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BPhD-Podiumsdiskussion
Wege vom Fernstudium zu guter digitaler Lehre
Die provisorische Fernlehre belastet viele Studierende. Daher war die „Digitale Lehre“ Thema der Podiumsdiskussion der 130. Tagung des Bundesverbands der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD). Medizindidaktiker Dr. Bernd Romeike erläuterte, wie gute digitale Lösungen die Präsenzlehre um ein Vielfaches effektiver machen können. Der klinische Pharmazeut Professor Christoph Ritter stellte seine Apothekensimulations-Software vor.
Angehende Apotheker:innen erleben seit mehr als einem Jahr ihr Studium, indem sie für Online-Vorlesungen und Seminare permanent in ihre Bildschirme starren. Viele demotiviert die Situation, sie sehnen sich nach dem Hörsaal und Kommiliton:innen. Ein unter den Nägeln brennendes Thema für die Podiumsdiskussion der diesjährigen BPhD-Verbandstagung war also schnell gefunden: Das Gespräch am 15. Mai sollte sich um die digitale Lehre drehen.
Unter den Gästen war Bianca Partheymüller, Beauftragte für Lehre und Studium beim BPhD und Pharmaziestudentin im sechsten Semester. Sie berichtete, dass Studierende nicht nur zu technischen Aspekten Verbesserungspotenzial an ihren Fakultäten sehen, sondern auch bei der Organisation und Kommunikation der Veranstaltungen. Trotz des Frusts befürworteten viele Studierende, dass ein Teil der Lehrveranstaltungen dauerhaft online angeboten werden sollte.
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Didaktiker:innen wissen von den Vorteilen, die ein Lernmodell mit sich bringt, bei dem digitale und analoge Methoden aufeinander abgestimmt sind. Ein Bildungs-Experte war auch zur BPhD-Podiumsdiskussion geladen: Dr. Bernd Romeike ist Oberarzt für Medizindidaktik und für Neuropathologie. Neben seiner Tätigkeit an der Universität Rostock sitzt er im Ausschuss für Digitalisierung der Gesellschaft für medizinische Ausbildung. Er kritisiert, dass Deutschland vom Kindergarten bis zu den Universitäten eines der weltweit teuersten und zugleich ineffektivsten Bildungssysteme besitzt. „Schon heute könnten wir die Abbruchraten reduzieren und würden als ganze Gesellschaft profitieren.“
Das Blended-Learning-Konzept nutzen
Er hofft, dass nach der SARS-CoV-2-Pandemie ein Übergang von der provisorischen Fernlehre in eine echte digitale Lehre gelingt. Dabei strebt er das Blended-Learning-Konzept an, das auf Deutsch oft als integriertes Lernen bezeichnet wird. Studierende lernen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Beim Blended Learning bringen digitale Übungen die Studierenden vor Präsenzveranstaltungen auf den gleichen Wissensstand. Analyse-Softwares könnten den Lernstand schnell und genau überprüfen. Unter dieser Voraussetzung wäre ein interaktiver Präsenzunterricht um ein Vielfaches fruchtbarer als bisher üblich. Lehrende wüssten zudem, welchen High-Performern sie Promotionsstellen anbieten können und welche Studierende mehr Unterstützung brauchen. Bearbeiten Studierende im Anschluss an die Lehrveranstaltungen zudem digitale Nachbereitungsaufgaben, habe sich eine Thematik anhand drei unterschiedlicher Wege ins Gehirn der Studierenden eingebrannt.
