Irreführende Versprechen und belästigende Werbung

Cyber-Apothekenversicherung vor Gericht

19.10.2021, 15:15 Uhr

Zum Kundenkreis der ApoRisk GmbH sollen eigenen Angaben zufolge rund 5.000 Apothekerinnen und Apotheker zählen. (Foto: h_lunke /AdobeStock)

Zum Kundenkreis der ApoRisk GmbH sollen eigenen Angaben zufolge rund 5.000 Apothekerinnen und Apotheker zählen. (Foto: h_lunke /AdobeStock)


Mehrere Tausend Apotheken sollen zum Kundenkreis von ApoRisk zählen und ein Teil von ihnen könnte mit falschen Versicherungsversprechen gewonnen worden sein. Im Rahmen mehrerer Gerichtsverfahren schaffte es der Versicherungsvermittler nicht zu belegen, dass beworbene Leistungen tatsächlich versichert sind. Konkret ging es vor dem Landgericht Lübeck um eine Cyber-Versicherung. Prozessbeteiligte bewerten die Thematik als sehr heikel und als existenzbedrohend für die betroffenen Apotheken, sollte es zu einem Schadensfall kommen.

Bahnt sich gerade ein branchenweiter Skandal an, von dem zahlreiche Apotheken betroffen sind? Zum Kundenkreis der ApoRisk GmbH, einem Apothekenversicherungsvermittler, zählen eigenen Angaben zufolge rund 5.000 Apothekerinnen und Apotheker. Die Aktivitäten des Karlsruher Unternehmens werden in der Versicherungsbranche bereits seit Längerem mit Irritationen wahrgenommen, wie Insider gegenüber der DAZ berichten. Konkret geht es um mögliche Unwahrheiten, Täuschungen, maßlose Übertreibungen sowie unlautere Geschäftspraktiken.

Einige der Vorwürfe wurden mittlerweile durch unterschiedliche Gerichte bestätigt – es existieren rechtskräftige Urteile, die von der Berufsöffentlichkeit aber bisher offenbar nicht wahrgenommen wurden. Gegenüber der DAZ bestreitet ApoRisk die Vorwürfe und beziffert den Kundenkreis auf 5.000 Apothekerinnen und Apotheker, davon 2.000 Inhaberinnen und Inhaber mit 2.800 bis 3.000 Apotheken. Etwa 35 Prozent von ihnen sollen eine Cyber-Versicherung abgeschlossen haben. Es sollen darüber hinaus Rahmenverträge mit den Apothekerverbänden Mecklenburg-Vorpommern und Hessen laufen.

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Zunehmende Risiken erfordern proaktives Handeln

Zum Hintergrund: Bei ApoRisk handelt es sich um eine Firma, die nicht selbst versichert, sondern Aufgaben von Versicherungsgesellschaften übernimmt und in deren Vollmacht handelt. Es geht also vor allem um die Vermittlung von Versicherungen. Dafür konzipiert ApoRisk Leistungspakete und sucht Versicherungsgesellschaften, die das jeweilige Risiko tragen – in diesem Fall die Helvetia oder auch die Basler.

Markt- und Bestandsgarantie im Fokus

Doch um welche Versicherungen geht es konkret? Das Landgericht Lübeck hat am 27. Juli dieses Jahres ein rechtskräftiges Urteil verkündet, mit dem eine vorangegangene einstweilige Verfügung bestätigt wurde. Diese verbietet ApoRisk, gegenüber Apothekerinnen und Apothekern damit zu werben, dass „sämtliche zum Zeitpunkt des Schadens am deutschen Markt angebotenen Deckungserweiterungen als mitversichert gelten“ (Az.: 16 O 89/20). Solch eine Aussage wird im Versicherungsjargon als Marktgarantie bezeichnet. ApoRisk nutzte dieses Versprechen unter anderem für die Cyber-Versicherung „PharmaRisk Cyber“. Darüber hinaus wurde es dem Versicherungsvermittler verboten, Neukunden mit einer sogenannten Bestandsgarantie zu locken, bei der die Leistungen des Vorversicherers übernommen werden.

Landgericht Lübeck: Werbeversprechen inhaltlich unzutreffend und irreführend

Im Rahmen des Verfahrens vor dem Landgericht Lübeck war ApoRisk nicht in der Lage, überzeugende Belege vorzulegen, die zeigen, dass die jeweiligen Versicherungsgesellschaften tatsächlich das Risiko abdecken. Im Fall der Cyber-Versicherung für Apotheken ging es um einen Vertrag mit der Helvetia. Die Gegenseite konnte sogar beweisen, dass die Versprechen mit der Helvetia gar nicht abgestimmt waren und von ihr nicht getragen werden. Dies zeigten auch die vorgelegten Vereinbarungen zwischen ApoRisk und Helvetia, die solche Werbeversprechen nicht enthielten. Das Gericht bewertete die Aussagen als inhaltlich unzutreffend und irreführend. Geklagt hatte der ebenfalls auf Apotheken und Sanitätshäuser spezialisierte Versicherungsmakler Steffen Benecke, der gemeinsam mit seinem Anwalt Jascha Arif die entsprechenden Unterlagen und Geschäftspraktiken zuvor geprüft hatte.

