Infektiosität von SARS-CoV-2

Gemessene Viruslast ist nicht die einzige Determinante

Remagen - 28.05.2021, 10:45 Uhr

Ein Forschungsteam der Charité um Professor Christian Drosten hat für mehr als 25.000 COVID-19-Fälle die Menge des Viruserbguts in der PCR-Probe bestimmt und daraus die Ansteckungsfähigkeit der positiv getesteten Personen abgeschätzt. (Foto: OSORIOartist / AdobeStock)

Ein Forschungsteam der Charité um Professor Christian Drosten hat für mehr als 25.000 COVID-19-Fälle die Menge des Viruserbguts in der PCR-Probe bestimmt und daraus die Ansteckungsfähigkeit der positiv getesteten Personen abgeschätzt. (Foto: OSORIOartist / AdobeStock)


Etwa gleich große Infektiosität aller Altersgruppen

Die Abschätzung der Infektiositätsrate in Zellkulturen ergab für die jüngsten Kinder bis zu fünf Jahren etwa 80 Prozent des Erwachsenen-Wertes, jeweils bezogen auf den Spitzenwert im Viruslastverlauf. Auch hier kamen die Schüler und Heranwachsenden näher an die Erwachsenen heran. „Dies verdeutlicht, dass man Viruslasten nicht einfach proportional in Infektiosität umrechnen kann“, erklärt Drosten. „Und auch diese datenbasierten Schätzungen der Infektiosität muss man noch mal nach oben korrigieren wegen der unterschiedlichen Probennahme bei Kindern.“ All dies fließe in eine klinisch-virologische Bewertung ein, fügt der Virologe an. Insgesamt erachten die Autoren der Studie die Viruslastunterschiede zwischen Kindern und Erwachsenen als zu gering, als dass diese allein große Unterschiede in der Infektionsfähigkeit erzeugen könnten. Sein anfänglicher Eindruck einer ungefähr gleich großen Infektiosität aller Altersgruppen habe sich so bestätigt, stellt Drosten fest.

Ein bis drei Tage vor Symptombeginn die höchste Viruslast

Für mehr als 4.300 Fälle konnten die Forscher auf mehrere Test-Proben zurückgreifen. Damit konnten sie die Entwicklung der Viruslast im Rachen erstmals in großem Umfang nachzeichnen und auf diese Weise einen typischen Verlauf der Infektion statistisch beschreiben. Anhand ihrer neuen Verlaufsmodelle gehen sie davon aus, dass die Viruslast im Rachen bei allen SARS-CoV-2-Infizierten schon ein bis drei Tage vor Symptombeginn am höchsten ist.  

Die Ergebnisse der Analyse im Hinblick auf die Ausprägung der Symptomatik decken sich aus Drostens Sicht mit früheren Beobachtungen. Zwar war die Viruslast bei Personen, die ins Krankenhaus aufgenommen werden mussten, über den gesamten Verlauf höher als bei anderen Getesteten, aber auch Betroffene ohne Krankheitszeichen können sehr hohe Viruslasten haben. 

Die Superspreader

Unter den 25.000 untersuchten COVID-19-Fällen stachen etwa 9 Prozent mit einer außergewöhnlich hohen Viruslast von einer Milliarde Erbgutkopien oder mehr hervor. Bemerkenswerterweise hatte mehr als ein Drittel dieser potenziell hochinfektiösen Personen keine oder nur milde Symptome. „Diese Daten liefern eine virologische Grundlage für die Beobachtung, dass nur eine Minderheit der Infizierten den größten Teil aller Übertragungen verursacht“, erklärt Drosten dazu. „Dass sich hierunter so viele Menschen ohne relevante Krankheitssymptome finden, macht klar, warum Maßnahmen wie Abstandsregeln und die Maskenpflicht für die Kontrolle der Pandemie so wichtig sind.“

„Britische“ Virusvariante 2,6-mal infektiöser

Die neuen umfangreichen Datensätze stützen noch eine weitere Vermutung, die sich auf die in Deutschland mittlerweile weitaus vorherrschende Variante B.1.1.7 bezieht. In den rund 1.500 Proben von Personen, die damit infiziert waren, wies das Forschungsteam eine im Schnitt zehnfach höhere Viruslast nach. Die Infektiosität im Labor schätzen die Wissenschaftler auf das 2,6-Fache. Für Drosten steht zweifelsfrei fest, dass das B.1.1.7-Virus infektiöser ist als andere Varianten, auch wenn Laborversuche das bisher noch nicht abschließend erklären können.  

Das Forscherteam will die Auswertungen der Viruslast im Verlauf der Pandemie kontinuierlich fortsetzen. Es erhofft sich damit auch Erkenntnisse über den Einfluss der zunehmenden Immunisierung der Bevölkerung und die Bildung neuer Varianten, die dadurch ausgelöst werden könnte.  



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Sondengröße? Prozedere?

von Harald Schmidt am 30.05.2021 um 5:57 Uhr

Im Paper sehe ich keinen direkten Vergleich verschiedener Sonden-Größen in derselben Person, auch keinen direkten Vergleich Rachen versus Nasenrachen-Abstrich. Worauf stützen sich dann diese Schlussfolgerungen.

Davon unabhängig, am praktikabelsten ist aus meiner Sicht Rachen gefolgt von Nase so tief wie es geht, in der Reihenfolge und mit derselben Sonde. Damit habe ich mehr Positive gefischt als andere mit angeblich nasopharyngealem Abstrich.

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