Roactemra nur in Kombination mit Corticosteroiden

Tocilizumab ist nun auch in der EU gegen COVID-19 zugelassen

Stuttgart - 07.12.2021, 13:45 Uhr

Daten, auf die sich die EMA stützt, zeigten auch, dass ein Anstieg der Sterblichkeit nicht ausgeschlossen werden kann, wenn die Roactemra-Infusion bei Patient:innen eingesetzt wird, die keine systemischen Corticosteroide erhalten. (Symbolfoto: Shopping King Louie / AdobeStock)

Daten, auf die sich die EMA stützt, zeigten auch, dass ein Anstieg der Sterblichkeit nicht ausgeschlossen werden kann, wenn die Roactemra-Infusion bei Patient:innen eingesetzt wird, die keine systemischen Corticosteroide erhalten. (Symbolfoto: Shopping King Louie / AdobeStock)


Am Ende ging es jetzt doch schnell: Gestern erst empfahl der Ausschuss für Humanarzneimittel CHMP der europäischen Arzneimittelbehörde EMA, den Interleukin-6-Antagonisten Tocilizumab in Roactemra auch in der COVID-19-Indikation zuzulassen – heute schon hat die EU-Kommission die Zulassung erteilt. Damit hat Tocilizumab, das beispielsweise bereits bei der rheumatoiden Arthritis angewendet wird, seit Beginn der Corona-Pandemie einen langen Weg hinter sich gebracht.

Am vergangenen Montag hat die Europäische Arzneimittelbehörde EMA, genauer gesagt deren Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) empfohlen, die Zulassung von Tocilizumab in Roactemra® auf die Behandlung von Erwachsenen mit COVID-19 zu erweitern – wenn diese eine systemische Behandlung mit Corticosteroiden erhalten und zusätzlichen Sauerstoff oder mechanische Beatmung benötigen. Heute hat die Europäischen Kommission formal die Zulassung erteilt.

Schon früh in der COVID-19-Pandemie wurde klar, dass das Coronavirus SARS-CoV-2 nicht „nur“ eine Lungenerkrankung ist, sondern auch durch sogenannte Zytokinstürme schwere Verläufe der Infektion hervorruft. Bereits im Mai 2020 berichtete die DAZ in diesem Zusammenhang über den Interleukin-6-Antagonisten Tocilizumab (RoActemra®). Es handelt sich um einen monoklonalen Antikörper, der den Rezeptor für den entzündungsfördernden Immunbotenstoff Interleukin-6 (IL-6) blockiert. Dadurch kann die Signalkaskade der Entzündungsreaktion unterdrückt werden. Tatsächlich ist Tocilizumab schon länger in der EU in verschiedenen Indikationen zugelassen – beispielsweise zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis (RA) und zur Behandlung von zwei Formen der juvenilen idiopathischen Arthritis, außerdem zur Unterdrückung des Zytokinsturms bei der CAR-T-Zelltherapie. 

Doch dann kam Ende Juli 2020 die Meldung, dass Tocilizumab in der Phase III gegen COVID-19 gescheitert ist. Damals informierte der Pharmahersteller Roche über die aktuellen Resultate der COVACTA-Studie. Allerdings sollte damit der Weg von Tocilizumab in der COVID-19-Therapie noch nicht beendet sein. Im Februar dieses Jahres konnte die RECOVERY-Studie (Randomized Evaluation of COVid-19 thERapY) nach dem Erfolg mit Dexamethason ein weiteres positives Ergebnis vermelden. „Zusammen mit Corticosteroiden konnte das Rheuma-Medikament bei Patient:innen, die beatmet werden mussten, die Sterblichkeit senken, die Notwendigkeit einer mechanischen Beatmung verringern und die Zeit bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus verkürzen“, hieß es damals. Die Studien-Autor:innen betonten aber, dass die Vorteile von Tocilizumab nicht für sich allein stehen, sondern eindeutig zusätzlich zu denen der Steroidtherapie gesehen werden müssen.

