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Glycyrrhizin
Anti-COVID-19-Wunder aus der Süßholzwurzel?
Durchaus nachgewiesene pharmakologische Wirkung von Glycyrrhizin
Glycyrrhizin wirkt über seinen Metaboliten, die Glycyrrhetinsäure, die bereits im Verdauungstrakt durch Spaltung des Glycyrrhizins entsteht. Als Inhibitor der 11β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase 2, die das körpereigene Hormon Cortisol in Cortison umwandelt, greift Glycyrrhetinsäure so in das Hormonsystem ein, bewirkt einen erhöhten Cortisol-Spiegel und wirkt damit unter anderem entzündungshemmend.
Bei erhöhter Glycyrrhizin-Zufuhr etwa durch hohen Lakritzkonsum gibt es ein Krankheitsbild, den Pseudo-Hyperaldosteronismus, verbunden unter anderem mit erhöhtem Blutdruck und basierend auf der Verschiebung des Gleichgewichts im Renin-Angiotensin-Aldosteron-System, verursacht durch den erhöhten Cortisol-Spiegel. So gibt es eine empfohlene Höchstmenge der EU-Behörden von 100 mg Glycyrrhizinsäure täglich und eine Kennzeichnungspflicht für Starklakritz: 5.571 mg pro Kilogramm Körpergewicht gelten als toxische Dosis.
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Verbunden mit der Wirkung auf das Immunsystem sind Wirkungen als bekanntes Hustenmittel (Saponine als Schleimlöser) sowie antivirale und antimikrobielle Wirkungen. Auch eine Plasmapersistenz und ein Abbauweg über die Leber sind bekannt. Süßholzextrakt und auch Glycyrrhizin sind daher nicht nur in der Traditionellen Chinesischen Medizin verwendete Wirkstoffe. Unter anderem in Japan wird der entzündungshemmende Effekt und die lange Verweildauer in der Leber genutzt, um etwa Hepatitis-Infektionen zu therapieren.
Reviews mit Spekulationen zu Wirkmechanismen
Im Zusammenhang mit COVID-19 versteigen sich aber gleich mehrere Forscher hauptsächlich zu Spekulationen. Die Forscher Christian Bailly und Gérard Vergoten etwa fassen in ihrem Review „Glycyrrhizin: An alternative drug for the treatment of COVID-19 infection and the associated respiratory syndrome?“, erschienen online bei „Sciencedirect“, mehr oder weniger alles zusammen, was seit den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts zum Thema Glycyrrhizin veröffentlicht worden ist. Damit preisen sie den Wirkstoff als regelrechtes Wundermittel, das von Aids über Influenza bis Hepatitis mehr oder weniger alles kuriert. Dabei beziehen sie sich auch auf eine Veröffentlichung von 2003 im Lancet „Glycyrrhizin, an active component of liquorice roots, and replication of SARS-associated coronavirus“, bei dem eine antivirale Wirkung in vitro gegen den SARS-Erreger SARS-CoV-1 gezeigt wurde. Im Analogschluss gehen sie auch von einer Wirkung gegen den COVID-19-Erreger aus.
Ebenfalls in diesem Review zu finden ist die Spekulation über mögliche Wirkmechanismen. So wurde in diversen Experimenten gezeigt, dass das amphiphile Glycosid Glycyrrhizin an eine ganze Reihe von Proteinen mehr oder weniger fest binden kann. Darunter Rezeptoren wie ACE2 (das Angiotensin-konvertierende Enzym 2), das als Schlüsselenzym für den Eintritt des SARS-CoV-2 gilt, physiologisch auf vielen Geweben vorkommt und wenn es gerade nicht als Schlüssel für Vireneintritte missbraucht wird unter anderem eine Rolle im Renin-Angiotensin-Aldosteron-System spielt.
Die Spekulation, dass deshalb Glycyrrhizin gegen COVID-19 helfen könnte findet sich auch etwa in der Veröffentlichung „Pharmacological perspective: glycyrrhizin may be an efficacious therapeutic agent for COVID-19“ der Forscher Luo, Lio und Li mit dem etwas entlarvenden Zitat: „Although this research was performed in silico using molecular docking, and the in vitro demonstration of an interaction remains to be confirmed, glycyrrhizin might still be considered as a potential treatment for COVID-19 as it has an antiviral effect on SARS-CoV (ACE2 was also a functional receptor for the SARS-CoV).” Die Bindungskapazität wurde somit nur in silico, also im Computer simuliert. Wenngleich moderne computergestützte In-silico-Simulationen von Molekül-Molekül-Interaktionen ein großes mögliches Feld eventueller neuer Wirkstoffe eröffnen kann, ist es an sich wenig evident, eine nicht beobachtete, rein errechnete Interaktion als Beleg in einem Artikel zu verwenden.
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