Burda erwirkt einstweilige Verfügung

Google und BMG müssen Zusammenarbeit stoppen – vorläufig

Berlin - 10.02.2021, 12:00 Uhr

Google und das Bundesgesundheitsministerium dürfen vorerst nicht kooperieren. Das Landgericht München sieht darin einen Verstoß gegen das Kartellrecht. (Foto: IMAGO / ZUMA Wire)

Google und das Bundesgesundheitsministerium dürfen vorerst nicht kooperieren. Das Landgericht München sieht darin einen Verstoß gegen das Kartellrecht. (Foto: IMAGO / ZUMA Wire)


Der Deal zwischen Google und dem Bundesgesundheitsministerium, der dafür sorgt, dass Google bei einer Suche nach Krankheitsbildern die Informationen des BMG-Portals gesund.bund.de besonders prominent platziert erscheinen, stand von Anfang an unter Beschuss. Unter anderem der Burda-Konzern ging juristisch gegen die Kooperationspartner vor. Nun hat das Landgericht München die Zusammenarbeit vorläufig untersagt – sie sei kartellrechtswidrig. Das letzte Wort ist damit aber nicht gesprochen.

Im November hatte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) eine Kooperation mit dem Internetmonopolisten bekannt gegeben. Das Ziel von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU): Die eigenen Informationen des nationalen Gesundheitsportals gesund.bund.de – angepriesen als „unabhängig, wissenschaftlich belegt und leicht verständlich“ – sollten bei der Google-Suche nach Krankheiten oder Symptomen nicht auf den hinteren Plätzen der Trefferliste landen. Es hagelte umgehend von vielerlei Seiten Kritik, sie kam unter anderem aus der Verlagsbranche, die sich nun mit ihren eigenen Angeboten im Hintertreffen sah. Aber auch vom Bund der Steuerzahler, aus der Opposition und von Arzneimittelherstellern weht Spahn ein scharfer Wind entgegen.

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Auch Hubert Burda Media missfällt die Kooperation – der Medienkonzern ist besorgt um seine eigenen Gesundheitsangebote und will die Bevorzugung des staatlichen Portals bei der Google-Suche nicht hinnehmen. Mit seinem Informationsportal Netdoktor.de zog er daher – zunächst im Eilverfahren – vor das Landgericht München. Einer der Vorwürfe: Google handele in seiner Monopolisten-Position marktmissbräuchlich und das BMG leiste dazu Beihilfe. BMG und Google sind sich hingegen keiner Schuld bewusst. Das Ministerium meint, es werde nur seiner staatlichen Informationsaufgabe gerecht. Eine kartellrechtlich relevante Absprache streiten die Partner ab.

Nachdem im Januar eine mündliche Verhandlung vor dem Landgericht stattfand, fielen am heutigen Mittwoch die beiden Entscheidungen – eine gegen Google Ireland Ltd., eine gegen die Bundesrepublik, vertreten durch das BMG. Die auf Kartellrecht spezialisierte 37. Zivilkammer des Landgerichts München I hat dem BMG und Google vorläufig eine Zusammenarbeit untersagt, die darauf gerichtet ist, bei der Google-Suche nach Krankheiten prominent hervorgehobene Infoboxen (sogenannte Knowledge Panels) mit Gesundheitsinformationen anzuzeigen, die aus den Inhalten des Nationalen Gesundheitsportals des BMG (gesund.bund.de) gespeist und mit einem Link zu diesem Portal versehen sind.

Gericht bejaht Kartellrechtsverstoß

Das Gericht nimmt einen Kartellrechtsverstoß an. Laut einer Pressemitteilung des Gerichts führt die Vorsitzende Richterin, Dr. Gesa Lutz, in ihrer mündlichen Urteilsbegründung aus, dass der Betrieb des Nationalen Gesundheitsportals durch das BMG keine rein hoheitliche Tätigkeit sei, sondern eine wirtschaftliche, die anhand des Kartellrechts zu prüfen sei. Das BMG sei mit Google eine Vereinbarung eingegangen, die eine Beschränkung des Wettbewerbs auf dem Markt für Gesundheitsportale bewirke. Denn die bestmögliche Position auf der Ergebnisseite der Google-Suche, nämlich die neu geschaffene, prominent hervorgehobene Position „0“ in der Infobox, stehe privaten Anbietern von Gesundheitsportalen von vornherein nicht zur Verfügung.

Medien- und Meinungsvielfalt in Gefahr

Als Betreiber eines Gesundheitsportals sei Netdoktor aber in besonderem Maße davon abhängig, auf der Suchergebnisseite der Google-Suche eine gute Sichtbarkeit zu erzielen – da rund 90 Prozent der Nutzer über eine Google-Suche bei Netdoktor landeten, so die Richter. „Diese Sichtbarkeit wird stark eingeschränkt, weil die Infoboxen die Aufmerksamkeit der Nutzer von den allgemeinen Suchergebnissen ablenken und auf sich ziehen. Damit stillen sie das Informationsbedürfnis der Nutzer bereits vielfach. Dies führt zu einer Verringerung des Nutzeraufkommens bei Netdoktor und damit potenziell auch zu einem Verlust von Werbeeinnahmen, mit denen Netdoktor als privater Anbieter sein Portal finanziert.“

Die Zusammenarbeit von Google und dem BMG sei auch nicht wegen „qualitativer Effizienzgewinne“ ausnahmsweise zulässig, so das Gericht weiter, etwa wegen einer Verringerung des Suchaufwands für die Nutzer oder einer Verbesserung der Gesundheitsaufklärung der Bevölkerung durch die Infoboxen. Denn etwaige mit der Zusammenarbeit verbundene Vorteile wögen jedenfalls nicht die Nachteile auf. „Diese liegen insbesondere in einer möglichen Verdrängung der seriösen privaten Gesundheitsportale und in der damit verbundenen drohenden Reduzierung der Medien- und Meinungsvielfalt“, führt die Richterin aus.

