Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

15.08.2021, 07:30 Uhr

Mitten im Sommer: Winds of Change in der Apolandschaft – wie sich so manches auf einmal ändert... (Foto: Alex Schelbert)

Mitten im Sommer: Winds of Change in der Apolandschaft – wie sich so manches auf einmal ändert... (Foto: Alex Schelbert)


Apotheken-Plattform-Hype: Jetzt segelt sogar die Sanacorp mit ihren mea-Apotheken im Plattform-Boot der Noweda mit und bleibt trotzdem beim Wettbewerber gesund.de – was es alles gibt! Neues auch vom DAV: Ein digitaler Gesellschaftszauber ist ausgebrochen! Kommt die "GEDISA" als neue Digitalgesellschaft statt DAV-Portal? – das Geld dafür will man sich wieder einmal von den Verbänden holen, wo sonst. Weitere Überraschungen in dieser Woche: Noch viele Detailfragen beim E-Rezept offen. Apothekertagsanträge wollen mehr Grippeschutzimpfungen und auch Corona-Auffrischimpfungen in Apotheken. Und warum die alte Opiumtinktur den Untergang der Apotheke von heute bringen könnte.

9. August 2021

Apotheken sollen nicht nur digitale Impfzertifikate ausstellen können, sondern schon bald auch Covid-19-Genesenenzertifikate. Dafür macht sich die ABDA in einer Stellungnahme zur geplanten Änderung der Coronavirus-Testverordnung stark. Sobald das Bundesgesundheitsministerium per Verordnung den Abrechnungsweg angepasst hat, könnte es losgehen, meint die ABDA und verweist darauf, dass das DAV-Portal technisch dafür schon gerüstet sei. Ja sag mal, mein liebes Tagebuch, DAV-Portal, Technik, digitale Zertifikate – da gab’s doch erst vor Kurzem ein mittleres Desaster mit den Impfzertifikaten. Nichts funktionierte. Und nun soll das Portal auch für die Genesenenzertifikate technisch bereit sein. Wieder große Worte und nichts dahinter? Möge der Digital-Gott ein offenes Ohr haben, der ABDA, dem DAV und seinem Portal gewogen sein. Dann kann, wer will, auch schon bald in diese Dienstleistung einsteigen. Abgerechnet werden soll übrigens dann nicht über die Kassenärztlichen Vereinigungen, die bisher für Genesenenzertifikate zuständig sind. Das BMG will die Abrechnungswege von Impf- und Genesenenzertifikaten künftig über die Apothekenrechenzentren laufen lassen, was durchaus eine bürokratische Erleichterung mit sich bringen wird. Das könnte auch die Bereitschaft der Apotheken zur Erstellung von Genesenenzertifikaten fördern, ist die ABDA überzeugt, der Zugang zu solchen Zertifikaten könnte so für die Bürgerinnen und Bürgern verbessert werden.

 

Der Markt der Apotheken-Plattformen ist ständig in Bewegung. Da sortiert sich derzeit einiges. Neueste Nachricht: Der „Zukunftspakt Apotheke“ (mit der Plattform "ia.de") meldet ein neues Mitglied: „mea – meine Apotheke“, die Apothekenkooperation der genossenschaftlichen Pharmahändlers Sanacorp, schließt sich dem Zukunftspakt an. Das Delikate an dieser Nachricht: Sanacorp ist bekanntlich eines der Gründungsmitglieder des konkurrierenden Digitalbündnisses Pro AvO, das mittlerweile in „gesund.de" aufgegangen ist. Also, die mehr als 3000 Apotheken der Sanacorp-Kooperation „mea – meine Apotheke“ wechseln zur Konkurrenz. Das bedeutet, dass die beiden apothekereigenen Großhändler Noweda und Sanacorp ihre Kräfte im Plattform-Wettbewerb bündeln. Mein liebes Tagebuch, und was macht Sanacorp dann bei ProAvO bzw. gesund.de? Laut Sanacorp-Chef Herbert Lang wolle man Gesellschafter bei ProAvO bleiben: „Als Apothekergenossenschaft ist es unser Auftrag, unseren Mitgliedern und Kunden den sicheren und einfachen Zugang zu allen relevanten Gesundheitsplattformen zu ermöglichen.“ Das ist der Tanz auf zwei Hochzeiten, oder? Nun ja, da solche Tänze auf Dauer nicht gut gehen können: Vielleicht ist dies dann tatsächlich „ein weiterer Schritt in Richtung einer gemeinsamen Branchenlösung für die stationäre Apotheke in einem sich stark verändernden, digitalen Wettbewerbsumfeld“, wie es Lang ausdrückte – was immer diese sibyllinischen Worte bedeuten mögen? Eine Plattform für alle? Da kommt noch was auf uns Apothekers zu.