Romeike forscht selbst daran, evidenzbasierte Daten zu Analyseprogrammen zu liefern. Digitale Echtzeit-Lernerfolgskontrollen werden eines Tages große Abschlussklausuren überflüssig machen, versichert Romeike. Dass viele Pharmazie- und Medizinstudierende abbrechen, ist für den Medizindidaktiker ein Unding und belaste die Gesellschaft. „Jeder Pharmazeut oder Mediziner hat durch sein Abitur bewiesen, dass er schlau genug für sein Studium ist“, so Romeike. „Wir müssen alle, die ein hohes Risiko für einen Abbruch haben, finden und fördern.“
Austausch in der Fernlehre fördern
Aktuell ist kein Präsenzunterricht möglich. Eine Zuschauer-Umfrage während der Diskussion offenbarte: Der direkte Austausch mit Kommiliton:innen fehlt Studierenden am meisten. Romeike räumt ein, dass digitale Angebote Präsenzunterricht nicht ersetzen können. Jedoch können Dozierende den Austausch mit digitalen Werkzeugen fördern. Sie können die Arbeit in Kleingruppen – mit bestenfalls acht Studierenden – ermöglichen, beispielsweise über Breakout-Räume der Software Zoom. Sie können Seminarteilnehmer ermutigen, ihre Videokameras einzuschalten. Außerdem sollten Dozierende während Online-Vorlesungen den Chat aktivieren oder anregen, dass das Auditorium in Gruppen simultan Dokumente erarbeitet, beispielsweise über Google Docs. Ein weiteres Konzept wäre, dass Studierende selbst die Lernmethode wählen, die für sie am vielversprechendsten klingt. Kleingruppen könnten zu bestimmten Themen z. B. Podcasts, Poster oder Videos erstellen.
Für die vielen Praktika, die das Pharmaziestudium fordert, gibt es während der Pandemie jedoch keinen Ersatz. Studentin und BPhD-Vorstandsmitglied Bianca Partheymüller begrüßte, dass einige Dozierende zumindest Videos bereitstellten. „Trotzdem brauchen wir das Praktische“, so Partheymüller, „erst dann können wir den Stoff besser verstehen.“ Ein weiteres Problem ist, dass die Hemmung der Studierenden, bei Fragen auf Dozierende zuzugehen, beim Fernstudium größer geworden ist. Romeike empfiehlt, die Studierenden aufzufordern, bei Vorlesungen und Seminaren die Kamera einzuschalten – solang die Verbindung dies zulässt. Auch sollten Lehrende während der Vorlesungen alle 20 bis 30 Minuten im Chat nachsehen, ob Fragen gestellt wurden.
Der Apothekensimulator „My Dispense“
Christoph Ritter, Professor für Klinische Pharmazie an der Universität Greifswald, war ebenfalls zu Gast bei der Podiumsdiskussion. Er nutzte das Blended Learning-Konzept bereits vor der Pandemie für seine Lehre. Er ist sicher: „Wir müssen unser Verständnis vom Lernen in der Pharmazie ändern.“ Pflanzennamen und Strukturformeln auswendig zu lernen, sei ein unsinniges Konzept. Doch um die Lehre verbessern zu können, müsse die Politik zunächst den Curricular-Normwert im Pharmaziestudium anheben. Dieser Wert legt fest, wie viele Lehrstunden jedem Studierenden beigemessen werden. Der ohnehin knapp bemessene Wert vernachlässigt Freiräume, die etwa zur Digitalisierung der Lehre nötig wären.
Obwohl der Curricular-Normwert einen großen Hemmschuh bilde, konnte Ritter mit der an seinem Institut erarbeiteten Software „My Dispense“ aufwarten. Mit diesem Simulationsprogramm können Studierende die Apothekenpraxis digital erlernen. Ritter bietet den Apothekensimulator auch seinen Studierenden an, damit diese sich vorab auf die Lehrapotheke – mit „realen“ simulierten Patienten – vorbereiten können, sobald diese nach der Pandemie wieder stattfinden kann. Nachdem das Projekt in Greifswald auf positive Resonanz stieß, arbeiten weitere Standorte für Pharmazie an der Umsetzung von „My Dispense“, unter anderem Saarbrücken, Würzburg, Bonn und Berlin.
Wer die Podiumsdiskussion vom 15. Mai zur digitalen Lehre erneut ansehen möchte, findet die Aufzeichnung in Kürze auf dem Youtube-Kanal des Bundesverbands der Pharmaziestudierenden in Deutschland.
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