Im Juni 2021 kam dann die Meldung, dass die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA dem IL-6-Inhibitor Tocilizumab am 24. Juni die Notfallzulassung erteilt hat. Doch auch hier hieß es: „Eingesetzt werden darf der Interleukin-6-Inhibitor bei hospitalisierten COVID-19-Patient:innen, die systemische Corticoide erhalten und zusätzlich Sauerstoff beziehungsweise nicht-invasiv oder invasiv mechanisch beatmet werden oder an die extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) angeschlossen sind.“ Kurz darauf im Juli sprach auch die WHO (Weltgesundheitsorganisation) eine Empfehlung für Tocilizumab und Sarilumab aus. Die zwei Wirkstoffe, die ursprünglich für rheumatische Gelenksentzündungen entwickelt wurden, seien für schwer kranke Corona-Patient:innen lebensrettend, hieß es. Im August 2021 begann dann schließlich auch die europäische Arzneimittelbehörde EMA mit der Überprüfung der Daten zu Tocilizumab. Man wollte die Bewertung bis Oktober 2021 abschließen.

Anstieg der Sterblichkeit ohne systemische Corticosteroide?

Mittlerweile ist es Dezember und die EMA hat also am vergangenen Montag die Zulassungsempfehlung für Roactemra® für Erwachsene mit schwerem COVID-19 ausgesprochen, und die Europäische Kommission hat heute formal die Zulassung erteilt. Die Empfehlung des CHMP basiert auf Daten einer Studie, in der 4.116 hospitalisierte Erwachsene mit schwerem COVID-19 behandelt wurden, die zusätzlichen Sauerstoff oder mechanische Beatmung benötigten und hohe Werte des C-reaktiven Proteins im Blut aufwiesen, was auf Entzündungen hindeutet. Die Studie habe schließlich gezeigt, dass die Behandlung mit Roactemra® – gegeben als Infusion und zusätzlich zur Standardtherapie –, das Sterberisiko im Vergleich zur Standardbehandlung allein verringert. Konkret starben insgesamt 31 Prozent der mit Roactemra® plus Standardtherapie behandelten Patient:innen (621 von 2.022) innerhalb von 28 Tagen nach der Behandlung, während 35 Prozent der Patient:innen (729 von 2.094), die nur die Standardbehandlung erhielten, starben. Darüber hinaus konnten 57 Prozent der Patient:innen (1.150 von 2.022), die Tocilizumab erhielten, das Krankenhaus innerhalb von 28 Tagen verlassen. Unter Standardtherapie allein waren es nur 50 Prozent (1.044 von 2.094).

Wie sich bereits vor der aktuellen EMA-Empfehlung abzeichnete, scheint die gleichzeitige Therapie mit Corticosteroiden also wirklich wichtig zu sein, so erklärt die EMA in ihrer Mitteilung: 


Die Studie zeigte auch, dass ein Anstieg der Sterblichkeit nicht ausgeschlossen werden kann, wenn Roactemra bei Patienten eingesetzt wird, die keine systemischen Corticosteroide erhalten. Allerdings war das Sicherheitsprofil des Arzneimittels bei Patienten, die bereits mit Corticosteroiden behandelt werden, günstig, und der CHMP kam zu dem Schluss, dass der Nutzen des Arzneimittels für diese Patienten größer ist als die Risiken.“


Die Nachrichtenagentur dpa berichtet aktuell, Roche habe mitgeteilt, dass nach dem jüngsten Auftauchen der neuen SARS-CoV-2-Variante Omikron (B.1.1.529) die WHO berichtet habe, dass Interleukin-6-Rezeptorblocker wie Roactemra® bei der Behandlung von Patienten mit schwerem COVID-19 weiterhin wirksam sein dürften. 

Service-Hinweis vom 7. Dezember, 17:35 Uhr

Damit Apotheken zur Bestellung oder bei Nachfragen mit möglichst geringem Aufwand schnell Rückmeldung erhalten, bittet die Firma Roche, für 



Deutsche Apotheker Zeitung / dm
redaktion@daz.online


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