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ApoRisk erklärt auf DAZ-Anfrage: „Den Rechtsstreit haben wir in erster Linie verloren, weil dieser Rahmenvertrag erst zu November 2020 dokumentiert wurde. Demnach war für das Gericht die spätere Dokumentierung des Rahmenvertrages als Beweismittel für unsere Werbungmaßnahmen nicht ausreichend. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir die Kunden von ApoRisk benachteiligen.“

In der Urteilsbegründung liest man jedoch, dass dem Gericht sehr wohl die Rahmenvereinbarung vorlag und es auf dieser Grundlage nicht für erwiesen hält, ob tatsächlich eine Bestandsgarantie existiert, wenn noch eine gesonderte Risikoprüfung erfolgen muss. Ein entsprechender Passus wird aus einer E-Mail des „Direktionsbevollmächtigten Underwriters“ Benzing der Helvetia Versicherungen vom 15. Januar 2021 zitiert: „Erst nach erfolgreicher Antragsprüfung ...“. Die E-Mail des Helvetia-Vertreters hebt darüber hinaus hervor, die Bestandgarantie sei ein „optionaler Bestandteil unserer Vereinbarung“. Und weiter liest man in der Urteilsbegründung: „Dass es im Juli 2020 einen Versicherer gab, der pauschal bereit war, alle Leistungen des Vorversicherers zu übernehmen, hat die Beklagte nicht glaubhaft gemacht.“

Apotheken fühlten sich von Mails, Faxen oder Anrufen „bombardiert“

Doch das Gerichtsverfahren drehte sich noch um eine weitere Angelegenheit, die wahrscheinlich von weitaus mehr Apotheken in den vergangenen Jahren wahrgenommen wurde. ApoRisk wirbt für die versprochenen Versicherungsangebote mit äußerst hoher Penetranz. Apothekerinnen und Apotheker berichteten gegenüber der DAZ, dass sie sich von Mails, Faxen oder Anrufen regelrecht „bombardiert“ fühlten. Flyer mit denselben langatmigen Werbeaussagen würden zum Teil immer wieder in den Apotheken empfangen. Dabei geht es um Dokumente mit dutzenden Seiten anpreisendem Text. Auch hier kam das Landgericht Lübeck zu dem Schluss, dass diese Geschäftspraktiken eindeutig illegal und durch das Wettbewerbsrecht sanktioniert sind. Während sich die Lübecker Richter vor allem mit den Werbefaxen auseinandersetzen mussten, gab es bereits vor einigen Jahren Verfahren vor dem Landgericht und Oberlandesgericht Karlsruhe (Az.: 18 O 34/16 und 6 U 164/16), bei denen ApoRisk die Verbreitung von belästigenden Werbemails untersagt wurde. Auch das Landgericht Mönchengladbach hat nach dem erneuten Versand zahlreicher Werbemails im September dieses Jahrs ein entsprechendes Verbot ausgesprochen (Az.: 8 O 26/21). Die Gerichtsentscheidungen sind inzwischen allesamt rechtskräftig oder wurden von der ApoRisk GmbH anerkannt.

Anwalt des Klägers befürchtet existenzbedrohende Situationen

Der Anwalt des Klägers, Jascha Arif, erklärt gegenüber der DAZ, dass er die ganze Thematik für sehr heikel halte. Auf die Apotheken könnten existenzbedrohende Situationen zukommen, weil im Schadensfall die Versicherungen nicht aufkommen. „Wenn Versicherungsleistungen tatsächlich gar nicht vom Risikoträger abgedeckt sind, steht die Apotheke ohne Versicherungsschutz da.“ Arif weist in dem Zusammenhang nachdrücklich darauf hin, dass ApoRisk selber gar nicht versichern dürfe. „Hierfür benötigen die Unternehmen eine BaFin-Erlaubnis und es bestehen hohe gesetzliche Anforderungen.“ Sollte es tatsächlich so sein, dass mehrere Tausend Apotheken betroffen sind, berge dies eine „immense Sprengkraft“ für die Branche. Zur penetranten Werbung von ApoRisk sagt Arif: „Das Problem hier ist auch, dass die Apotheker sich zwar oftmals sehr belästigt fühlen, jedoch auch unsicher sind, ob so eine Form der Ansprache nicht doch erlaubt und damit hinzunehmen sei.“



Deutsche Apotheker Zeitung
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

ApoRisk

von Arne Müller am 19.10.2021 um 16:11 Uhr

Unglaublich. Und so etwas darf in Deutschland jahrelang ungestraft geschehen. Peinlich....

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