Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

07.03.2021, 08:00 Uhr

Arbeitest du noch oder testest du schon? (Foto: Alex Schelbert)

Arbeitest du noch oder testest du schon? (Foto: Alex Schelbert)


Es ist die Woche der Schnell- und Heimtests! Während wir noch versuchen, die fünf Öffnungsschritte zur schrittweisen Öffnung des Lockdowns zu verstehen, fragen wir uns, ob wir ab Montag von Bürgerinnen und Bürgern überrannt werden, die ihren vom Gesundheitsminister angekündigten Gratis-Schnelltest bei uns einfordern – den wir Apothekers noch gar nicht flächendeckend anbieten können. Außerdem gibt’s noch keinen Abrechnungsmodus für die jetzt vergüteten goldene-Nase-verdächtigen 6+12 statt wie vorher 9+9 Euro. Und dm will auch noch mittesten. Aber es gibt ja auch noch Heimtests für Zuhause. Und damit die Schnell- und Heimtests nicht ausgehen, gibt’s eine neue Taskforce – mit Spahn und Scheuer im Duett. Und wir dachten, das soll endlich mal funktionieren.

1. März 2021

Ein Minus von 17,4 Prozent bei GKV-Rezepten im Vergleich zum Vorjahr – mein liebes Tagebuch, das ist nur eine Auswirkung des Lockdowns auf die Apotheken. Ein schmerzhafter Einbruch. Woran liegt’s? Standen die Menschen noch vor einem Jahr vor den Apotheken Schlange, hat sich das Bild längst geändert: Die Menschen gehen weniger zum Arzt. Für die Apotheken bedeutet dies weniger Rezepte. Hinzukommen mehr Ausgaben für Corona-Schutzmaßnahmen in den Apotheken (Plexiglaswände, Schutzmasken fürs Team, Desinfektionsmittel etc.) – die Pandemie belastet die Apotheken auch finanziell. Und im Gegensatz zu Arztpraxen können sie keine 6,41 Euro pro Patient für „erhöhte Hygienemaßnahmen im Rahmen der Covid-19-Pandemie“ mit den Kassen abrechnen. Da wäre es doch ein Zeichen unseres Bundesgesundheitsministers gewesen, wenn er sich dafür ausgesprochen hätte, die Laien-Schnelltests apothekenpflichtig zu machen – allein schon wegen der notwendigen Beratung…

 

Schnelltests für alle –  Spahns vollmundige Ankündigung nach dem Muster Freibier für alle konnte so nicht stehen bleiben. Klar, da musste eine Präzisierung her. Nun hat das Bundesgesundheitsministerium noch mal nachgedacht und schlägt vor, zwei kostenlose Schnelltests pro Woche für alle Bürgerinnen und Bürger zu spendieren – heißt es zumindest in einem Diskussionspapier des Ministeriums zum Wochenbeginn. Im Lauf der Woche wird daraus nur noch ein Gratis-Schnelltest pro Woche für alle. Unter Schnelltests versteht man dabei solche Tests, die von geschultem Personal abgenommen werden, zum Beispiel in Testzentren, in Apotheken, Arztpraxen oder anderen Dienstleistern. Als Vergütung hat das Ministerium – und jetzt aufgepasst! – bis zu 6 Euro pro Schnelltest und 12 Euro für den Abstrich und das Ausstellen eines Testzeugnisses kalkuliert. Richtig Klasse, mein liebes Tagebuch, bis jetzt gab es nur 9 + 9 Euro pro Test und dann soll’s auf einmal wahnsinnige 6 + 12 Euro geben! Da hat sich doch Bahnbrechendes in der Vergütung geändert, oder? Hat da vielleicht Jens Spahn zusammen mit Andi Scheuer neue Berechnungen angestellt? Mal im Ernst, mein liebes Tagebuch, von Apotheken, die bereits Testzentren betreiben, weiß man, dass man mit dieser Vergütung drauflegt. Man kann allenfalls eine schwarze Null schreiben, wenn man die Tests in größerem Umfang durchführen kann. Also mit 5 bis 10 Tests pro Tag kommt man mit dieser Vergütung von 18 Euro auf keinen grünen Zweig, da tut man allenfalls etwas für die Ehre. Denn der Aufwand für eigene Räume, für eine Buchungs-Software, für Schutzkleidung usw. ist immens. Dabei wäre es doch wirklich sehr schön, wenn sich möglichst viele Apotheken an diesen bundesweiten Schnelltest-Aktionen beteiligen könnten und würden. Immerhin sollen, so die Planung des Ministeriums, diese „Bürgertests“ erstmal bis Ende Juni angeboten werden.

 

Übrigens, nur so mal zum Vergleich: Auch unser Nachbar Frankreich testet, testet, testet. Fast an jeder Ecke von Paris kann man sich testen lassen, berichtet die Stuttgarter Zeitung. Meist organisieren unsere französischen Kolleginnen und Kollegen die Tests unmittelbar vor ihren Apotheken. Und das machen sie gerne: Der Staat zahlt ihnen pro Test – Achtung, liebe deutschen Apothekers, nicht traurig werden – ordentliche 34 Euro pro Abstrich. Allerdings, all die Tests scheinen nicht wirklich ein Ausweg aus der Pandemie zu sein. Und deshalb muss auch in Frankreich mehr geimpft werden. Die Regierung hat das erkannt: Künftig soll der Impfstoff nicht nur in Impfzentren und Arztpraxen verabreicht werden – sondern auch in Apotheken. Mein liebes Tagebuch, wie lange wird es dauern, bis diese Erkenntnis bei uns ankommt?



