Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP

Doch keine Mehrwertsteuerabsenkung für Arzneimittel

Berlin - 24.11.2021, 16:15 Uhr

Die künftigen Koalitionäre haben ihr Regierungsprogramm für die nächsten vier Jahre zu Papier gebracht. (x / Foto: IMAGO / Emmanuele Contini)

Die künftigen Koalitionäre haben ihr Regierungsprogramm für die nächsten vier Jahre zu Papier gebracht. (x / Foto: IMAGO / Emmanuele Contini)


SPD, Grüne und FDP haben ihren Koalitionsvertrag vorgelegt. Das Kapitel zur Gesundheit hat sich nur in wenigen Punkten gegenüber dem Arbeitsgruppenentwurf geändert. Rausgefallen ist die zunächst angedachte Mehrwertsteuersenkung auf Arzneimittel sowie eine Erhöhung des Herstellerrabatts. Die bereits bekannten Apotheken-Pläne wurden hingegen unverändert in das 177-seitige Vertragswerk übernommen.

„Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ – so lautet der Titel des Koalitionsvertrags, den SPD, Grüne und FDP am heutigen Mittwoch vorgelegt haben. Im Kapitel zu Gesundheit und Pflege wurde im Vergleich zum Entwurf der Arbeitsgruppen vor allem im Pflegeteil nachgefeilt. Soweit es um die Arzneimittelversorgung und die Apotheken geht, ist hingegen vieles gleich geblieben. So heißt es weiterhin:


Die Arzneimittelversorgung durch Apotheken an integrierten Notfallzentren in unterversorgten Gebieten verbessern wir durch flexiblere Vorgaben in der Apothekenbetriebsordnung. Wir entwickeln den Nacht- und Notdienstfonds zu einem Sicherstellungsfonds weiter und schaffen eine Verordnungsfähigkeit für Notfallbotendienste in der ambulanten Notfallversorgung. Wir novellieren das „Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken“, um pharmazeutische Dienstleistungen besser zu honorieren und Effizienzgewinne innerhalb des Finanzierungssystems zu nutzen.“

Koalitionsvertrag 2021 - 2025 zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP


Auch im Abschnitt zu Cannabis zu Genusszwecken bleibt es dabei, dass dieses über „lizenzierte Fachgeschäfte“ abgegeben werden soll, also nicht über Apotheken.

Von den Plänen der Facharbeitsgruppe, die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel von 19 auf 7 Prozent zu senken, sind die Hauptverhandler allerdings abgerückt. Auch die zunächst angedachte Erhöhung des Herstellerabschlags für patentgeschützte Arzneimittel auf 16 Prozent ist aus dem Vertragswerk verschwunden. Hingegen soll nach wie vor am bestehenden Preismoratorium festgehalten werden. Und die Ampel-Partner bleiben auch bei ihrem Vorhaben, das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarkts (AMNOG) weiterzuentwickeln. Die Möglichkeiten der Krankenkassen zur Begrenzung der Arzneimittelpreise sollen gestärkt werden, der verhandelte Erstattungspreis bereits ab dem siebten Monat nach Markteintritt gelten.

Zudem bleibt es bei folgenden Aussagen:


Wir stellen die Versorgung mit innovativen Arzneimitteln und Impfstoffen sicher. Die Engpässe in der Versorgung bekämpfen wir entschieden. Wir ergreifen Maßnahmen, um die Herstellung von Arzneimitteln inklusive der Wirk- und Hilfsstoffproduktion nach Deutschland oder in die EU zurück zu
verlagern. Dazu gehören der Abbau von Bürokratie, die Prüfung von Investitionsbezuschussungen für Produktionsstätten, sowie die Prüfung von Zuschüssen zur Gewährung der Versorgungssicherheit.“

Koalitionsvertrag 2021 - 2025 zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP


