Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

25.04.2021, 07:45 Uhr

Wir Apothekers sind meist die gekniffenen – Opfer unseres eigenen Erfolgs, weil wir zu gut sind. (Foto: Alex Schelbert)

Wir Apothekers sind meist die gekniffenen – Opfer unseres eigenen Erfolgs, weil wir zu gut sind. (Foto: Alex Schelbert)


21. April 2021

16,7 Millionen Rabattarzneimittel waren im vergangenen Jahr nicht lieferbar – und darunter vor allem Blutdrucksenker, Magensäureblocker und Schmerzmittel. Lieferengpässe sind der Alltag im Apothekenbetrieb. Dass Patientinnen und Patienten derzeit nicht allzu hart davon betroffen sind, liegt daran, dass Pandemieregeln (SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung) den Apotheken erlauben, ein Austauschpräparat statt des verordneten Arzneimittels abzugeben: Die Apotheken haben durch diese Verordnung mehr Flexibilität erhalten, ohne Sorge zu haben, retaxiert zu werden. Thomas Dittrich, Chef des Deutschen Apothekerverbands, spricht hier von mehr „Beinfreiheit“ für die Apotheken. Er fordert zum wiederholten Mal, dass diese Beinfreiheit erhalten bleiben sollte, unabhängig von der Pandemie. Mein liebes Tagebuch, diese Forderung kann er nicht oft genug und nicht laut genug in die Politik tragen, will sagen: Der Deutsche Apothekerverband muss sich mit aller Macht dafür einsetzen, dass diese Beinfreiheit so bleibt. Zum einen ist angesichts der abenteuerlichen, abstrusen und äußerst anfälligen Lieferketten auch nach der Pandemie weiterhin mit Lieferengpässen zu rechnen, zum andern haben die Apotheken gezeigt, dass sie mit der Sonderregelung und ihrer Beinfreiheit äußerst verantwortungsvoll umgehen: Die Einsparungen bei Rabattarzneimitteln sind trotz des gelegentlichen Einsatzes vorrätiger statt nicht lieferbarer Präparate auf die Rekordsumme von 4,96 Milliarden Euro gestiegen (2019: 4,88 Milliarden). Und nicht zuletzt bringt diese Beinfreiheit der Apotheken auch den Patientinnen und Patienten den großen Vorteil, rascher versorgt zu werden. Sie erspart ihnen zudem Kontakte und Wege – in Pandemiezeiten von unschätzbarem Vorteil.

 

Das war erschreckend, was mir Apothekerin Schropp aus Markt Rettenbach berichtete: Eines Morgens lagen Kinderschuhe vor ihrer Apothekentür und Plakate mit Parolen gegen Masken und Schulschließungen. Wie sie feststellen musste, waren hier Personen zugange gewesen, die der Querdenker-Szene nahestehen: Der Verein „Eltern stehen auf“ wehrt sich mit solchen zweifelhaften Aktionen gegen Schulschließungen und will Kinder von der Test- und Maskenpflicht befreien. Die Apothekerin wollte solche Aktionen nicht dulden und suchte Hilfe beim Bürgermeister und bei der Polizei. Vergeblich, wie sie mir im Podcast-Gespräch sagte. Sogar eine Demo von Querdenker-Gruppierungen fand vor ihrer Apotheke statt – gegen die sie couragiert einschritt. Unterstützung fand sie in der Bevölkerung ihres Ortes.

