Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

15.08.2021, 07:30 Uhr

Mitten im Sommer: Winds of Change in der Apolandschaft – wie sich so manches auf einmal ändert... (Foto: Alex Schelbert)

Mitten im Sommer: Winds of Change in der Apolandschaft – wie sich so manches auf einmal ändert... (Foto: Alex Schelbert)


12. August 2021

Ein halbes Jahr vor Einführung des E-Rezepts möchte die Gematik von der sehr geehrten Frau Apothekerin, von dem sehr geehrten Herrn Apotheker in einer Umfrage wissen, welche Erwartungen sie mit dem E-Rezept verbinden. Konkret solle es darum gehen, welche Erwartungen die Nutzerinnen und Nutzer allgemein mit den zeitnah verfügbaren TI-Anwendungen wie zum Beispiel dem E-Rezept verknüpfen. Äh, ja, mein liebes Tagebuch, jetzt schon? Ein halbes Jahr zuvor? Mal im Ernst: Warum befragt man uns Apothekers erst jetzt, warum ist so eine Umfrage nicht schon längst gelaufen? Vielleicht hätte die Gematik dann besser auf Wünsche und Vorstellungen reagieren können. Aber ein halbes Jahr vor der Einführung?

 

Allzu oft wird sie wohl nicht mehr verordnet, die „Tinctura Opii“, vulgo Opiumtinktur. Gleichwohl, sie kommt vor. Und früher war das für die Apotheke kein allzu großes Problem: BtM-Schrank aufschließen, Opiumtinktur als Rezeptur abfüllen, etikettieren, die BtM-Verordnung dokumentieren und alles schön taxieren – fertig. Früher! Heute hat sich um eines der ältesten noch angewendeten Arzneimittel ein juristisches, wirtschaftliches und berufspolitisches Konstrukt zusammengebraut, das sogar eine Diskussion über die Zukunft des Rezepturprivilegs auslöst, wie DAZ-Redakteur Thomas Müller-Bohn in seinem lesenswerten Beitrag analysiert hat. Der Hintergrund: Früher gab’s die alkoholische Opiumlösung nur als Ware für die Rezeptur, bis eine dänische Firma Opiumtinktur als zugelassenes Fertigarzneimittel (Dropizol) auf den Markt brachte. Und dann begannen die Rechtsstreitigkeiten zwischen Herstellern und bald auch auf Apothekenebene. Im Mittelpunkt steht dabei meist die Frage, ob die abgefüllte Opiumtinktur ein zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel ist und gegebenenfalls an welcher Stelle sie dazu wird. Und letztendlich hat dies auch etwas mit dem Preis zu tun, der hinten dabei raus kommt. Und da kommen die Frage nach der Wirtschaftlichkeit ins Spiel und die Krankenkassen, die das bezahlen müssen. Und letztlich hat die Rezeptur ja auch eine zentrale Bedeutung für das Selbstverständnis der Apotheker und für die Versorgungssicherheit – da gibt’s dann grundsätzliche Fragen und Folgen, wie: Ist das Abfüllen eines Arzneimittels, das klassische Dispensieren, wie es seit Jahrhunderten praktiziert wird, nun eine Apothekertätigkeit in Urform, also eine Rezeptur oder nicht? Einige Gerichte wollen erkennen, das dies keine Rezeptur sei, sondern ein Fertigarzneimittel. Als ob ein Produkt wie die Opiumtinktur ein Fertigarzneimittel sein könne – sie stammt doch aus einer Zeit, in der es Fertigarzneimittel noch gar nicht gab. Was mit dieser Frage alles zusammenhängt – den Kommentar von Müller-Bohn sollten Sie sich nicht entgehen lassen. Er macht deutlich, dass auch das Abfüllen anderer Arzneimittel (Cannabisblüten!) infrage gestellt werden könnte. Und letztlich könnte auch die Rezeptur als Institution kippen und die Versender hätten ein willkommenes Argument: Ein wesentlicher Unterschied zwischen Vor-Ort-Apotheke und Versender wäre weg – eine Katastrophe für uns, eine Katastrophe für Patienten. Aber es gibt noch mehr dazu zu erzählen! Mein liebes Tagebuch, treiben wir es auf die Spitze: Die Opiumtinktur – bringt sie den Untergang der Apotheke von heute?