Auch bei den Ausführungen zur Digitalisierung bleiben die drei Partner in spe weitgehend bei der Vorarbeit der Arbeitsgruppe – allerdings nennt der Koalitionsvertrag jetzt ausdrücklich auch das E-Rezept: „Wir beschleunigen die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) und des E-Rezepts sowie deren nutzenbringende Anwendung und binden beschleunigt sämtliche Akteure an die Telematikinfrastruktur an.“ Neu im entsprechenden Abschnitt findet sich die Aussage, dass ein Registergesetz und ein Gesundheitsdatennutzungsgesetz zur besseren wissenschaftlichen Nutzung in Einklang mit der DSGVO auf den Weg gebracht und eine dezentrale Forschungsdateninfrastruktur aufgebaut werden soll.

Personalmangel im Gesundheitswesen entgegenwirken

Was die Finanzierung – abseits der schon genannten Einsparungen bei Arzneimitteln – betrifft, so heißt es im Vertrag, dass sich die Ampelkoalitionäre zu einer „stabilen und verlässlichen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung“ bekennen. Der Bundeszuschuss zur GKV soll regelhaft dynamisiert werden. Für die Bezieher:innen von Arbeitslosengeld II sollen höhere Beiträge aus Steuermitteln finanziert werden. Die PKV bleibt nahezu unangetastet. Einzig auf eines legen sich die drei Parteien fest: Für Kinder und Jugendliche in der PKV soll zukünftig das Prinzip der Direktabrechnung gelten.

Fachkräftesicherung im Gesundheitswesen

Doch nicht nur im Kapitel zur Gesundheit finden sich Aussagen, die Apotheken und die Arzneimittelversorgung tangieren. So umfasst das Wirtschaftskapitel ausdrücklich auch die Gesundheitswirtschaft. Dort heißt es: 


Eine innovative Gesundheitswirtschaft ist Grundlage des weiteren medizinischen Fortschritts und birgt gleichzeitig viel Potenzial für Beschäftigung und Wohlstand. Wir wollen weiter in Forschung investieren, um medizinische Spitzenleistungen (wie u. a. aktuell die Anwendung der mRNA-876 Impfstoffe) zu ermöglichen. Wir setzen uns für High-Medizintechnik „made in Germany“ ein. Zugleich wollen wir die Potenziale der Digitalisierung nutzen, um eine bessere Versorgungsqualität zu erreichen, aber auch Effizienzpotenziale zu heben. Damit die Beschäftigten des Gesundheitswesens die digitale Transformation bewältigen können, sind frühzeitige Weiterbildungsangebote unerlässlich. Zugleich werden wir durch unsere Maßnahmen zur Fachkräftesicherung dem Personalmangel im Gesundheitswesen entgegenwirken."

Koalitionsvertrag 2021 - 2025 zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP


Neuer Corona-Krisenstab

Was die Pandemiebekämpfung betrifft, so verspricht der Koalitionsvertrag, dass das Krisenmanagement der Bundesregierung neu geordnet wird. „Hierzu setzen wir unverzüglich einen gemeinsamen Krisenstab der Bundesregierung ein, um die gesamtstaatliche Bekämpfung der Corona-Pandemie besser zu koordinieren.“ Zur wissenschaftlichen Beratung werde ein interdisziplinär besetzter wissenschaftlicher Pandemierat beim Bundesministerium für Gesundheit geschaffen. Die Koalitionäre legen sich ferner darauf fest, den Mindestlohn einmalig auf 12 Euro pro Stunde anzuheben.

In ganz trockenen Tüchern ist der Koalitionsvertrag noch nicht. Alle drei Parteien müssen noch zustimmen. Laut dem designierten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird dies in den nächsten zehn Tagen geschehen. In der Nikolauswoche soll Scholz dann zum Kanzler gewählt werden.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Mehrwertsteuer

von Stephan Garrecht am 29.11.2021 um 18:08 Uhr

Wäre ja auch zu schön gewesen,nur 7% mehrwertsteuer--
In Holland 6% auf Arzneimittel.Der Preisabstand zu den Versendern hätte sich gewaltig verringert.Aber so?

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