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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6 Kommentare

„Wenn sich die Last auf mehrere Schultern verteilt ...

von Gunnar Müller, Detmold am 07.03.2021 um 19:37 Uhr

... schmerzt vielleicht die geringe Vergütung weniger. Aber der Dank der Kommunen und der Bevölkerung wäre den Apotheken gewiss“ (???)
Könnte „unsere“ ABDA-Präsidentin nicht perfider formuliert haben...

Tja, lieber Tagebuchschreiber, die Hoffnung stirbt offenbar auch bei Ihnen zuletzt und ersetzt so manch ansonsten richtiges Argument.
Und wenn bereits Schwerter zu Pflugscharen wurden - warum also nicht auch Apotheken zu Testzentren. Zwar durchaus unterbezahlte aber vor allem: unterbeschäftigte MitarbeiterInnen gibt es ja gem. DAV-Experise „weniger Rezepte“ offenbar zuhauf (in Berlin ist man offenbar der Meinung, dass wir in den Apotheken nach Rezepten beschäftigt und bezahlt werden!!) ...

Nach Pneumokokkenimpfungs-, Corona-Impfstoff-, Masken- und Coupondesaster also nun die nächste Sau, die die Politik durchs Dorf treibt!

Und immer noch kommen die Menschen mit einem viel zu spät zugestellten Coupon 1 in die Apotheken.
Bin schon auf die ALG-II-Empfänger ab Montag gespannt, die lediglich max. 3 Wochen Zeit hatten, ihre Masken abzuholen, und nun leer ausgehen, da auch ihr Termin überschritten ist...
Aber darüber redet offenbar keiner.

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Logik?

von Reinhard Rodiger am 07.03.2021 um 12:11 Uhr

Welch eine Logik! Statt eines konstruktiven Angebots zum Mitmachen kommt ein unterirdisches , weil nicht machbares Scheinangebot zum Testen.Das erzeugt moralischen Druck und beschädigt die Glaubwürdigkeit der Apotheken und vermittelt die Botschaft: "die können es nicht". Wenn sie nicht bereit sind, weit unter Wert und Machbarkeit zu arbeiten.So degeneriert eine existenzielle Aufgabe zum Marketing- goodie für die , die es sich leisten können.Und schafft schärft die Argumente zur sowieso gewollten Abschaffung.
Dieses perfide Ziel blieb ohne adäquate Antwort.Das ist die eigentliche Misere, die Verantwortung einfach auf die abzuschieben, denen die Möglichkeit verwehrt wird im Sinn der Versorgungssicherung tätig zu werden.
Die Gelegenheit, die Notwendigkeit von Wirtschaftlichkeit und die Dimension der Machbarkeit am "lebenden Beispiel" vorzuführen , wurde schmetternd verpasst.Dabei wäre hier das Thema, klar zu machen, dass Gemeinwohlaufgaben - wie auch der stetig bewältigte Alltag-Respekt und Achtung verdienen.Ausgedrückt in machbarer Honorierung ohne moralischen Druck, unter Wert tätig zu werden.

Hängen bleibt die Aufforderung an Aldi , Lidl , etc zu verkaufen und den Apotheken den Schneid abzukaufen..Ausser ansatzweise in Bayern nähert sich nirgends ein Angebot der in anderen Ländern als machbar erkannten Vergütung.Zeichen der Missachtung.

Kein Wunder, es wird ja auch nicht hörbar gefordert, zum Mitmachen auch bezahlt zu werden.

Nicht zuletzt ist nicht hinnehmbar, dass eine Politik verfolgt wird, Einzelunternehmen mit Gemeinwohlauftrag dem ungehinderten Konzerndruck (Incl.Versand!) auszusetzen.Denn
sie haben gegen beliebigen apitalzufluss keine Chance.
Das bedeutet, dass nichts verstanden wurde, was die Krise gelehrt hat. Resilienz ist der Schlüssel zur Sicherung in allen Belangen. Das ist die Befähigung, die Versorgung zu sichern und die gestellten Aufgaben zu erfüllen.

Die Resilienz wird stetig unterlaufen.Äusserst traurig, wie unter dem Brennglas zusehen zu müssen wie so Strukturen zerstört werden und es unwidersprochen bleibt.

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belegte Brötchen

von atopom am 07.03.2021 um 10:57 Uhr

Herr Laumann; LGM NRW, möchte doch bitte vorzugweise
die geliebten Bäcker für Corona-Schnelltests zum Einsatz
bringen.

In den Großstädten und dicht besiedelten Gebieten die
Filialisten auf dem Dorf, in den Tiefen und Weiten des
Landes die, die nicht unbedingt kleine Brötchen backen.

So könnte ein jede|r in den Genuss von Brötchen mit
Auf- und Abstrich kommen.

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Deutschland 2021

von Sabine Schneider am 07.03.2021 um 9:35 Uhr

Die Menschen stehen wie Bitsteller in Schlagen vor einem Aldimarkt. Herr Spahn Danke !

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AW: Deutschland 2021

von Bernd Jas am 07.03.2021 um 13:12 Uhr

@ Frau Schneider,
das sind keine Menschen oder Mitbürger, das sind Konsumenten und Steuerzahler.

.

von Anita Peter am 07.03.2021 um 9:10 Uhr

In den USA werden in den Zoos mittlerweile Affen geimpft, während meine 87-jährige Mutter noch nicht mal einen Termin hat.
Eine unfähige Regierung, die entscheidende Dinge an die noch unfähigere EU abgibt. Deutschland im Jahr 2021. Aber hauptsache das mit dem Gender-Sprech funktioniert.

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