- DAZ.online
- News
- Debatte & Meinung
- Mein liebes Tagebuch
12. August 2021
Ein halbes Jahr vor Einführung des E-Rezepts möchte die Gematik von der sehr geehrten Frau Apothekerin, von dem sehr geehrten Herrn Apotheker in einer Umfrage wissen, welche Erwartungen sie mit dem E-Rezept verbinden. Konkret solle es darum gehen, welche Erwartungen die Nutzerinnen und Nutzer allgemein mit den zeitnah verfügbaren TI-Anwendungen wie zum Beispiel dem E-Rezept verknüpfen. Äh, ja, mein liebes Tagebuch, jetzt schon? Ein halbes Jahr zuvor? Mal im Ernst: Warum befragt man uns Apothekers erst jetzt, warum ist so eine Umfrage nicht schon längst gelaufen? Vielleicht hätte die Gematik dann besser auf Wünsche und Vorstellungen reagieren können. Aber ein halbes Jahr vor der Einführung?
Allzu oft wird sie wohl nicht mehr verordnet, die „Tinctura Opii“, vulgo Opiumtinktur. Gleichwohl, sie kommt vor. Und früher war das für die Apotheke kein allzu großes Problem: BtM-Schrank aufschließen, Opiumtinktur als Rezeptur abfüllen, etikettieren, die BtM-Verordnung dokumentieren und alles schön taxieren – fertig. Früher! Heute hat sich um eines der ältesten noch angewendeten Arzneimittel ein juristisches, wirtschaftliches und berufspolitisches Konstrukt zusammengebraut, das sogar eine Diskussion über die Zukunft des Rezepturprivilegs auslöst, wie DAZ-Redakteur Thomas Müller-Bohn in seinem lesenswerten Beitrag analysiert hat. Der Hintergrund: Früher gab’s die alkoholische Opiumlösung nur als Ware für die Rezeptur, bis eine dänische Firma Opiumtinktur als zugelassenes Fertigarzneimittel (Dropizol) auf den Markt brachte. Und dann begannen die Rechtsstreitigkeiten zwischen Herstellern und bald auch auf Apothekenebene. Im Mittelpunkt steht dabei meist die Frage, ob die abgefüllte Opiumtinktur ein zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel ist und gegebenenfalls an welcher Stelle sie dazu wird. Und letztendlich hat dies auch etwas mit dem Preis zu tun, der hinten dabei raus kommt. Und da kommen die Frage nach der Wirtschaftlichkeit ins Spiel und die Krankenkassen, die das bezahlen müssen. Und letztlich hat die Rezeptur ja auch eine zentrale Bedeutung für das Selbstverständnis der Apotheker und für die Versorgungssicherheit – da gibt’s dann grundsätzliche Fragen und Folgen, wie: Ist das Abfüllen eines Arzneimittels, das klassische Dispensieren, wie es seit Jahrhunderten praktiziert wird, nun eine Apothekertätigkeit in Urform, also eine Rezeptur oder nicht? Einige Gerichte wollen erkennen, das dies keine Rezeptur sei, sondern ein Fertigarzneimittel. Als ob ein Produkt wie die Opiumtinktur ein Fertigarzneimittel sein könne – sie stammt doch aus einer Zeit, in der es Fertigarzneimittel noch gar nicht gab. Was mit dieser Frage alles zusammenhängt – den Kommentar von Müller-Bohn sollten Sie sich nicht entgehen lassen. Er macht deutlich, dass auch das Abfüllen anderer Arzneimittel (Cannabisblüten!) infrage gestellt werden könnte. Und letztlich könnte auch die Rezeptur als Institution kippen und die Versender hätten ein willkommenes Argument: Ein wesentlicher Unterschied zwischen Vor-Ort-Apotheke und Versender wäre weg – eine Katastrophe für uns, eine Katastrophe für Patienten. Aber es gibt noch mehr dazu zu erzählen! Mein liebes Tagebuch, treiben wir es auf die Spitze: Die Opiumtinktur – bringt sie den Untergang der Apotheke von heute?
4 Kommentare
Wahlmüdigkeit
von Wolfgang Steffan am 16.08.2021 um 8:52 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Wo nichts zu wählen ist
von Reinhard Rodiger am 15.08.2021 um 11:55 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Wo nichts zu wählen ist
von Karl Friedrich Müller am 15.08.2021 um 14:57 Uhr
Extreme Kammerwahlmüdigkeit
von Ulrich Ströh am 15.08.2021 um 9:35 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.