Gemeinsam gegen Corona

Apothekerinnen retten Impfaktion

Berlin - 30.12.2020, 17:50 Uhr

Dank Apothekerin Simon kam er pünktlich an: der COVID-19-Impfstoff von Biontech/Pfizer. (c / Foto: Ute Simon)

Dank Apothekerin Simon kam er pünktlich an: der COVID-19-Impfstoff von Biontech/Pfizer. (c / Foto: Ute Simon)


Das Erfolgsrezept

Beeindruckend sei gewesen, wie alle Beteiligten schnelle und unkonventionelle Lösungen für alle auftretenden Probleme gefunden hätten. Kolleg:innen aus verschiedenen Apotheken und Gesundheitsberufler:innen unterschiedlicher Professionen standen fest zusammen und zogen an einem Strang, sagt Simon. Die Hürden, die oft im Gesundheitswesen unüberwindbar scheinen, spielten plötzlich keine Rolle mehr. „Wenn es etwas Gutes an Corona gibt, dann dass die Menschen zusammenhalten.“ So habe etwa ein Restaurant geschwind die nötigen Tabletts vorbeigebracht, als auffiel, dass eine Ablage für die fertig aufgezogenen Spritzen fehlte. „Wir leben in einem kleinen Ort, hier fällt das unter Nachbarschaftshilfe.“

Das Spritzen-Dilemma

Als sich andeutete, dass die Rekonstitution und Applikation des Impfstoffs nicht wie in der Schulung gelernt möglich sein würde, hatte Apothekerin Scheppe die zündende Idee. So sollte der Impfstoff von Biontech/Pfizer eigentlich mit einer 1 ml-Spritze verabreicht werden. Das Land hatte sich jedoch mit 2 ml Spritzen bevorratet. Schnell deutete sich an, dass Spritzen mit dem benötigten Fassungsvolumen nicht zeitnah in ausreichender Menge zu beschaffen sein würden. Was nun? 2 ml-Spritzen seien keine passable Alternative gewesen, so Simon. Denn die zu applizierende Menge beträgt bei dieser Vakzine 0,3 ml – eine Menge, die mit einer 2 ml-Spritze kaum mit akzeptabler Präzision aufzuziehen sei, von der Entlüftung ganz abgesehen.

Und so kratzten die Apotheken aus dem Umland rasch alle verfügbaren Insulinspritzen zusammen, die noch an Lager waren und mit denen eine exakte Dosierung möglich sei. „Wir haben gleich gesagt: Wir haben Erfahrungen mit Lieferengpässen, lasst uns das machen.“ Und nicht nur damit konnten die Apothekerinnen punkten: „Die Ärzte haben zeitweise in unserer Nähe gesessen und zugeschaut, wie wir bei der Rekonstitution des Impfstoffs vorgegangen sind“, sagt Simon. „Das schafft Verständnis für die pharmazeutische Handarbeit, die wir leisten.“ Und auch für die Bevölkerung sei spürbar gewesen: Die Apotheke bringt uns Schutz. „Das Feedback der Menschen in den Heimen war toll. Wir haben sehr viel Dankbarkeit gespürt.“ Auch in der Offizin sprachen Kund:innen sie auf einen entsprechenden Bericht in der Lokalpresse an.

Worauf ist zu achten?

Für Kolleg:innen, denen der Impfstart noch bevorsteht, hat Simon einige Tipps. „Zunächst ist es ganz wichtig, dass die Heime darauf hingewiesen werden, vorab schon Einverständniserklärungen von den Heimbewohner:innen oder gegebenenfalls ihren Angehörigen sowie von den Mitarbeitenden im Heim einzuholen“, betont sie. Daran ließe sich dann auch schon abschätzen, wie viele Impfstoffdosen benötigt werden. Dann gelte es, einen Termin mit den Impfärzt:innen, Praxishelfer:innen und Apotheker:innen zu finden. Für die Rekonstitution sei ein abgeschlossener Raum erforderlich, in dem aseptisches Arbeiten möglich ist. Material wie Kanülenbox, Zelletten und Tabletts sollte frühzeitig organisiert werden. „Idealerweise gibt es einen konkreten Ansprechpartner, der die Koordination übernimmt“, rät Simon.

Gesellt sich zu der besonnenen Planung ein gesundes Maß an Improvisationstalent und Ideenreichtum, steht einer gelungenen Impfaktion nichts mehr im Weg. Vielleicht, so hofft Simon, bleibt von dem sich dabei entwickelnden Gemeinschaftsgefühl mit anderen Gesundheitsberufler:innen letztlich auch im Alltag noch etwas übrig – zum Wohl der Patient:innen.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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