Impfstopp für AstraZeneca

Ullmann (FDP): Ärzte und Apotheker müssen schneller informiert werden

Berlin - 17.03.2021, 17:50 Uhr

Der FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullmann hat für die aus seiner Sicht mangelnde Transparenz in Sachen AstraZeneca kein Verständnis. (Foto: IMAGO / Future Image)

Der FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullmann hat für die aus seiner Sicht mangelnde Transparenz in Sachen AstraZeneca kein Verständnis. (Foto: IMAGO / Future Image)


Am heutigen Mittwoch tagte der Gesundheitsausschuss im Bundestag wegen des Impfstopps mit der Corona-Vakzine von AstraZeneca – unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Andrew Ullmann kritisiert die aus seiner Sicht mangelnde Transparenz in dieser Angelegenheit. Er fordert, zumindest Ärzt:innen und Apotheker:innen rasch und umfassend über die aktuelle Lage zu informieren – denn sie müssten schließlich ihre besorgten Patient:innen beraten.

Am heutigen Mittwoch befasste sich der Gesundheitsausschuss im Bundestag in einer nicht öffentlichen Sitzung mit dem Impfstopp für die Corona-Vakzine des britisch-schwedischen Pharmaherstellers AstraZeneca. Der FDP-Abgeordnete und Obmann im Gesundheitsausschuss für seine Fraktion, Andrew Ullmann, bemängelte bereits vorab per Kurznachrichtendienst Twitter, dass die Sitzung der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht wurde – einen entsprechenden Antrag seiner Fraktion hatten Union und SPD demnach abgelehnt.

Im Anschluss an den Termin sprach Ullmann mit DAZ.online und erneuerte seinen Vorwurf, die Bundesregierung und insbesondere Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sorgten in der aktuellen Situation nicht für ausreichend Transparenz. Vor allem Ärzte und Apotheker gelte es, deutlich schneller zu informieren als bisher, betonte Ullmann, der selbst Arzt ist. „Es kann doch nicht sein, dass Karl Lauterbach am Montagabend im Fernsehen Dinge erzählt, die das Paul-Ehrlich-Institut erst am Dienstag offiziell auf seiner Website bekannt gibt“, kritisiert er. Zumindest „wichtige Multiplikatoren“ wie Mediziner:innen und Pharmazeut:innen sollten aus seiner Sicht rasch und umfassend Informationen erhalten, um die Menschen in dieser schwierigen Lage angemessen beraten zu können.

In der Ausschusssitzung unterstrich Spahn laut Ullmann, es sei der richtige Schritt gewesen, die Impfungen mit der COVID-19-Vakzine von AstraZeneca vorerst zu pausieren. Nun müsse zunächst geprüft werden, ob es einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Verabreichen des Impfstoffs und dem Auftreten von Hirnvenenthrombosen bei inzwischen acht Personen gebe oder es sich dabei lediglich um eine zeitliche Korrelation handele.

Auch wenn der Minister mit seinem Schritt, die Impfungen auf Eis zu legen und sich zunächst um Aufklärung zu bemühen, das Vertrauen der Bevölkerung in die Impfung aufrechterhalten will: Auch er räumte laut Ullmann während der Sitzung ein, dass negative Auswirkungen auf die Impfkampagne zu erwarten seien. Mit 15 Millionen eingeplanten Dosen für das zweite Quartal 2021 reiße jedoch selbst ein möglicher Totalausfall von AstraZeneca – etwa wenn die EMA am morgigen Donnerstag entscheiden sollte, die Zulassung ruhen zu lassen – keine riesigen Lücken in den Impfplan. Zu Verzögerungen könnte es aber dennoch kommen.

Ein Chargenproblem? Wohl eher nicht

Als fachlichen Beistand hatte Spahn den Präsidenten des Paul-Ehrlich-Instituts, Professor Klaus Cichutek, geladen. Cichutek berichtete, dass inzwischen noch ein achter Fall bekannt geworden sei, in dem eine Person wenige Tage nach der Impfung mit der AstraZeneca-Vakzine eine Hirnvenenthrombose erlitten hatte. Drei der Betroffenen seien verstorben. Unter den acht Personen seien sechs Frauen im Alter zwischen 20 und 50 Jahren. Eine von ihnen habe die Pille genommen, drei weitere wiesen den Angaben zufolge bereits im Vorfeld ein erhöhtes Thromboserisiko auf. Zu den Vorfällen sei es jeweils vier bis 16 Tage nach der Impfung mit dem Präparat von AstraZeneca gekommen – ob es sich dabei um Erst- oder Zweitimpfungen gehandelt habe, ist Ullmann zufolge nicht beantwortet worden.

Wie der FDP-Abgeordnete berichtet, sprach Cichutek auch an, dass in Norwegen ähnliche Vorkommnisse registriert worden seien, in anderen Ländern wie Spanien und Österreich habe es jedoch keine vergleichbaren Hinweise gegeben. Der Verdacht, es könne sich möglicherweise um ein Chargenproblem handeln, hat sich offenbar nicht erhärtet: Ullmann zufolge sagte der PEI-Präsident vor dem Ausschuss, die acht Betroffenen hätten Impfstoffe aus verschiedenen Chargen erhalten.

Am morgigen Donnerstag wird die Europäische Arzneimittelagentur EMA voraussichtlich die Weichen stellen, wie es im Fall AstraZeneca weitergeht. Dann wird das Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC) der Behörde sich dazu äußern. Während Spahns Pressesprecher heute in Berlin vor Journalisten sagte, das Urteil der EMA werde als bindend für Deutschland angesehen und die Bundesrepublik werde dem folgen, betonte Spahn selbst offenbar nur kurze Zeit später vor dem Gesundheitsausschuss, die Verantwortung liege eindeutig bei den Nationalstaaten.

Fest steht: Sollte die EMA die Zulassung der AstraZeneca-Impfung ruhen lassen, bliebe Deutschland praktisch kein Spielraum. Denn auch hierzulande hängt der Marktzugang der Vakzine an der Zulassung auf europäischer Ebene. Ullmann hält dies jedoch für unwahrscheinlich. Gegenüber DAZ.online sagte er, er gehe davon aus, dass das Präparat mit einem Warnhinweis versehen werden wird und Impfwillige künftig entsprechend beraten werden müssen.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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