dm scheitert vor dem Verfassungsgerichtshof

Auch in Österreich bleiben OTC in der Apotheke

Berlin - 23.03.2021, 16:45 Uhr

Dass dm der Verkauf von Arzneimitteln untersagt bleibt, sei kein unverhältnismäßiger Eingriff in die Erwerbsfreiheit und auch kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, urteilt der Verfassungsgerichtshof in Wien. (Foto: VfGH/Achim Bieniek) 

Dass dm der Verkauf von Arzneimitteln untersagt bleibt, sei kein unverhältnismäßiger Eingriff in die Erwerbsfreiheit und auch kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, urteilt der Verfassungsgerichtshof in Wien. (Foto: VfGH/Achim Bieniek) 


In Österreich versucht die Drogeriemarktkette dm seit Jahren den „Apothekenvorbehalt“ für rezeptfreie Arzneimittel auszuhebeln. Heute entschied der Verfassungsgerichtshof in Wien, dass die Regelung verfassungskonform ist. Dass dm der Verkauf von Arzneimitteln untersagt bleibt, sei kein unverhältnismäßiger Eingriff in die Erwerbsfreiheit und auch kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Bei dm will man nun das 135-seitige Urteil im Detail prüfen und klären, ob eine Prüfung auf europäischer Ebene möglich ist.  

Nicht rezeptpflichtige Arzneimittel dürfen in Österreich auch weiterhin nur von Apotheken bezogen sowie abgegeben werden – der „Apothekenvorbehalt“ bleibt also bestehen. Ebenso bleibt das absolute Verbot der Abgabe von Arzneimitteln in Selbstbedienung aufrecht. Diese Entscheidung hat der Verfassungsgerichtshof in Wien heute bekannt gegeben.

Hinter der Entscheidung steckt ein Antrag der Drogeriemarktkette dm auf Gesetzes- und Verordnungsprüfung. dm wandte sich gegen die bestehenden österreichischen Vorschriften, denen zufolge auch nicht rezeptpflichtige Arzneimittel nur von Apotheken bezogen sowie im „Kleinverkauf“ oder durch Fernabsatz abgegeben werden dürfen. Zudem wollte dm das absolute Verbot der Abgabe von Arzneimitteln in Selbstbedienung kippen.

Die dm-Märkte in Österreich würden gerne selbst im Arzneimittelmarkt mitmischen. Seit Jahren geht das Unternehmen juristisch gegen die strengen Gesetze vor – bislang ohne Erfolg. Im Unternehmen ist man der Ansicht, dass die beschränkenden Vorschriften gegen das Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung verstießen – in Deutschland spräche man von der Berufsausübungsfreiheit. Den öffentlichen Interessen des Patientenschutzes, der Arzneimittelsicherheit, der Gesundheit sowie des Konsumentenschutzes könnte nämlich auch durch Drogisten entsprochen werden. Ein Apothekenvorbehalt sei daher unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig.

Doch das sieht der Verfassungsgerichtshof, der sich nicht zum ersten Mal mit der Materie befasst hat, anders. Er hat den dm-Antrag abgewiesen. In einer Pressemitteilung des Gerichts heißt es, der Apothekenvorbehalt diene mehreren im öffentlichen Interesse liegenden Zielen, so unter anderem dem Zweck, eine funktionierende Versorgung der Bevölkerung mit Heilmitteln (gemeint sind Arzneimittel) sicherzustellen. Dazu komme, dass Apotheken zahlreichen öffentlich-rechtlichen, standes- und disziplinarrechtlichen Verpflichtungen unterlägen, die sicherstellen sollen, dass dieses Ziel auch tatsächlich erreicht werde. Der Apothekenvorbehalt stelle daher keinen unverhältnismäßigen Eingriff in verfassungsrechtlich geschützte Positionen dar.

Aus den gleichen Gründen haben die österreichischen Richter:innen auch keine Bedenken, dass nur Apotheken OTC im Versandhandel vertreiben können und Verbot der Abgabe solcher Arzneimittel im Wege der Selbstbedienung besteht.

dm gibt sich kämpferisch

Bei dm Österreich reagierte man auf die Entscheidung verschnupft – zugleich gibt man sich noch nicht geschlagen. Schließlich kann die Politik noch immer für eine andere Rechtslage sorgen. Allerdings: „Aufgrund der im Verfahren abgegebenen Stellungnahmen der Ministerien ist zu erwarten, dass die Regierung eine Liberalisierung weiter verzögern wird“, heißt es in einer Pressemitteilung des Unternehmens.

Geschäftsführer Harald Bauer erklärte: „Bei der Bekämpfung des Apothekenmonopols auf rezeptfreie Arzneimittel geht es uns um die Interessen unserer Kunden, die sich bessere Preise für geprüfte Qualität wünschen, und um Fairness gegenüber den Drogisten. Es liegt an der Politik, verkrustete Strukturen aus der Vergangenheit zeitgemäß zu modernisieren und eine Bevormundung der Bürger zu beseitigen, wie es viele EU-Länder längst getan haben. Hätte der Verfassungsgerichtshof eine Verfassungswidrigkeit bestätigt, dann hätte die Regierung dieses überfällige Vorhaben nicht weiter verzögern können. Denn auf Dauer wird sich dieser längst überholte Zustand sicher nicht aufrechterhalten lassen“.

Von dispensierenden Ärzten und Versandfeinden

Österreich

Mangels Aussicht auf rasche Änderungen auf gesetzlicher Ebene arbeite dm Österreich nun an neuen Kooperationen und Serviceleistungen, um den Kund:innen dennoch einen Zugang zu rezeptfreien Arzneimitteln zu attraktiven Preisen zu ermöglichen. Geprüft würden Kooperationen ähnlich der früheren Zusammenarbeit mit der Versandapotheke Zur Rose aber auch neue integrative Ansätze. „Und wir werden uns weiterhin für gesetzliche Regelungen einsetzen, die die Interessen der Konsumenten in einer zeitgemäßen Form in den Mittelpunkt stellen und die der Mündigkeit der Bürger gerecht werden“, kündigt Bauer an. Die Drogeriekette will die Entscheidung nun im Detail analysieren. „Im Zuge dessen wird zudem geklärt, ob wir den Apothekenvorbehalt auf europäischer Ebene überprüfen lassen, was vom Verfassungsgerichtshof nicht behandelt wurde“, gibt sich Bauer kämpferisch.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Gut gemacht Österreich

von Sebastian Sander am 23.03.2021 um 19:15 Uhr

Österreich geht genau richtig vor in dieser Sache nämlich mit der Patienten Sicherheit und dem Schutz des Gesundheitssystem als oberste Prioritäten.
Deutschland könnte sich ruhig eine Scheibe abschneiden, stattdessen wird die Fusion von Docmorris und Teleclinic geduldet, die mit rein wirtschaftlichen Interessen in die Gesundheitsbranche einstürmen und die den Patienten nur als Geldnote sehen.
Ich hoffe Deutschland unterbindet zumindest DM die Arzneimittelabgabe.

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