 

Nicht nur um Plattform-Markt geht’s rund, auch beim DAV-Portal des Deutschen Apothekerverbands (DAV) „mein-apothekenportal.de", das unlängst mit der Digitalisierung der Impfzertifikate einen mehr als holprigen Start aufs digitale Parkett gelegt hat und dabei auch schon mal abstürzte. Doch das soll sich nun ändern, man ist ja lernfähig. Das Portal, das demnächst neben der Digitalisierung der Impf- auch für die Genesenenzertifikate zuständig sein soll, will sich anders aufstellen: Brancheninsidern zufolge soll eine eigene Digitalgesellschaft namens GEDISA gegründet werden. Hintergrund ist wohl auch, dass es haftungsrechtlich und finanziell problematisch ist, wenn ein eingetragener Verein – wie es der DAV ist – so ein Portal betreibt. Mein liebes Tagebuch, dass man sich das nicht vorher überlegt hat? Nun ja, vielleicht hat das auch damit zu tun, dass es für die neu zu gründende Digitalgesellschaft GEDISA ein paar finanzielle Mittelchen braucht – und die will man sich nun von den Verbänden per Sonderumlage holen, wie es zu vernehmen ist. Verbandsmitglieder kennen das schon: Man hat dieses Verfahren der Geldbeschaffung bereits beim Aufbau des DAV-Portals genutzt und so 1 Million Euro von den Verbänden, sprich Verbandsmitgliedern eingesammelt. Und vermutlich wird die neue Umlage zum Aufbau der GEDISA deutlich höher ausfallen. Mein liebes Tagebuch, da stellt sich doch dann auch die Frage: Hätte man sich das DAV-Portal nicht gleich schenken können und hätte man da nicht besser gleich eine GEDISA oder GEDÖNSA oder wie auch immer aufbauen können? Und ja, braucht es überhaupt so eine zusätzliche Digitalgesellschaft, wenn unter dem Dach der ABDA schon die NGDA, die Netzgesellschaft Deutscher Apotheker mbh, die „zuverlässige, zentrale Vertrauensstelle im Apothekenmarkt“ (so ihre Eigendarstellung) arbeitet? Eine gute, zuverlässige Gesellschaft reicht! Was soll dieser digitale Gesellschaftszauber, der nur Geld kostet?



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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4 Kommentare

Wahlmüdigkeit

von Wolfgang Steffan am 16.08.2021 um 8:52 Uhr

Ich schließe mich dem Kommentar vom Kollegen Rodiger
voll an: Die PZ trieft von Hofberichterstattung, die DAZ ist immerhin etwas kritischer. Aber, gibt es denn in Apothekerkreisen irgendeine Oposition, die in wenigstens einer der beiden Medien, zu Worte kommt ? Wen soll ich wählen, wenn mir die jämmerliche, sog.Berufs- Politik "unserer" ABDA nicht paßt ? Wahlverweigerung ist die einzige Antwort in dieser berufl. Schein-Demokratie !

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Wo nichts zu wählen ist

von Reinhard Rodiger am 15.08.2021 um 11:55 Uhr

Genauso wenig wie der Apothekertag ein Parlament ist, ist eine Wahlenthaltung von 75% eine Legitimation der Führung. In "normalen" Parlamenten ist eine nicht legitimierte Führung abwählbar oder wirksam zur Rechtfertigung zu zwingen. Und zwar jederzeit.Bei uns nicht.Da wird nicht mal geantwortet.
Auf allen Ebenen.
Es fehlt ein echtes Parlament.Deshalb gibt es nichts zu wählen.Der Gleichklang ist zu stark.Ohne Chance gehört zu werden gibt es kein Bemühen, das anhält.
Da ein offener Diskurs fehlt,übernimmt die Presse einen Teil dieser Aufgabe.Ein Armutszeugnis für die Führung.

Das Problem, dass die Führung sich nicht fragt, woran diese Abstinenz liegt, ist Jahrzehnte alt.Es erledigt sich nicht von selbst, sondern verstärkt sich.Sie agiert zunehmend im legitimationsfreien Raum.

Solange Kammern eher die eigenen Leute drangsalieren , die Regierung hofieren und Diskurs unterbinden, solange ist es wohlfeil.die Wahlmüdigkeit zu beklagen.Denn sie wird ja erzeugt.
Ich kann kein Bemühen erkennen, in einen breiteren Diskurs etwa über mehr Augenmass zu treten.Jedenfalls gibt es keine Diskursplattform. Wo nur Applaus gefragt ist und Achtung anderer Meinung fehlt, entsteht kein Mitmachen.Das ist nicht das Problem derer, die nichts wählen,wo nichts zu wählen ist.Es bleibt ein konzeptionelles Führungsdefizit.

Solange das so ist, bleibt die Presse die einzige Hoffnung, die Gedanken zu artikulieren,die nicht gehört werden wollen.

Hier hat die DAZ leider Biss und Willen zu sehr geglättet.Die Chancen hier eine eklatante Lücke zu füllen, könnten überzeugend genutzt werden.Übrigens auch für die eigentlich verantwortlichen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Wo nichts zu wählen ist

von Karl Friedrich Müller am 15.08.2021 um 14:57 Uhr

Super

Extreme Kammerwahlmüdigkeit

von Ulrich Ströh am 15.08.2021 um 9:35 Uhr

Lieber Herr Ditzel, die Deutsche Apotheker Zeitung sollte auch einen Beitrag gegen die ausgeprägte Wahlmüdigkeit bei Kammerwahlen leisten .
Die Berichtartikel in der DAZ über die Kammerversammlungen sollten für Leser interessanter geschrieben werden.
Wenn dann in der DAZ weitgehend nur der Bericht der
Kammerpräsidenten und deren Zukunftserwartungen Erwähnung finden, dann bleibt das Leserinteresse gering.

Kann man besser machen…
Und immer an den Leser denken…

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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