Behandlung und Vorbeugung von COVID-19

Corona-Antikörper – wo stehen wir?

Stuttgart - 15.11.2021, 09:15 Uhr

Casirivimab/Imdevimab und Regdanvimab sind in der EU bereits zugelassen. (s / Foto: Siarhei / AdobeStock)

Casirivimab/Imdevimab und Regdanvimab sind in der EU bereits zugelassen. (s / Foto: Siarhei / AdobeStock)


Die Namen muten durchaus kompliziert an. Unübersichtlich wird es auch schnell, welcher der SARS-CoV-2-Antikörper in welchem Stadium des EMA-Zulassungsprozesses ist und welcher zur Behandlung von COVID-19, welcher zur Prävention gedacht ist: Casirivimab und Imdevimab, Tixagevimab und Cilgavimab, Regdanvimab oder Sotrovimab – wie ist der Stand?

Der beste Schutz vor einer COVID-19-Erkrankung ist sicher die Impfung. Sie stimuliert unser Immunsystem – unter anderem durch Antikörperbildung –, eine SARS-CoV-2-Infektion möglichst abzuwehren und am besten gar nicht oder zumindest nicht schwer zu erkranken. Neben aktiven Impfstoffen wird auch an SARS-CoV-2-Antikörperpräparaten geforscht. Noch ist in der EU keiner dieser Antikörper zugelassen – wenngleich sie auch durchaus schon angewendet werden können –, doch prüft die EMA bereits SARS-CoV-2-Antikörper im Rolling-Review- oder sogar Zulassungsverfahren.

Wie funktionieren diese Antikörper und wann werden sie eingesetzt: bei Infizierten, um schwere Verläufe zu verhindern, oder bereits bei Nicht-Infizierten, die nicht geimpft werden können, um auch diese Menschen vor COVID-19 zu schützen? Mit welchen Antikörpern können wir in Bälde rechnen? Die DAZ gibt einen Überblick.

Antikörper binden an SARS-CoV-2-Spikeprotein

Antikörper gegen SARS-CoV-2 sollen das Virus abfangen und neutralisieren. Sie werden parenteral verabreicht – also per Infusion oder Injektion –, binden an SARS-CoV-2, inaktivieren das Virus und verhindern so, dass SARS-CoV-2 menschliche Zellen infizieren, sich vermehren und ausbreiten kann. Die derzeit am weitesten fortgeschrittenen Antikörper zielen auf das Spikeprotein von SARS-CoV-2. Durch Bindung an das Spikeprotein blockiert der Antikörper die Interaktion dessen mit der menschlichen Zelle (genauer: mit dem Angiotensin-konvertierenden Enzym 2 [ACE2]) und damit das Eindringen des Virus.

Wo kommen diese Antikörper her?

Vorbild für die therapeutischen Antikörper gegen Corona sind meistens „Original“-Antikörper aus dem Blut von bereits mit SARS-CoV-2 infiziert gewesenen Patienten, die mittlerweile genesen sind. Die Idee ist durchaus klug, haben diese Antikörper wohl dazu beigetragen, dass der COVID-19-Patient wieder gesund wurde. Der Körper bildet bei einer SARS-CoV-2- Infektion allerdings nicht nur eine einzige Sorte von Antikörpern. Die Frage ist also: Welcher von diesen entnommenen Antikörpern ist der beste? Um das herauszufinden, prüfen Wissenschaftler im Labor zunächst, welche der entnommenen Antikörper besonders effektiv gegen SARS-CoV-2 wirken. Diese Antikörper werden sodann weiterentwickelt und optimiert, beispielsweise auch dahingehend, dass sie eine längere Halbwertszeit und Wirkdauer haben.

Welche Antikörper gibt es bereits?

Der Humanarzneimittelausschuss der EMA (CHMP) empfahl am 11. November 2021 gleich zwei SARS-CoV-2-Antikörper-Präparate zur Zulassung: Casirivimab und Imdevimab in Ronapreve® und Refdanvimab in Regkirona®. Daneben laufen zwei Rolling-Review-Verfahren zu Tixagevimab und Cilgavimab in Evusheld® und Sotrovimab.

