- DAZ.online
- News
- Pharmazie
- Hinweise verdichten sich...
Weg zu einer Impfung gegen MS noch weit
Hinweise verdichten sich: Epstein-Barr-Virus wohl ein Auslöser der Multiplen Sklerose
CD20-spezifische Antikörper gegen MS weiter erforschen!
Prof. Dr. Henri-Jacques Delecluse ist Leiter der Arbeitsgruppe Pathogenese infektionsbedingter Tumoren am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Er forscht selbst über EBV, auch an der Entwicklung einer EBV-Vakzine sowie an therapeutischen Strategien gegen EBV. Und er sprach bereits 2020 auf der Interpharm über die Probleme bei der Impfstoffentwicklung gegen EBV.
Er hält die neue Studie für die bis jetzt überzeugendste. Sie zeige eindeutig, dass sich MS ohne EBV-Infektion beinahe nicht entwickeln würde: „Die Autoren kommen zum Schluss, dass das Risiko an MS zu erkranken 32-fach größer ist bei Menschen, die vom Virus infiziert wurden, als bei Menschen, die das Virus nicht tragen, was eine erhebliche Zahl darstellt. So ein hohes Risiko kennt man zum Beispiel für Rauchen und Lungenkrebs“, ordnet er die Ergebnisse ein. Doch auch er schränkt ein: „Allerdings sind andere Faktoren, zum Beispiel genetischer Natur, wie MHC-Gene, die die Immunantwort regulieren, auch wichtig. Es ist auch sehr wahrscheinlich, dass andere, bis jetzt nicht eindeutig identifizierte nicht-genetische Faktoren eine wichtige Rolle spielen, wie das Alter bei der ersten Infektion mit EBV oder bis jetzt bekannte infektiöse Agenzien. Letztlich ist MS eine seltene Krankheit und die allermeisten EBV-positiven Menschen haben kein MS.“
Mehr zum Thema
Neuer CD20-Antikörper ist auch bei primär progredienter multipler Sklerose wirksam
Ocrelizumab erweitert MS-Therapie
Niedrigere Krankheitsaktivität und Abbruchraten
Rituximab bei multipler Sklerose überlegen
Welt-MS-Tag
MS-Arzneimittel: grundsätzlich immer lebenslang?
Während momentan unklar bleibe, ob eine EBV-Impfung MS vorbeugen kann, erscheint Delecluse die Beseitigung von EBV-infizierten B-Zellen vielversprechend: „Die Wirksamkeit der Therapie mit CD20-spezifischen Antikörpern bei MS-Patienten könnte unter anderem daran liegen, dass sie das Reservoir EBV-infizierter Zellen, also die B-Zellen (mehrere Studien haben in MS-Patienten EBV-infizierte B-Zellen nachgewiesen; Anm. d. Red.), eliminiert. Da diese Antikörpertherapie auch nicht infizierte Zellen abtötet, wäre die gezielte Beseitigung der EBV-infizierten Zellen sehr wünschenswert, jedoch ist dieses Ziel momentan in Menschen nicht erreichbar, sollte aber intensiv beforscht werden.“
Auch für Prof. Dr. Klemens Ruprecht, Oberarzt und Leiter der Multiple Sklerose Ambulanz an der Klinik und Hochschulambulanz für Neurologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin, ergeben sich aus der neuen Studie keine unmittelbaren Konsequenzen für die Behandlung der MS. Jedoch sieht auch er einen möglichen Zusammenhang zu bereits verfügbaren Antikörper-Therapien bei MS: „Interessanterweise haben sich Behandlungen, welche die Anzahl von B-Zellen im Blut verringern, als sehr wirksame Therapien bei der MS erwiesen. Es ist also denkbar, dass die Wirksamkeit dieser Therapien mit der Tatsache in Verbindung steht, dass EBV spezifisch B-Zellen infiziert.“ Währenddessen meint er, selbst wenn es gelänge, einen wirksamen Impfstoff gegen EBV zu entwickeln, würde es noch Jahrzehnte dauern, bis abschließend klar wäre, ob ein derartiger Impfstoff tatsächlich einen Schutz vor MS bewirkt. Die zentrale Frage laute nun nicht, ob, sondern wie EBV an der Entwicklung einer MS beteiligt ist.
Sind noch andere Viren beteiligt?
Auch die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) hat sich am vergangenen Montag zu den neuen Erkenntnissen geäußert. Sie bestärkt deren Wichtigkeit, betont aber wie die anderen Expert:innen, dass es weiterhin offene Fragen gibt. In der Pressemitteilung der DGN heißt es beispielsweise auch, dass, „um auszuschließen, dass es einen Bias gibt, weil Menschen mit einer Prädisposition für Herpesviren evtl. auch eine Prädisposition für MS aufweisen“, ebenso die Konzentrationen von Antikörpern gegen das Cytomegalovirus (CMV) erhoben wurden. Dabei handelt es sich um ein anderes häufiges und latentes Virus der Herpes-Familie. „Doch hier zeigte sich eine solche Korrelation nicht, im Gegenteil: Die CMV-positiven Personen hatten in dieser Studie ein geringeres MS-Risiko“, heißt es.
„Vor dem Hintergrund dieser Daten gewinnt die Impfung gegen das EBV an Relevanz, gerade für gefährdetere Populationsgruppen. Frauen sind beispielsweise doppelt so häufig von MS betroffen wie Männer. Die Impfung gegen EBV könnte auch deshalb interessant und effizient sein, da sie womöglich nicht nur der MS, sondern auch verschiedenen Krebserkrankungen vorbeugt“, ordnet Prof. Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN, die Situation ein. Doch insgesamt gilt: Der Weg zu einer Impfung gegen MS ist noch weit.
1 Kommentar
Ach quatsch
von DancingPhoenix am 19.01.2022 um 10:25 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.