Notfallzulassung für mRNA-1273 von Moderna

USA lassen zweiten Corona-Impfstoff zu

Stuttgart - 21.12.2020, 10:45 Uhr

Die Vereinigten Staaten haben bereits den zweiten Corona-Impfstoff zugelassen. (Foto: imago images / MiS)

Die Vereinigten Staaten haben bereits den zweiten Corona-Impfstoff zugelassen. (Foto: imago images / MiS)


Seit 18. Dezember können die Vereinigten Staaten mit zwei Corona-Impfstoffen gegen COVID-19 impfen: Die FDA erteilte der Moderna-Vakzine mRNA-1273 am Freitag die Notfallzulassung – nur eine Woche nach der Notfallzulassung für BNT162b2 von Biontech/Pfizer. Logistisch bringt mRNA-1273 Vorteile, da die Vakzine auch 30 Tage lang im Kühlschrank stabil ist. BNT162b2 muss bei -70 °C transportiert und gelagert werden.

Auch der Corona-Impfstoff von Moderna, mRNA-1273, hielt der kritischen Überprüfung der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde stand: Die FDA erteilte mRNA-1273 am 18. Dezember die Notfallzulassung. Die Entscheidung war zu erwarten: Die zwei Tage zuvor veröffentlichten Daten zu mRNA-1273, die der FDA vorlagen, hatten zuversichtlich gestimmt und auch das Impfstoffberatergremium der FDA hatte sich am 17. Dezember positiv geäußert. mRNA-1273 darf im Rahmen der Notfallzulassung (EUA, Emergency Use Authorization) nun bei Erwachsenen ab 18 Jahren geimpft werden.

Eine Woche zuvor hatte die FDA bereits der Biontech/Pfizer-Corona-Vakzine die EUA erteilt. BNT162b2 darf bereits bei Jugendlichen ab 16 Jahren geimpft werden. Stephen Hahn, Chef der FDA, verspricht sich durch die beiden nun verfügbaren Corona-Impfstoffe mehr Schlagkraft gegen SARS-CoV-2: „Mit der Verfügbarkeit von zwei Impfstoffen zur Vorbeugung von COVID-19 hat die FDA nun einen weiteren entscheidenden Schritt im Kampf gegen diese globale Pandemie unternommen, die in den Vereinigten Staaten täglich eine große Anzahl von Krankenhausaufenthalten und Todesfällen verursacht“, erklärte Hahn anlässlich der Notfallzulassung von mRNA-1273. Laut Johns Hopkins Universität sind bis 20. Dezember in den Vereinigten Staaten mehr als 17,6 Millionen Menschen positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden, mehr als 316.000 Menschen sind verstorben. Aktuell berichten die USA über 250.000 Neuinfektionen täglich. Nach Angaben der „New York Times“ wurde noch am vergangenen Wochenende mit der Auslieferung der Corona-Impfstoffe begonnen.

Vorteile bei Transport und Lagerung

Gerade hier – bei der Logistik – könnte mRNA-1273 punkten. Die Moderna-Vakzine wird zwar als gefrorene Suspension zwischen -25 °C und  -15 °C geliefert, die Ampullen können aber vor dem ersten Gebrauch bis zu 30 Tage lediglich gekühlt bei 2 °C bis 8 °C in einem Arzneimittelkühlschrank gelagert werden. Ungeöffnete Fläschchen mit mRNA-1273 können sogar bis zu zwölf Stunden zwischen 8 °C und 25 °C aufbewahrt werden. Nachdem die erste Dosis entnommen wurde, sollte die Durchstechflasche zwischen 2 °C und 25 °C gelagert und nach sechs Stunden verworfen werden. Ein Fläschchen enthält zehn Impfdosen. BNT126b2 von Biontech/Pfizer benötigt hingegen anspruchsvollere Transport- und Lagertemperaturen (zwischen -60 °C und -80 °C). Der Impfstoff kann bis zu fünf Tage bei 2 °C bis 8 °C gelagert werden und muss nach Herstellung der injektionsfertigen Impfstoffes innerhalb von sechs Stunden geimpft werden.

Sicherheit und Wirksamkeit belegt

Die Notfallzulassung von mRNA-1273 stützt die FDA auf eine noch andauernde, randomisierte und Beobachter-verblindete Phase-3-Studie (mRNA-1273-P301) zu Wirksamkeit, Sicherheit und Immunogenität von mRNA-1273. Von 30.351 Teilnehmern erhielt die Hälfte (15.181) zwei Dosen mRNA-1273 à 100 µg im Abstand von 28 Tagen, die restlichen Probanden (15.170) erhielten stattdessen intramuskuläre Placebo-Injektionen. Die Studie war multizentrisch angelegt und fand an 99 Studienorten in den Vereinigten Staaten statt. 82,1 Prozent der Teilnehmer hatten ein berufliches Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion, davon waren 25,1 Prozent im Gesundheitswesen tätig.

