Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

04.10.2020, 07:29 Uhr

Diese Woche gibt's bitterernste Themen: AvP-Insolvenz – und wo bleiben die Hilfen? Und: Die Corona-Zahlen steigen. (Foto. Alex Schelbert)

Diese Woche gibt's bitterernste Themen: AvP-Insolvenz – und wo bleiben die Hilfen? Und: Die Corona-Zahlen steigen. (Foto. Alex Schelbert)


1. Oktober 2020

In diesem Punkt geht es unseren französischen Kolleginnen und Kollegen besser als uns: Der Versand von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist in unserem Nachbarland nicht erlaubt. Aber sie kämpfen gegen die massiven Werbemaßnahmen der niederländischen Versandkraken im OTC-Bereich, z. B. gegen eine große multimediale Kampagne der niederländischen Shop Apotheke, bei der dieser Versender eigene Werbebroschüren den Paketen anderer Versandunternehmen beilegt, außerdem Rabatte ab einem bestimmten Bestellwert gewährt und Suchmaschinen bezahlt, die die Sichtbarkeit der Shop Apotheke im Vergleich zu den niedergelassenen Apotheken erhöhen. Geht gar nicht, sagten die französischen Apothekerinnen und Apotheker, das ist nicht mit der Würde des Berufs vereinbar und verleitet die Patienten zu einem Fehl- oder Mehrverbrauch von Arzneimitteln. Auch kostenpflichtige Links in Suchmaschinen oder Preisvergleichsportalen sind im Nachbarland verboten. Die französischen Apothekerinnen und Apotheker zogen vor Gericht. Das Verfahren landete schließlich vor Frankreichs größtem Berufungsgericht. Und das entschied, dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein Vorabentscheidungsersuchen vorzulegen. Was der EuGH in diesem Verfahren entschied, ist nicht ohne. Er stellt nämlich ausdrücklich fest, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, zu bestimmen, auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten wollen und wie sie dieses erreichen. Hierbei sei ihnen ein Wertungsspielraum zuzuerkennen. Der EuGH macht deutlich, dass unter bestimmten Voraussetzungen Werbeverbote möglich seien.

Da auch die französischen Apothekers ähnlich wie wir in Deutschland damit argumentieren, dass die flächendeckende Versorgung in Gefahr sei, wenn sich der Arzneimittelvertrieb auf große Apotheken konzentriere, pocht das Europäische Gericht ebenfalls darauf, Nachweise dafür zu erbringen. Mein liebes Tagebuch, dieser Streit ist noch nicht verloren, das endgültige Urteil noch nicht gesprochen. Die französischen Apothekerinnen und Apotheker können noch den Nachweis erbringen, „dass eine solche Regelung geeignet ist, die Erreichung eines Ziels des Schutzes der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was hierzu erforderlich ist“. Was sagt der Experte zu diesem Urteil? Aus Sicht von Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas sollte die jüngste Entscheidung des EuGH ein Appell an den Gesetzgeber sein, beim Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz nachzubessern. Denn sie zeigt: Die EU-Mitgliedstaaten haben einen Wertungsspielraum, wie sie die Gesundheit ihrer Bevölkerung schützen wollen. Unsere deutsche Regierung sollte da nicht so demütig sein, meint Douglas. Mit dieser jüngsten Entscheidung in der Hand sollte man unmissverständlich klar machen: Wir fühlen uns vom EuGH bestätigt, die Ausgestaltung des deutschen Apothekenwesens selbst zu bestimmen. Mein liebes Tagebuch, so ist es, jetzt müsste unsere Bundesregierung nur noch wollen!



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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7 Kommentare

3 X 1 Vomex oder wie wir mal wieder eine Kernkompetenz abgaben

von Bernd Jas am 04.10.2020 um 22:52 Uhr

Guten Abend Herr Ditzel,
guten Abend fehlende Knötterer,

"... ,wenn da nicht der gesamte bürokratische, digitale und organisatorische Kladderadatsch wären."
Das richtige Stichwort ist hier das "digitale".
Denn das digitale ist gut für die Versender und der bürokratische und der organisatorische Kladderadatsch ist für die öffentliche Apotheke zum abarbeiten gedacht.
Ein Sargnagel mehr für uns und ein Mon Cherie für Mock Dorris.
Und immer schön die Konzentration bei der Rezeptkontrolle halten, und nicht nachlassen, nachlassen, nachlasse.. , nachlass.., nachl.., nach..., .....

Ach ja, und die Pflicht zur Aufbringung der Telefon-Nummern war nur schon mal zum üben. Weiter so, mit Retaxen, Schaffung von Insolvenzen in den Schlüsselpositionen des Geldflusses unter Schonung der KK, rückwirkenden Änderungen der Hilfstaxe usw.

Ihr kriegt uns schon vom Markt.



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AW: 3 X 1 Vomex oder wie wir mal wieder eine

von Heiko Barz am 05.10.2020 um 11:19 Uhr

Zu Ihrem letzten Satz, Kollege, „Ihr kriegt uns ......
Sollte man sich dabei nicht doch überlegen, seine „Bude“ nach Frankreich zu verlegen.
Bald hat nun jedes EU-Land eine bessere pharmazeutische Zukunft zu bieten und das dort sogar mit dem „Segen“ der EU-Kommissionen.
Ich glaube auch nicht, dass Vomex alleine noch ausreicht. Bald werden die üblichen Stimmungsaufheller unsere täglichen Begleiter sein. ( Farce?)

Geht es zukünftig auch anders ?

von Ulrich Ströh am 04.10.2020 um 9:00 Uhr

Pseudoveranstaltung fürs Abnicken feststehender Einzelbewerbungen......

Trefflich formuliert, Herr Ditzel !

Die anstehenden Wahlen bei ABDA ,DAV und BAK erinnern an Wahlen östlich der Elbe.

Kein Wunder, dass es bei uns so wenig junge Bewerber auf Landesebene gibt...

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AW: Östlich der Elbe

von Peter am 04.10.2020 um 9:49 Uhr

Sehr geehrter Herr Ströh,
die Kammerwahlen in Ihrem Bundesland
liefen doch ähnlich ab.
Im Vorwege waren doch schon alle Posten besprochen worden und die gerade neu formierte Kammerversammlung hat das ganze nahezu einstimmig abgenickt.
Also bevor sie Kritik äußern, erst mal vor der eigenen Haustür kehren.

AW: Geht es zukünftig auch anders?

von Ulrich Ströh am 04.10.2020 um 10:05 Uhr

Mach ich ja , lieber Peter,

sitze seit 40 Jahren in der Kammerverammlung von SH. Und kehre gerne.

Ansonsten war Ihre Analyse richtig .

Medienkonsum noch vor dem Sonntagsfrühstück ...

von Christian Timme am 04.10.2020 um 8:30 Uhr

Das hat man davon, wenn man erst WELT und dann DAZ.online liest ... "Und der Niedergang der AvP geht weiter:" und ich lese statt AvP ... AfD. Da helfen auch keine Pillen mehr ...

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.

von Anita Peter am 04.10.2020 um 8:06 Uhr

"Die betroffenen Apotheken brauchen sofort eine solide, langfristige Finanzierung für die ausstehenden Beträge!"

Falsch. Die Apotheken brauchen nicht noch mehr Kreditmühlsteine um den Hals, sondern einen 1:1 Ersatz vom Staat. Oder hilft der Staat mit Rettungsschirmen nur Banken, Griechen und Thomas Cook Urlaubern?

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