Rote-Hand-Brief zu Dinoproston

Uterine Hyperstimulation und Prostaglandine in der Geburtseinleitung

Stuttgart - 06.07.2021, 07:00 Uhr

Arzneimittel in der Geburtseinleitung sind kein einfaches Thema. Wie sind Misoprostol und andere Prostaglandine zu bewerten? (x / Foto: kieferpix / AdobeStock)

Arzneimittel in der Geburtseinleitung sind kein einfaches Thema. Wie sind Misoprostol und andere Prostaglandine zu bewerten? (x / Foto: kieferpix / AdobeStock)


Nicht die erste Rote-Hand, aber Misoprostol besser als der Rest?

Tatsächlich war auch schon in Deutschland bis August 2019 „zur Einleitung der Wehen bei Frauen mit unreifer Zervix ab der 37. Schwangerschaftswoche, wenn eine Geburtseinleitung klinisch indiziert ist“, ein Misoprostol-Präparat (200 µg) mit dem Namen Misodel im Handel. Jedoch handelte es sich bei Misodel um keine Tablette, sondern ein Vaginalinsert. Anlässlich des neuesten RHB ist das interessant, weil der pharmazeutische Unternehmer Ferring bereits 2017 in einem Rote-Hand-Brief vor erhöhter Wehenfrequenz nach Misoprostolgabe warnte: „Berichte über exzessive uterine Tachysystolie, die möglicherweise nicht auf eine Tokolyse anspricht.“ 

Sicherheitsbedenken sollen aber schließlich nicht zur Marktrücknahme geführt haben, wie Ferring gegenüber DAZ.online erklärte. Tatsächlich hatte Ferring mit Misodel und Propess (Dinoproston) zwei ähnliche Produkte zur Geburtseinleitung gleichzeitig im Portfolio und auf dem deutschen Markt, erklärte die Firma: „Weltweit hatte Misodel jedoch nicht die Akzeptanz, die es im deutschsprachigen Europa erzielt hat, und global nur einen minimalen Marktanteil im Vergleich zu Propess.“ Eine Überprüfung damaliger Fälle von uteriner Tachysystolie, die unter Tokolyse nicht nachließ, ergab jedoch, dass diese durch die Anwendung von Misoprostol verursacht werden können, selbst wenn das Arzneimittel entsprechend der Fach- und Gebrauchsinformation angewendet wird. Das kann man im RHB von 2017 nachlesen. 

Wie wirkt Dinoproston?

In der Fachinformation zu Minprostin Vaginaltabletten heißt es, dass der exakte Wirkungsmechanismus der Zervixerweichung durch Dinoproston bislang noch nicht vollständig aufgeklärt wurde (Stand Mai 2021). Dinoproston löse im Myometrium des schwangeren Uterus Kontraktionen aus, die denen bei Geburtswehen ähneln. Ob dies aber durch eine direkte Wirkung von Dinoproston auf das Myometrium erfolgt, sei noch nicht geklärt.

Ganz allgemein würden die „vielfältigen biologischen Aktivitäten des fast ubiquitär im Organismus vorkommenden Dinoprostons“ aber auf eine Stimulation der zellulären Adenylatzyklase mit Bildung von cAMP sowie auf die Beeinflussung des Calcium-Ionen-Transports durch die Zellmembran zurückgeführt. Im Speziellen konnte zudem gezeigt werden, dass Dinoproston die Durchblutung der Zervix erhöht und eine Aufsplittung der Kollagenfasern und Vermehrung der Grundsubstanz der Zervix bewirkt, was auch bei der spontanen Zervixreifung beobachtet werden könne.

Im März 2020 folgte dann anlässlich der Berichterstattung über die Cytotec-Problematik erneut ein RHB zu Misoprostol. Es hieß, dass zahlreiche neue Berichte über schwere Nebenwirkungen bei der Anwendung von Cytotec® außerhalb der zugelassenen Indikation vorlägen. Betont wurde, dass Cytotec® lediglich zur oralen Einnahme vorgesehen ist, nicht geteilt werden darf und die empfohlenen Dosierungen eingehalten werden müssen. 

Angesichts der Rote-Hand-Briefe bleibt ein getrübtes Bild der Prostaglandine in der Geburtseinleitung zurück. Am Mittwoch vergangener Woche berichtete allerdings das Ärzteblatt über das günstige Verhältnis von Wirksamkeit und Risiken bei niedrig dosiertem Misoprostol in der Geburtseinleitung. 

Wie wirkt Misoprostol?

In der Fachinformation zu Misodel (Stand Januar 2018) heißt es zum Wirkmechanismus, dass es sich bei Misoprostol um ein synthetisches Prostaglandin E1-Analogon (PGE1) handelt – „eine natürlicherweise im Körper vorkommende, wehenfördernde Verbindung“. Prostaglandine vom Typ E und F sollen in vitro die Kollagenase-Aktivität in den uterinen Zervixfibroblasten von Kaninchen steigern und in vivo die Reifung der Zervix sowie die Uteruskontraktionen fördern. 

PGE-Analoga entspannen aber laut Fachinformation auch die Bronchial- und Trachealmuskulatur, sie fördern die Schleimproduktion und vermindern die Säure- und Pepsinsekretion im Magen. Außerdem steigern sie die renale Blutzirkulation und die Menge an im Blut zirkulierendem adrenokortikotropen Hormon (ACTH) und Prolaktin. Aufgrund der kurzen Behandlungsdauer bei Geburtseinleitung wurde diesen pharmakodynamischen Effekten in der Fachinformation jedoch keine klinische Bedeutung beigemessen.

Das Ärzteblatt bezieht sich auf einen Cochrane-Review vom 22. Juni: „Nach Studienlage zeigt Misoprostol laut dem Review etwas bessere Resultate als vaginal verabreichtes Dinoproston. Inbesondere in besonders niedrigen Dosierungen bis 25 Mikrogramm führe es wahrscheinlich zu weniger Kaiserschnitten und möglicherweise zu weniger Überstimulationen als Dinoproston, bei gleichzeitig ähnlich guter Wehenauslösung“, gibt das Ärzteblatt die Ergebnisse wider. Um das optimale orale Dosierungsschema für Misoprostol zu ermitteln, seien aber weitere Studien nötig. Der Cochrane-Review unterstützt in seinem Abstract bislang die oft genannten 25 µg.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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