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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4 Kommentare

Wahlmüdigkeit

von Wolfgang Steffan am 16.08.2021 um 8:52 Uhr

Ich schließe mich dem Kommentar vom Kollegen Rodiger
voll an: Die PZ trieft von Hofberichterstattung, die DAZ ist immerhin etwas kritischer. Aber, gibt es denn in Apothekerkreisen irgendeine Oposition, die in wenigstens einer der beiden Medien, zu Worte kommt ? Wen soll ich wählen, wenn mir die jämmerliche, sog.Berufs- Politik "unserer" ABDA nicht paßt ? Wahlverweigerung ist die einzige Antwort in dieser berufl. Schein-Demokratie !

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Wo nichts zu wählen ist

von Reinhard Rodiger am 15.08.2021 um 11:55 Uhr

Genauso wenig wie der Apothekertag ein Parlament ist, ist eine Wahlenthaltung von 75% eine Legitimation der Führung. In "normalen" Parlamenten ist eine nicht legitimierte Führung abwählbar oder wirksam zur Rechtfertigung zu zwingen. Und zwar jederzeit.Bei uns nicht.Da wird nicht mal geantwortet.
Auf allen Ebenen.
Es fehlt ein echtes Parlament.Deshalb gibt es nichts zu wählen.Der Gleichklang ist zu stark.Ohne Chance gehört zu werden gibt es kein Bemühen, das anhält.
Da ein offener Diskurs fehlt,übernimmt die Presse einen Teil dieser Aufgabe.Ein Armutszeugnis für die Führung.

Das Problem, dass die Führung sich nicht fragt, woran diese Abstinenz liegt, ist Jahrzehnte alt.Es erledigt sich nicht von selbst, sondern verstärkt sich.Sie agiert zunehmend im legitimationsfreien Raum.

Solange Kammern eher die eigenen Leute drangsalieren , die Regierung hofieren und Diskurs unterbinden, solange ist es wohlfeil.die Wahlmüdigkeit zu beklagen.Denn sie wird ja erzeugt.
Ich kann kein Bemühen erkennen, in einen breiteren Diskurs etwa über mehr Augenmass zu treten.Jedenfalls gibt es keine Diskursplattform. Wo nur Applaus gefragt ist und Achtung anderer Meinung fehlt, entsteht kein Mitmachen.Das ist nicht das Problem derer, die nichts wählen,wo nichts zu wählen ist.Es bleibt ein konzeptionelles Führungsdefizit.

Solange das so ist, bleibt die Presse die einzige Hoffnung, die Gedanken zu artikulieren,die nicht gehört werden wollen.

Hier hat die DAZ leider Biss und Willen zu sehr geglättet.Die Chancen hier eine eklatante Lücke zu füllen, könnten überzeugend genutzt werden.Übrigens auch für die eigentlich verantwortlichen.

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AW: Wo nichts zu wählen ist

von Karl Friedrich Müller am 15.08.2021 um 14:57 Uhr

Super

Extreme Kammerwahlmüdigkeit

von Ulrich Ströh am 15.08.2021 um 9:35 Uhr

Lieber Herr Ditzel, die Deutsche Apotheker Zeitung sollte auch einen Beitrag gegen die ausgeprägte Wahlmüdigkeit bei Kammerwahlen leisten .
Die Berichtartikel in der DAZ über die Kammerversammlungen sollten für Leser interessanter geschrieben werden.
Wenn dann in der DAZ weitgehend nur der Bericht der
Kammerpräsidenten und deren Zukunftserwartungen Erwähnung finden, dann bleibt das Leserinteresse gering.

Kann man besser machen…
Und immer an den Leser denken…

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