Sinkende Klickzahlen begründen Dringlichkeit

Die Kammer bewertete die Anträge auf Erlass der einstweiligen Verfügungen auch als dringlich. Netdoktor habe glaubhaft gemacht, dass sich die geringere Sichtbarkeit bei einigen besonders oft gesuchten Krankheiten seit Beginn der Zusammenarbeit von Google und dem BMG bereits in rückläufigen Klickraten ausgewirkt habe. Den daher zu befürchtenden Verlust von Werbeeinnahmen müsse das Unternehmen nicht abwarten, ehe es gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen kann.

Nicht zu entscheiden hatte die Kammer übrigens über die Frage der Zulässigkeit des Nationalen Gesundheitsportals als solches. Der hierauf zielende Antrag von Netdoktor wurde nach einem Hinweis der Kammer zurückgenommen. Ein weiterer Antrag, der auf einseitiges marktmissbräuchliches Verhalten von Google gestützt war, wurde aus formellen Gründen zurückgewiesen.

Die Urteile sind nicht rechtskräftig. Das BMG und Google können Rechtsmittel einlegen – und das ist sicherlich auch zu erwarten. Endgültige Klärung brächten erst Hauptsacheverfahren, doch diese sind nach Auskunft des Gerichts derzeit nicht beim Landgericht München I anhängig.

Burda und auch der Wort & Bild Verlag sehen Pressefreiheit gestärkt

Bei Burda freut man sich über die Urteile: Philipp Welte, der im Vorstand für Netdoktor zuständig ist, erklärte, sie seien „ein wichtiger Schritt in einem grundsätzlichen Verfahren, in dem nichts weniger als die Freiheit der Presse verhandelt wird“. Indirekt subventioniere das BMG mit Steuergeldern die Vermarktung des Suchmonopolisten Google, „der neben dem staatlichen Medienangebot ungerührt Werbung verkauft“. Welte weiter: „Diese Mesalliance zwischen der Regierung und dem Monopolisten Google ist fatal, weil sie den freien Wettbewerb außer Kraft setzt und Hand anlegt an ein zentrales demokratisches Prinzip unseres politischen Systems.“

Erfreut ist man über die Urteile auch beim Burda-Konkurrenten Wort & Bild Verlag. Sie seien „ein großer Erfolg für die Pressefreiheit“, erklärte Andreas Arntzen, Vorsitzender der Geschäftsführung. „Zu Recht wird die Kooperation zwischen dem BMG und Google zur Priorisierung der Inhalte des BMG in der Google-Suche unterbunden.“ Das stimmt den Wort & Bild Verlag zuversichtlich – hat er doch selbst eine einstweilige Verfügung gegen das BMG beantragt. Noch ist dieses Verfahren beim Landgericht Berlin anhängig. Arntzen: „Das heutige Urteil zeigt, dass die Pressefreiheit in diesem Land weiterhin einen hohen Stellenwert hat und die Gewaltenteilung mit den Gerichten als unabhängiger Kontrollinstanz der Regierung funktioniert.“

Im BMG ist man hingegen zurückhaltender: Man nehme die Urteile „zur Kenntnis“. Nach Auswertung der Entscheidung werde das BMG über die weiteren Schritte entscheiden, so ein Sprecher. Auch hier betont man, dass das Angebot des Nationalen Gesundheitsportals als solches von diesem Urteil unberührt bleibe.

Urteile des Landgerichts München I vom 10. Februar 2021, Az. 37 O 15721/20 und 37 O 15720/2.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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2 Kommentare

Einstweilige Verfügung von BURDA gegen BMG und Google

von Robert Huber am 11.02.2021 um 7:04 Uhr

Der Pyrrhussieg von BURDA wird nicht nachhaltig wirken. Wenn ein Verlag seine Pfründe der Werbeeinnahmen nur mit einstweiligen Verfügungen gegen den Informationswillen eines Bundesministeriums sichern kann, so ist es nur eine Frage der Zeit, dass sich immer mehr Leser bzw Konsumenten von diese Verlag abwenden werden.
Der Verlag BURDA sollte statt dessen versuchen durch Qualität und kompetentes Angebot zu überzeugen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Einstweilige Verfügung von BURDA gegen

von Gregor Jahn am 11.02.2021 um 10:09 Uhr

Lieber Herr Huber,

natürlich haben Sie recht mit der Aussage, dass ein Verlag mit Qualität und Kompetenz seiner Leser gewinnen sollte.

Das gilt aber auch für das BMG. Und zu glauben, dass man schon mit guter fachlicher Arbeit bestehen kann, ist - vorsichtig ausgedrückt - ein etwas zu simples Bild davon, wie Medien Marktanteile erkämpfen oder auch nicht.

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