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EMA und PEI über Comirnaty und Spikevax
Myokarditis, Corona-Impfungen und COVID-19
Besteht ein Zusammenhang zwischen einer mRNA-COVID-19-Impfung (von Pfizer/Biontech oder Moderna) und sehr seltenen Myokarditis- oder Perikarditis-Fällen? Es hatte eine Weile gedauert, aber mittlerweile hat sich auch die EMA dazu geäußert. Sie hält einen Zusammenhang für möglich, in Zukunft sollen Fach- und Gebrauchsinformationen darauf hinweisen. Der Nutzen aller zugelassenen COVID-19-Impfstoffe überwiege aber weiterhin die Risiken, heißt es. Dabei nicht genannt, aber sicherlich ein Grund: Auch COVID-19 selbst trifft das Herz.
Der Pharmakovigilanzausschuss (PRAC) gab vergangenen Freitag über die EMA bekannt, dass Myokarditis und Perikarditis in sehr seltenen Fällen nach einer Impfung mit den COVID-19-Impfstoffen Comirnaty und Spikevax (COVID-19 Vaccine Moderna) auftreten können. Zuvor hatten vor allem Berichte aus Israel und den USA die Aufmerksamkeit auf diese neuen möglichen Nebenwirkungen einer mRNA-COVID-19-Impfung gelenkt.
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Nun sollen Myokarditis und Perikarditis gemeinsam mit einem entsprechenden Warnhinweis in die Produktinformationen aufgenommen werden.
- Atemnot,
- ein starker Herzschlag, der unregelmäßig sein kann (Palpitationen) und
- Schmerzen in der Brust
können auf eine Myokarditis oder Perikarditis hindeuten.
Der PRAC stützt seine Entscheidung auf eine Überprüfung von Myokarditis-Fällen im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Davon entfielen 145 auf mit Comirnaty geimpfte Personen, während 19 mit Spikevax von Moderna geimpft worden waren. Außerdem wurden 138 Perikarditis-Fälle bei mit Comirnaty-Geimpften und 19 Fälle nach der Anwendung von Spikevax überprüft. Wobei bis zum 31. Mai 2021 im EWR etwa 177 Millionen Dosen Comirnaty und 20 Millionen Dosen Spikevax verabreicht worden waren.
Zusätzlich habe der PRAC auch weltweit eingegangene Fälle überprüft, heißt es.
Herzentzündung – 14 Tage nach der zweiten Dosis bei jüngeren Männern
Anhand der vorliegenden Daten kam der PRAC zu dem Schluss, dass die beobachteten Fälle hauptsächlich innerhalb von 14 Tagen nach der Impfung, häufiger nach der zweiten Dosis und bei jüngeren erwachsenen Männern auftraten. In fünf der Fälle, die im EWR auftraten, seien Menschen im fortgeschrittenen Alter oder mit Begleiterkrankungen gestorben. Ansonsten scheint eine Erkrankung (bei einem Spezialisten) gut behandelbar zu sein – wenn sie erkannt wird. Bei Symptomen sollte also sofort ein Arzt oder eine Ärztin aufgesucht werden. Ein entsprechender Rote-Hand-Brief wurde angekündigt.
Bis vor kurzem hatten eher die Vektorimpfstoffe von AstraZeneca sowie von Johnson & Johnson im Zentrum medialer Berichterstattung über andere Nebenwirkungen gestanden. Sind Myokarditis und Perikarditis bei Vaxzevria und bei der „COVID-19 Vaccine Janssen“ kein Problem?
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Tatsächlich wurden auch für diese Impfstoffe im EWR solche Fälle gemeldet: Aus der EudraVigilance-Datenbank gehe bis Mai 2021 hervor, dass unter Vaxzevria 38 und unter Janssen keine Myokarditis-Fälle auftraten. Perikarditis wurde unter Vaxzevria 47-mal beobachtet und unter Janssen einmal. Dabei wurde Vaxzevria etwa 40 Millionen Mal und Janssen 2 Millionen Mal verabreicht. So könne bei den Vektorimpfstoffen bislang aber kein kausaler Zusammenhang hergestellt werden, erklärt der PRAC, die Unternehmen seien jedoch aufgefordert worden, zusätzliche Daten einzureichen.