Antikörpercocktail Casirivimab und Imdevimab zur Zulassung empfohlen

Wichtig für die EU ist nach positiver CHMP-Empfehlung derzeit vor allem das Antikörperduo Casirivimab plus Imdevimab (REGN-COV2) von Regeneron und Roche, der Handelsname ist Ronapreve. Die EU-Kommission ließ den Antikörper-Cocktail am 12. November zu. Die Antikörper wurden bereits im Frühjahr zentral beschafft, sie können nicht über Roche oder den Großhandel bezogen werden, sondern ausschließlich über sogenannte Stern- bzw. Satelliten-Apotheken. Eine Liste mit den bevorratenden Apotheken stellt das RKI bereit. 

Beide Antikörper binden an das Spikeprotein von SARS-CoV-2, jedoch an unterschiedlichen Stellen, was die Wirksamkeit erhöhen soll. Eingesetzt werden sollen sie künftig zur Behandlung und Prävention von COVID-19 bei Erwachsenen und Jugendlichen ab zwölf Jahren (Mindestgewicht 40 kg) bei Patienten, die keine zusätzliche Sauerstofftherapie benötigen und bei denen ein erhöhtes Risiko für schweres COVID-19 besteht. Dabei erhalten COVID-19-Erkrankte einmalig 600 mg Casirivimab und 600 mg Imdevimab als Infusion oder subkutane Injektion.

In der Prävention von COVID-19 darf Ronapreve sowohl zur Postexpositions- wie auch Präexpositionsprophylaxe eingesetzt werden. In der Postexpositionsprophylaxe sollten die Exponierten so bald wie möglich nach Kontakt mit einem an SARS-CoV-2-Infizierten – wie auch zur Behandlung – 600 mg Casirivimab und 600 mg Imdevimab als einmalige Infusion oder subkutane Injektion erhalten, um einer COVID-19-Erkrankung vorzubeugen. Zur Präexpositionsprophylaxe werden hingegen mehrere Dosen appliziert: Die Anfangsdosis liegt bei 600 mg Casirivimab und 600 mg Imdevimab als einmalige intravenöse Infusion oder subkutane Injektion, nachfolgenden Gaben erfolgen mit je 300 mg Casirivimab und 300 mg Imdevimab und können alle vier Wochen verabreicht werden, bis keine Prophylaxe mehr erforderlich ist. Daten über sechs Dosen (24 Wochen) liegen derzeit nicht vor. Eine Packung Ronapreve enthält zwei Vials mit je 300 mg Casirivimab und Imdevimab.

Der CHMP hatte bereits am 26. Februar 2021 Empfehlungen zum Einsatz des Antikörper-Duos ausgesprochen. Casirivimab und Imdevimab können nach wissenschaftlicher Einschätzung des CHMP bei Patienten mit bestätigtem COVID-19, die keinen Sauerstoff benötigen, aber ein hohes Risiko für schweres COVID-19 haben, auch ohne Zulassung angewendet werden. Mit dieser Empfehlung wollte die EMA allen EU-Staaten eine wissenschaftliche und einheitliche Grundlage für die mögliche Verwendung der Antikörper auch vor Marktzulassung geben, um die Länder in der Anwendung zu unterstützen.

Darüber hinaus sprach sich auch ein Gremium der WHO, das für die Entwicklung von Leitlinien zuständig ist, am 24. September 2021 für die Antikörperbehandlung mit Casirivimab/Imdevimab aus: Neben der Behandlung von schwer und kritisch an COVID-19 erkrankten Patienten (ohne Antikörper gegen SARS-CoV-2) sollen auch SARS-CoV-2-infizierte Patienten mit nicht schwerem COVID-19 – aber hohem Risiko für Krankenhauseinweisungen – den Antikörper-Cocktail aus Casirivimab und Imdevimab erhalten, um einen schweren Verlauf zu verhindern. Damit empfahl die WHO erstmals SARS-CoV-2-Antikörper zur Prophylaxe von schwerem COVID-19 und nicht lediglich zur Behandlung.