 

Die Belieferung der Arztpraxen mit Covid-19-Impfstoffen durch Apotheken läuft, auch ohne dass die Apotheken anfangs genau wussten, wie das Procedere der Abrechnung stattfindet. Diese Unsicherheit hat nun ein Ende: Die ABDA veröffentlichte einen Leitfaden zur Abrechnung der Corona-Impfstoffe. Zur Erinnerung: Die Apotheken sollen bekanntlich nicht nur ihre eigene Vergütung pro Vial abrechnen, sondern auch die des Großhandels. Die Abrechnung erfolgt monatlich. Die Apotheken-Rechenzentren übermitteln dann dem Bundesamt für soziale Sicherung (BAS) den Gesamtbetrag, der sich aus der Apotheken- und der Großhandelsvergütung ergibt und leiten dann die Zahlung an die Apotheken weiter, die wiederum ihrem Großhändler seinen Vergütungsanteil zukommen lassen. Mein liebes Tagebuch, klingt hoffentlich nur umständlicher als es in der Praxis laufen wird. Der ABDA-Leitfaden gibt Hilfestellung, welche Angaben die Arztpraxen und Apotheken aufs Rezept drucken müssen, damit alles reibungslos läuft. Und dennoch: Alles macht Mehrarbeit. Die ABDA sollte die Apothekervergütung genau ansehen und auf eine adäquate Anpassung pochen.



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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1 Kommentar

Opfer????

von Gunnar Müller, Detmold am 25.04.2021 um 12:27 Uhr

Im Jahr 10 nach Apothekerprotest ist das eine allzu armselige wenn nicht gar: erbärmliche Bilanz für alle alt- und neu-verantwortlichen Standeszertreter:innen!
Und eine ernüchternde Bilanz der zurückliegenden Jahre von FS, Fritz Becker, Arnold und Co. Samt verantwortlichem ABDA-Hauptamt.
Die Ärzteschaft muckt nur einmal kurz, und schon ist AstraZeneca in Impfpraxen Schnee von gestern!
Soviel zum Thema eines offenbar immer noch in vielen Köpfen herumwabernden „Vertrauen“ ....

Wenn uns die Pandemie etwas gezeigt hat
dann doch bitte:
Die Notwendigkeit einer „sprechenden“, einer empathisch erklärenden Pharmazie, einer unmittelbar ansprechbaren Pharmazie, akademisch fundiert, gut informiert, auf dem aktuellen Stand des Geschehens und sofort verfügbar, barrierefrei für alt und jung, allgemein-verständlich, jederzeit und unmittelbar vor Ort.

Zum zweiten die Notwendigkeit von Handlungsfreiheit! Wenn Apotheken schnell handeln können sollen, dann dürfen sie nicht bürokratisch gegängelt werden!

Die Notwendigkeit einer auskömmlichen Vergütung insbesondere für kleinere und mittlere Apotheken-Standorte! Die großen überleben allein schon „aufgrund Masse“, Blockbuster-Standorten, größerem Pool an Mitarbeiter:innen und nicht zu vergessen den günstigeren Einkaufsbedingungen!

Und die Notwendigkeit einer nicht allein öffentlichen Anerkennung sondern die Verankerung dieser Wertschätzung durch die Allgemeinheit dann bitte doch auch in den Köpfen und Herzen der Politiker:innen - zur Not nach der Devise:
Die Allgemeinheit, das sind auch Wählerinnen und Wähler!

Was bedeutet das alles insbesondere in einem Wahljahr:
Es müssen die richtigen Dinge getan werden und es müssen die Dinge richtig getan werden. Und sie müssen jetzt getan werden!

Und deshalb abschließend ins Stammbuch
aller berufspolitischen Kleriker/Dogmatiker in welchen standespolitischen Echo-Kammern auch immer:
Wolkenkuckucksheim muss warten!
Oder frei nach Brecht:
Erst kommt das Fressen sprich die Vergütung für den immensen Aufwand für die vielen „kleinen“, systemrelevanten Dienstleistungen wie Beratung in Sachen Rabattverträgen, Rückfragen bei Ärzten und Genehmigungsaufwand gegenüber KrankenKassen - dann erst kommen „Neue Dienstleistungen“ wie AMTS.

Was hindert uns, allein für unseren bisherigen Mehraufwand von den KrankenKassen aus deren Erträgen ihres Rabattvertragsgeschäfts einen kick-back von 10% für die Apotheken zu fordern und gleichmäßig auf jede der 18.500 Apotheken zu verteilen?

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