PEI: Enger zeitlicher Zusammenhang zur mRNA-Impfung
Am gestrigen Donnerstag hat das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) seinen neuesten Sicherheitsbericht veröffentlicht. Darin findet auch der Beschluss des PRAC Erwähnung. Außerdem wird betont, dass laut PRAC das Nutzen-Risiko-Verhältnis der mRNA-Impfstoffe weiterhin positiv ist.
Das PEI verweist zudem auf „einzelne gut dokumentierte Fallserien“ aus Israel und den USA. „In allen Fällen konnten trotz zum Teil umfangreicher Untersuchungen keine alternativen Ursachen wie z. B. eine gleichzeitige Virusinfektion identifiziert werden“, heißt es.
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Der kurze zeitliche Abstand, die klinischen Gemeinsamkeiten und das Fehlen anderer identifizierbarer Ursachen würden daher einen Zusammenhang mit der mRNA-Impfung „als zumindest möglich“ erscheinen lassen.
In Deutschland seien bis zum 30. Juni 2021 insgesamt
- 173 Fälle einer Myo- und/oder Perikarditis in unterschiedlichem zeitlichen Zusammenhang nach Comirnaty bei insgesamt mehr als 54 Millionen verimpften Dosen sowie
- 31 Fälle nach Spikevax bezogen auf mehr als 6,4 Millionen Impfdosen berichtet worden.
Daraus ergebe sich derzeit eine Gesamtmelderate in allen Altersgruppen von 0,32 beziehungswese 0,48 Meldungen einer Myokarditis und/oder Perkarditis auf 100.000 Impfdosen der beiden mRNA-Impfstoffe. Eine Auswertung der SafeVac-2.0-Daten ergab dagegen – auf Basis der Selbstauskunft der Teilnehmenden im Vergleich zur Spontanerfassung – eine Häufigkeit von ca. 2,0 pro 100.000 geimpften Personen im Alter 18 bis 49 Jahren. Allerdings basiere diese Berechnung auf wenigen Fällen und müsse daher mit Vorsicht interpretiert werden.
Wie verursacht SARS-CoV-2 selbst Schäden am Herzen?
Wie DAZ-Autorin Dr. Helga Blasius bereits in der DAZ 24/2021 berichtete, gibt es auch für Patientinnen und Patienten mit COVID-19 Fallberichte über Herzmuskelentzündungen. Schon zu Beginn der Corona-Pandemie war schnell klar geworden, dass COVID-19 mehr ist als eine Lungenkrankheit. Immer wieder standen das Herz, die Gefäße und die Blutgerinnung im Zentrum der Berichterstattung. Die Pathophysiologie (einer SARS-CoV-2-assoziierten Myokarditis) liegt dabei aber weitgehend noch im Dunkeln.
Das Science Media Center (SMC) stellt eine durchsuchbare Datenbank mit vom SMC kommentierten wissenschaftlichen Publikationen zum Thema SARS-CoV-2/COVID-19 zur Verfügung. Noch relativ neu (vom 7. Juli) ist dort eine Übersichtsarbeit aus Indien gelistet, in der „klinische Charakteristika und diagnostische Befunde bei einer Myokarditis im Zusammenhang mit COVID-19 aus mehreren Studien zusammengestellt“ wurden, die Daten stammen aus vielen verschiedenen Ländern. Es handelt sich um eine Literaturrecherche.
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Insgesamt seien darin Daten aus 41 Studien gesammelt worden, die eine Myokarditis bei 42 COVID-19-Patient:innen beschreiben (medianes Alter 43,4 Jahre, 71,4 Prozent männlich). Von den 42 Patient:innen erholten sich 67 Prozent, acht starben.
In einem Kommentar zur Studie erläutert das SMC, dass die Autor:innen der Studie mutmaßen, dass die ACE2-Rezeptoren im Herzgewebe durch eine Bindung von SARS-CoV-2 zu einer direkten viralen Schädigung und somit Myokarditis führen könnten. Das SMC gibt an dieser Stelle jedoch die sehr kleine untersuchte Kohorte zu bedenken. Längerfristige und größer angelegte Studien seien vonnöten.
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