Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

06.12.2020, 08:00 Uhr

Was bringt uns wohl der Nikolaus? Auf jeden Fall keine Corona-Testkits – die gibt's nur bei dm (Foto: Alex Schelbert)

Was bringt uns wohl der Nikolaus? Auf jeden Fall keine Corona-Testkits – die gibt's nur bei dm (Foto: Alex Schelbert)


Unzufriedenheit mit der Politik und der Standesvertretung: Apothekerin Guttenberger gründete einen neuen Verein, der vor allem mehr Basisnähe will. Arzneimittel-Lieferengpässe: Problem erkannt, man redet darüber, aber rasche Lösungen? Gewählt ohne Gegenkandidaten: Thomas Dittrich ist neuer Chef des Deutschen Apothekerverbands – große Aufgabe, da kommt was auf ihn zu. Simple Testkits zum Nachweis von Antikörpern gegen das Corona-Virus verkaufen: dm darf’s, die Apotheken nicht – kann man das verstehen? Und – ganz magic! – beim Deutschen Apothekerverband startet in wenigen Tagen die digitale Welt. Wie? Noch geheim. Der Nikolaus verrät es bestimmt nicht! 

30. November 2020 

Ein Blick ins Kammergebiet Westfalen-Lippe zeigt, wie die Zahl der Apothekenbetriebe sinkt – und diese Tendenz ist bereits seit 16 Jahren festzustellen. Seither haben 420 Apotheken dauerhaft geschlossen. In diesem Jahr gab’s in diesem Kammergebiet 43 Schließungen und nur sieben Neueröffnungen. Die Zahl der Apotheken ging somit um 36 von 1868 auf jetzt 1832 Apotheken zurück. Mein liebes Tagebuch, da kann man der Kammerpräsidentin Gabriele Overwiening nur zustimmen: Es ist eine alarmierende Entwicklung. Die Gründe dafür sieht die Kammerpräsidentin in einer nicht auskömmlichen Honorierung und in einer völlig überbordenden Bürokratie. Die Kammerpräsidentin spricht sich daher dafür aus, „die für die Corona-Pandemie geltenden Ausnahmeregelungen zu verstetigen“. Gemeint sind damit z. B. die Möglichkeit, Patienten bei Lieferengpässen von Rabattarzneimitteln ein vorrätiges, wirkstoffgleiches Alternativpräparat sofort bei Vorlage des Rezepts in der Apotheke auszuhändigen. Oder bei Lieferengpässen ein Arzneimittel abgeben zu dürfen, das den Festbetrag übersteigt und dessen Mehrkosten die Kassen übernehmen. Diese Forderung ist vollkommen richtig, mein liebes Tagebuch, und da die Kammerpräsidentin ab 1. Januar 2021 die ABDA-Präsidentin ist, gehe ich davon aus, dass sie sich auch um die Verstetigung solcher Ausnahmeregelung sofort nach Amtsantritt kümmern wird.

Sie wird aber nicht die Apothekenschließungen aufhalten können – die Höhe unseres  Apothekenhonorars per se ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Hinzu kommt der demografische Wandel: Fast 500 Inhaber:innen im Kammergebiet Westfalen-Lippe sind 60 Jahre alt oder älter – und der Nachwuchs, der bereit ist, das unternehmerische Risiko für eine Apotheke zu tragen, ist nicht wirklich in Sicht. Mein liebes Tagebuch, das kann man ihm auch nicht übelnehmen. Denn selbst für die jungen Apothekers unter uns, die von zuhause aus eine oder mehrere Apotheken mit in die Wiege gelegt bekommen haben, gibt es in unseren Zeiten keine Erfolgsgarantie. Und immer mehr Nachwuchs-Pharmazeut:innen, die ihr Examen frisch in der Tasche haben, entschließen sich nicht für den Weg in eine Offizin, schon gar nicht in die Selbstständigkeit, wo sie mit ihrem gesamten Prjvatvermögen haften – sie wissen, in der Industrie gibt’s spannende Jobs und sie zahlt besser.

Mein liebes Tagebuch, schade, dass der Apothekerberuf durch Bürokratie und unzureichende wirtschaftliche Bedingungen von seiner Attraktivität her in Schieflage geraten ist. Eigentlich ist doch Apothekerin, Apotheker zu sein, abwechslungsreich und hochattraktiv: Proud to be a pharmacist!



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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5 Kommentare

Bohn

von Karl Friedrich Müller am 06.12.2020 um 20:35 Uhr

Im Vorwort zur neuesten DAZ schreibt Bohn von der (alternativlosen) Flucht nach vorne, von der man nicht weiß, was die bringt oder bringen soll, weil es nicht wirklich Genaues gibt. Der Rückweg und Ausweg bleibt verschlossen durch die (Un-) Taten von Spahn und ABDA. Bei der ABDA auch das konsequente Nichtstun.
Mit drängen sich Bilder auf aus der Zeit der Neandertaler, die Mammutherden über die Klippen trieben in den sichern Tod. Nur, dass wir saturierte Faultiere sind. Und uns eher freuen, wenn einer ..