Gibt es mehr Infizierte unter Placebo oder unter mRNA-1273?

Oberstes Ziel der Studie – der primäre Endpunkt – war die Verhinderung von COVID-19-Erkrankungen mindestens 14 Tage nach der zweiten Dosis. Die Frage, die dahintersteckt: Können mit mRNA-1273 mehr COVID-19-Erkrankungen verhindert werden als mit Placebo-Injektionen? Eine COVID-19-Erkrankung lag laut Studienprotokoll dann vor, wenn der Proband zusätzlich zu einem positiven Nachweis von SARS-CoV-2 (Nasenabstrich, Speichelprobe oder Probe aus den Atemwegen) mittels RT-PCR mindestens zwei der folgenden Symptome berichtete: Fieber (≥38 °C), Schüttelfrost, Muskelschmerzen, Kopfschmerzen sowie neu aufgetretene Geruchs- und Geschmacksstörungen. Oder wenn zu einem positiven PCR-Nachweis mindestens ein respiratorisches Symptom (Husten, Kurzatmigkeit, Atembeschwerden beziehungsweise klinische oder röntgenologische Anzeichen einer Lungenentzündung) vorlag.

94,1 Prozent Impfeffektivität

Hinsichtlich der Wirksamkeit bestand mRNA-1273 die Prüfung: Insgesamt erkrankten 196 Probanden an COVID-19, elf Fälle fanden sich in der Impfstoffgruppe und 185 Corona-Fälle in der Placebogruppe. Die Impfwirksamkeit liegt somit bei 94,1 Prozent (ausgewertet wurden 28.207 Probanden, 14.134 hatten mRNA-1273 erhalten und 14.073 Placebo).

Die Wirksamkeit von mRNA-1273 war bei älteren Menschen geringer als bei jüngeren. Während bei 18- bis 64-Jährigen mRNA-1273 COVID-19 zu 95,6 Prozent verhinderte, gelang dies bei über 65-Jährigen bei 86,5 Prozent.

mRNA-1273 scheint auch schwere Verläufe zu verhindern

Von den insgesamt 196 Corona-Fällen in der Studie erkrankten 30 Patienten schwer – alle hatten Placebo erhalten. Allerdings räumt die FDA ein, dass nach Analyse der 196 Fälle auch ein mRNA-1273-Patient schwer an COVID-19 erkrankte, man warte auf die Bestätigung. [Von einem „schweren“ COVID-19-Verlauf im Sinne des Studienprotokolls wird gesprochen, wenn ein COVID-19-Patient mindestens ein zusätzliches Symptom wie Anzeichen einer schweren systemischen Erkrankung (u. a. erhöhte Herzfrequenz 125 Schläge/Minute; Sauerstoffsättigung höchstens 93 Prozent), Atembeschwerden (die Sauerstoff, nicht invasive oder maschinelle Beatmung, ECMO erfordern), Anzeichen eines Schocks hat oder akute Nieren-, Leberfunktions- oder neurologische Störungen auftreten, eine intensivmedizinische Versorgung erforderlich wird oder der Patient stirbt.] 
Der Studie zufolge erkrankten nach zwei Dosen mRNA-1273 folglich nicht nur weniger Menschen an COVID-19, es erkrankten auch weniger Patienten schwer.

Welche Nebenwirkungen verursacht mRNA-1273?

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen traten in der Impfstoffgruppe häufiger auf als bei Placeboprobanden. Allerdings war das Verhältnis derjenigen, die schwere Nebenwirkungen erlitten, starben oder aufgrund von Nebenwirkungen die Studie verließen, zwischen den beiden Versuchsarmen ausgeglichen. Lokale unerwünschte Wirkungen – wie Schmerzen an der Injektionsstelle, Rötung oder Schwellung – berichteten 84,2 Prozent nach der ersten Impfdosis mRNA-1273 und 88,8 Prozent nach der zweiten, in der Placebogruppe waren es mit 19,8 Prozent und 18,8 Prozent deutlich weniger. Bei den meisten traten die Beschwerden an der Injektionsstelle innerhalb eines Tages auf und verschwanden sodann nach zwei (Dosis 1) und drei (Dosis 2) Tagen wieder. Keine der lokalen Beschwerden machte eine Krankenhausbehandlung (Grade 4) erforderlich. Die häufigste unerwünschte Wirkung war mit 91,6 Prozent Schmerzen an der Injektionsstelle.