Regdanvimab  in Regkirona

Daneben sprach die EMA am 11. November auch ein positives Votum für Regdanvimab in Regkirona aus, die EU-Zulassung erfolgte am 12. November. Der Antikörper von Celltrion soll künftig zur Behandlung von erwachsenen COVID-19-Patienten angewendet werden, die keinen Sauerstoff benötigen und ein hohes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf haben. Regdanvimab wird nach Körpergewicht dosiert: 40 mg pro kg Körpergewicht, die Gabe erfolgt als intravenöse Infusion, und zwar innerhalb von sieben Tagen nach Symptombeginn. Auch zu Regdanvimab hatte die EMA bereits 26. März 2021 Empfehlungen zur Anwendung noch vor Marktzulassung zur Behandlung von erwachsenen COVID-19-Patienten ohne Sauerstoff, aber mit hohem Risiko für eine schwere Erkrankung, folgten am 26. März.

Rolling Review für Tixagevimab und Cilgavimab in Evusheld

Tixagevimab und Cilgavimab – Handelsname Evusheld – sind aus der Pipeline von AstraZeneca. Für diesen Antikörper-Cocktail startete die EMA das Rolling-Review-Verfahren am 14. Oktober 2021. Auch ihre Zielstruktur ist das Spikeprotein von SARS-CoV-2 (jeweils unterschiedliche Bindungsstellen). AstraZeneca hat Tixagevimab und Cilgavimab (auch bekannt als AZD7442) als „Long acting Antibodies“ (LAABs) entwickelt – sie sollen eine verglichen mit natürlichen Antikörpern dreifache Halbwertszeit und Wirkdauer aufweisen. Eine einmalige Verabreichung könnte damit bis zu zwölf Monate vor COVID-19 schützen. Evusheld soll zu einer Option für Menschen werden, die sich nicht gegen COVID-19 impfen lassen können, und zur Prävention von COVID-19 bei Erwachsenen angewendet werden. Ein Vorteil dürfte die intramuskuläre Injektion sein, die eine Verabreichung auch im ambulanten Bereich recht einfach ermöglicht.

Sotrovimab

Sotrovimab ist ein weiterer monoklonaler Antikörper, der das Spikepreotein von SARS-CoV-2 adressiert. Seit 7. Mai 2021 läuft das Rolling-Review-Verfahren, die Empfehlung zum Einsatz noch vor Marktzulassung erfolgte am 21. Mai. Sotrovimab (auch bekannt als VIR-7831 oder GSK4182136) aus der Pipeline von GlaxoSmithKline und Vir Biotechnology darf nach wissenschaftlicher Einschätzung der EMA bei Erwachsenen und Jugendlichen ab zwölf Jahren und einem Körpergewicht von mindestens 40 Kilogramm zur Behandlung von COVID-19 eingesetzt werden, wenn diese keine zusätzliche Sauerstofftherapie benötigen, jedoch ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf aufweisen. Sotrovimab wird als intravenöse Infusion verabreicht.

Bamlanivimab und Etesevimab

Seit 11. März 2021 lief zudem ein Rolling-Review-Verfahren bei der EMA zu den monoklonalen Antikörpern Bamlanivimab und Etesevimab – sie stammen von Eli Lilly. Wie bei Casirivimab/Imdevimab hat auch hier das CHMP der EMA bereits am 5. März 2021 Empfehlungen zum Einsatz des Antikörper-Duos ausgesprochen bei bestätigtem COVID-19 bei Patienten, die keinen Sauerstoff benötigen, aber ein hohes Risiko haben, dass COVID-19 schwer verläuft. Es kann somit auch ohne Zulassung angewendet werden. Allerdings informierte die EMA am 2. November 2021, dass sie die fortlaufende Überprüfung von Bamlanivimab und Etesevimab beendet hat. Lilly hatte den Antrag der EMA zufolge zurückgezogen. Die Rücknahme des Antrags wirkt sich nicht auf die im März ausgesprochenen Empfehlungen aus: „Die Patienten können die Arzneimittel weiterhin auf der Grundlage der nationalen Regelungen erhalten“, erklärt die EMA.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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