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AW: Ahnung? Nicht die Bohne!

von Bernd Jas am 06.12.2020 um 22:07 Uhr

Hallo Herr Müller,
schöne Bilder sind das nicht. Aber haben Sie mal gehört was auf dem WEF (Welt Wirtschafts Forum) so bestimmt wird. Ich meine das ist so ´ne Truppe die zwar von niemanden gewählt wurden, aber unser aller Schicksal bestimmen wollen. Corona als Mittel zum Zweck. Digitalisierung auf Teufel komm raus, Rationalisierung der Arbeitswelt auf Teuf.........und Nahrungsmittelsteuerung. Da passen wir einfach nicht mehr ins Bild; und nicht nur wir nicht.
Es wird wenig heiter und mehr als Wolkig.
Kleiner Trost; über den Letzten der zumacht freut sich dann keiner mehr.

AW: Bohn

von Karl Friedrich Müller am 06.12.2020 um 22:48 Uhr

Was mich zugegeben ziemlich irritiert, ist die Tatsache, dass sehr viele Übernahmen, einige Neugründungen neben ein paar Schließungen stattfinden.
Das passt nicht ins Bild, also meines. Offensichtlich sich doch viele Kollegen und Kolleginnen sehr optimistisch und sehen für sich die Möglichkeit einer guten Zukunft, die ich ihnen auch von Herzen wünsche.
Vielleicht bin ich ein zu alter Dinosaurier und zu sehr in meiner Welt verhaftet. Die Digitalisierung ist nicht meine. Das hab ich schon oft gesagt.
Doch bin ich überzeugt, dass der Weg der ABDA der grundverkehrte ist. Er basiert auf Spekulationen. Sonst nichts.

Was ist ein (Wahl-) Aufsatz wert…

von Gunnar Müller, Detmold am 06.12.2020 um 9:49 Uhr

...in dem nur ein Name steht!?!
In Deutsch bekommt man dafür ’ne glatte Sechs – bei der ABDA demnächst ein Präsidentinnen- bzw. ein Vizepräsidentenamt.

Dann wünschen wir den 34 Mitgliedern also am Mittwoch viel Spaß beim erneuen „Zettel-Falten“ - so nannte man bereits die Wahlen in der alten DDR. Vielleicht auch aus eben jener Ermangelung an wirklichen Alternativen…

Dazu kommt: Friedemann Schmidt war nun wahrlich kein Donald Trump – und Gabriele Regina Overwiening ist erst recht kein weiblicher Joe Biden!

Warum sollten wir also euphorisch auf den 9. Dezember schauen?

In ihren bisherigen Amtszeiten in Westfalen-Lippe hat Overwiening nichts unversucht gelassen, die Opposition in Münster entweder mundtot zu machen oder sie aber (bei eigener absoluter Mehrheit.... :-)) so stark mit ihrer eigenen Mehrheits-Vorstandsarbeit zu verbinden, dass eine vorausschauende, lebendige und tatkräftige Problembewältigung mit einem Lächeln abgewürgt wurde.
Die sinkenden Apothekenzahlen auch in Westfalen-Lippe und die unbefriedigenden Ergebnisse ihrer „intensiven Gespräche“ mit den Gesundheitsministern auf Landes- und Bundesebene sprechen Bände.
Und das Verhältnis zur Ärzteschaft: Zwar große mediale ‚Baumberger Gespräche’ — aber ohne nachhaltige Veränderungen an der Basis und für die Basis.
Und ihre vorgeschobenen Bekenntnisse zu Transparenz: reine Fassade. Was erfahren wir in WL von all ihren jahrelangen „Aktivitäten“ in den diversen Gremien und Ausschüssen in Berlin und über den wirtschaftenden „Konzern ABDA“ denn wirklich? Nichts.

Mit GRO als Präsidentin der ABDA wird sich weder die ABDA ändern noch die Uneinigkeit zwischen den Mitgliedsorganisationen noch die Situation der Apothekerschaft insgesamt politisch wie wirtschaftlich noch unser Verhältnis zu den vermeintlich so mächtigen Standeszertretern in Berlin - und umgekehrt.

Also, machen wir uns nichts vor:

Mit GRO ändert sich bei der Apothekerschaft allenfalls die Tonhöhe - aber nicht die Situation. Geschweige denn, dass sie sich verbessern würde.
Alles bleibt, wie es ist. Allenfalls mit mehr Trara, Tamtam - und Pathos.
Na dann viel Spaß ...
P. S. Und falls unsere anderen 33 ABDA-Heldinnen und -Helden ihr eine besondere Vorweihnachtsfreude machen wollen - ein kleiner Tip:
Sie liebt „Einstimmigkeit“ ....

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Was lohnt mehr?

von Ulrich Ströh am 06.12.2020 um 8:54 Uhr

Mit Jens Spahn beim ABDA-Talk sich brav und nett zu unterhalten ist vernünftig, hilft uns aber bei unseren aktuellen Problemen nicht weiter, besonders , wenn es nur Verabschiedungsgespräche sind.

Insofern lohnt der Besuch von www.starkeapotheke.de.
Immerhin 340 Unterstützer bereits.

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