Müdigkeit, Kopfschmerzen und Muskelschmerzen

Bei den systemischen Nebenwirkungen dominierten Müdigkeit (68,5 Prozent vs. 36,5 Prozent Placebo), Kopfschmerzen (63,0 Prozent vs. 36,5 Prozent Placebo), Muskelschmerzen (59,6 Prozent vs. 20,1 Prozent Placebo), Gelenkschmerzen (44,8 Prozent vs. 17,2 Prozent Placebo) und Schüttelfrost (43,4 Prozent vs. 9,5 Prozent Placebo). Die meisten Nebenwirkungen waren leichter bis mittelschwerer Natur, sie dauerten einen (erste Dosis) und zwei (zweite Dosis) Tage an. Nur 0,2 Prozent bis 9,7 Prozent der unerwünschten Ereignisse wurden als schwerwiegend eingestuft. Es gab keine anaphylaktischen Reaktionen, es wurden jedoch zahlenmäßig mehr Überempfindlichkeitsreaktionen in der mRNA-1273-Gruppe berichtet als in der Placebogruppe (1,5 Prozent vs. 1,1 Prozent).

Todesfälle nicht häufiger als in der allgemeinen Bevölkerung

Es kam zu drei Fällen einer Lähmung des Gesichtsnervs (Fazialisparese, Bell`s Palsy) in der Impfstoffgruppe und einem in der Placebogruppe, Kausalität zur Impfung konnte nicht belegt werden. Bis zum 3. Dezember 2020 wurden laut den der FDA vorliegenden Daten insgesamt 13 Todesfälle in der Studie berichtet (sechs unter mRNA-1273, sieben unter Placebo). Diese Todesfälle repräsentierten Ereignisse und Raten, die in der allgemeinen Bevölkerung von Personen in diesen Altersgruppen auftreten, liest man in dem Dokument. Die Häufigkeit der nicht-tödlichen schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse war gering und ohne signifikanten Unterschied zwischen Impfstoff und Placebo (je 1 Prozent).

Mehr Nebenwirkungen nach zweiter Dosis

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen wurden nach der zweiten Impfdosis häufiger berichtet als nach der ersten. Diese Beobachtung machte die FDA bereits bei der Biontech/Pfizer-Vakzine. Laut den Studienergebnissen kam es bei Biontech/Pfizer zu etwas weniger Nebenwirkungen, auch wenn man die Studien nicht direkt miteinander vergleichen kann. Bei BNT162b2 waren die häufigsten unerwünschten Ereignisse Reaktionen an der Injektionsstelle (84,1 Prozent), Müdigkeit (62,9 Prozent), Kopfschmerzen (55,1 Prozent), Muskelschmerzen (38,3 Prozent), Schüttelfrost (31,9 Prozent), Gelenkschmerzen (23,6 Prozent), Fieber (14,2 Prozent). Schwere unerwünschte Reaktionen traten bei bis zu 4,6 Prozent der Teilnehmer auf.

Das Ärzteblatt vermutet, dass die geringere Zahl der Nebenwirkungen bei BNT162b2 der Dosis geschuldet sein könnte. So enthält der Moderna-Impfstoff 100 µg, die Biontech/Pfizer-Vakzine 30 µg Wirkstoff. Die Corona-Vakzine CVnCoV des Tübinger Biotech-Unternehmens Curevac wird derzeit in einer noch geringeren Dosierung mit 12 µg untersucht.

Wird eine Ansteckung verhindert?

Ob mRNA-1273 auch die Verbreitung von SARS-CoV-2 und die Ansteckung verhindert und wie lange der Impfschutz anhält, lasse sich anhand der verfügbaren Daten nicht ableiten, erklärt die FDA. Die STIKO (Ständige Impfkommission) äußerte sich jedoch zuversichtlich. Auch bei anderen Infektionskrankheiten sei es durch Impfungen gelungen, diese einzudämmen. „Die Wirksamkeit anderer Impfstoffe hinsichtlich der Verhinderung der Transmission von Virus durch Geimpfte lässt mit Berechtigung vermuten, dass auch durch die COVID-19-Impfstoffe die Transmission von SARS-CoV-2 in der Bevölkerung reduziert wird“, so die STIKO in ihren „STIKO-Empfehlungen zur COVID-19-Impfung“.

Eine Impfserie mRNA-1273 umfasst zwei Dosen, die intramuskulär im Abstand von 28 Tagen verabreicht werden. Der Impfabstand ist bei BNT162b2 mit 21 Tagen zwischen zwei Dosen eine Woche kürzer. Die EMA will am 6. Januar ihre Entscheidung zu mRNA-1273 bekannt geben.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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