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Inhalation bei COVID-19
Kochsalznebel senkt Ansteckungsrisiko
Natriumchlorid-Lösung wäre wahrhaftig eine willkommene Geheimwaffe im Kampf gegen SARS-CoV-2: Sie ist weltweit verfügbar, muss keine Zulassungshürden überwinden, ist praktisch frei von Nebenwirkungen und obendrein noch billig. Doch die Erwartungen an ihre Effekte beim Gurgeln, Spülen und Sprühen wurden bereits gedämpft. Nun erinnern Pulmologen an eine 16 Jahre alte Studie, nach der die Inhalation von isotonischer Kochsalzlösung über einen Vernebler die Virenlast in der Ausatemluft um mehr als zwei Drittel senken kann. Was bedeutet das für die Praxis?
Das Gurgeln mit Kochsalzlösung wurde schon während der Spanischen Grippe 1918 empfohlen. Aber schützt es 100 Jahre später auch vor Corona? Diese Frage muss leider mit Nein beantwortet werden. Ebenso wenig bietet das regelmäßige Spülen oder Besprühen der Nasenschleimhaut mit isotonischer Natriumchlorid-Lösung einen verlässlichen Schutz vor einer Ansteckung. Dafür gibt es Hinweise darauf, dass die Befeuchtung der Nasenschleimhaut mit Kochsalzlösung Menschen helfen kann, sich schneller von einer Viruserkrankung zu erholen.
Gurgeln besser als nichts?
Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) empfiehlt, das Gurgeln mit einem Schnapsglas Kochsalzlösung („ein gestrichener Teelöffel Kochsalz in 100 ml lauwarmem Wasser“), wenn möglich dreimal täglich. Diese Maßnahme kommt nach Ansicht der DGKH vor allem für Schulen und Kindergärten in Betracht. Risiken sind nicht zu erwarten. Das Gurgeln mit Kochsalzlösung ist ähnlich wirksam wie mit grünem Tee, aber weniger effektiv als das Gurgeln mit Mundwässern auf Basis ätherischer Öle oder 1,25-prozentiger PVP-Iod-Lösung.
Vernebeln ist besser
Auch die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) bekennt sich offiziell zu Kochsalzlösung als Strategie, um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen. Inhaliert über einen elektrischen Vernebler kann sie zwar nicht den Anwender selbst, wohl aber seine Mitmenschen vor einer Infektion schützen. In einem Positionspapier vom April 2020 konstatiert die DGP, dass „eine einfache isotone Kochsalzinhalation die Abgabe von Bioaerosolen aus der Lunge für bis zu sechs Stunden um durchschnittlich 72 Prozent vermindert“. Zitiert wird eine Studie von Edwards et al. aus dem Jahr 2004, die in Zusammenarbeit des hessischen Unternehmens GS Bio-Inhalation GmbH mit der Harvard-Universität in Boston, USA, entstanden ist. Hintergrund: Etwa die Hälfte der Menschen sind sogenannte „high producer“, das heißt, sie geben innerhalb von sechs Stunden besonders viele (mehr als 500) Partikel pro Liter Atemluft ab, die Viren enthalten können. Auf diese Weise sind „high producer“ wohl für 98 Prozent der durch Tröpfcheninfektion übertragbaren Infektionskrankheiten verantwortlich.
Was kann Kochsalzlösung bewirken?
Damit Aerosole überhaupt infektiös sein können, müssen sie Tröpfchen enthalten, die kleiner sind als 1 μm. In dieser Größe sind die Partikel klein genug, um tief in die kleinsten Atemwege, die Bronchiolen und Alveolen, zu gelangen, aber groß genug, um Viren einzuschleusen. Das Virus SARS-CoV-2 ist zwischen 60 und 140 nm groß. Die Inhalation von Kochsalzlösung über einen Vernebler erhöht die Oberflächenspannung des Flüssigkeitsfilms auf den Atemwegsepithelien und begünstigt laut Edwards et al. das Anwachsen der Partikel auf mehr als 10 µm. Die Aerosol-Tröpfchen in der Ausatemluft werden so schwer, dass sie in den oberen Atemwegen hängen bleiben. Ergo wird weniger virusbeladenes Aerosol ausgeatmet und der Patient ist weniger infektiös. Dieser Effekt stellt sich laut Studienautoren bereits nach einer sechsminütigen Inhalation ein und hält bis zu sechs Stunden an.
Im Krankenhaus bewährt
Thomas Voshaar, Vorsitzender des Verbands Pneumologischer Kliniken (VPK), setzt als Chefarzt der Lungenklinik Bethanien in Moers schon lange auf Inhalationen mit 0,9-prozentiger Kochsalzlösung bei COVID-19-Patienten: „Alle in unserer Klinik behandelten COVID-19-Patienten inhalieren eine physiologische Kochsalzlösung über einen Vernebler, um die Abgabe von Aerosolen zu reduzieren und damit die Virenlast in der Ausatemluft zu verringern.“ Der Erfolg in Kombination mit anderen bekannten Schutzmaßnahmen kann sich sehen lassen: Während der ersten Welle hatte sich kein Krankenhaus-Mitarbeiter über einen COVID-Patienten angesteckt, obwohl die Patienten nicht intubiert wurden, sondern selbstständig atmeten. An diesem Konzept habe man auch während der zweiten Welle festgehalten, bestätigt Voshaar.
Auch eine Maßnahme für Zuhause?
Voshaar hatte als Ko-Autor des Positionspapiers der DGP angeregt, die inhalative Anwendung von Kochsalzlösung bei COVID-Patienten im stationären Umfeld als Empfehlung aufzunehmen. „Im Krankenhaus kommt hinzu, dass man NaCl natürlich für die Verneblung gut mit einem Betamimetikum kombinieren kann.“ Viele der Patienten reagierten sogar auf die Bronchospasmolyse, obwohl sie keine bekannte Vorerkrankung wie COPD oder Asthma bronchiale haben. „Das untersuchen wir gerade systematisch.“ Ob sich diese Maßnahme auch zu Hause lohnt? „Es sollte sich niemand extra privat ein Inhalationsgerät zu diesem Zweck kaufen, aber wenn vorhanden, ist die Nutzung sinnvoll.“
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