werden. Die Folgen wären irreversibel.“



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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