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Impfstoffe aus und für Afrika
Endlich Impfstoffgerechtigkeit – oder Konkurrenzkampf?
Eine Form des Neokolonialismus?
Doch neben Ärzte ohne Grenzen gibt es weitere Kritiker: Westliche Initiativen zur Impfstoffproduktion sollten Afrika stärken, indem sie lokale Kapazitäten fördern und langfristig mehr Unabhängigkeit schaffen, sagte Charles Gore, Exekutivdirektor des Medicine Patent Pool (MPP) der Vereinten Nationen, der Deutschen Presse-Agentur. Warum Biontech Container verschiffen will, statt Produktionsstätten vor Ort aufzubauen, hat ihn misstrauisch gemacht. Ganze Labore mit eigenem Personal aus dem Westen nach Afrika zu schicken „wäre eine Form des Neokolonialismus“, so Gore.
Auch der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, betonte vor wenigen Tagen bei einem Besuch in Südafrika „die Notwendigkeit einer verstärkten lokalen Produktion von Impfstoffen (...), insbesondere in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen“. Eine Initiative, die dies bereits tut, ist das Biotechnologieunternehmen Afrigen Biologics and Vaccines, das im südafrikanischen Kapstadt Afrikas ersten eigenen und patentfreien mRNA-Corona-Impfstoff entwickelt. Unterstützt von der WHO soll dieser die Abhängigkeit von Entwicklungs- und Schwellenländern von der Pharmaindustrie mindern. Diese Länder sollen die dort entwickelten Impfstoffe und Medikamente lizenzfrei beziehen und selbst herstellen können. So soll die Verteilung von Impfstoffen weltweit günstiger, schneller und gerechter gemacht werden. Anfang 2024 soll das Präparat marktreif sein.
Impfstoff für Afrika aus Afrika ab Mitte 2023?
Noch ist offen, in welches Land Biontech seine erste mobile mRNA-Produktionsstätte bringen wird. Geplant sei, Anlagen nach Senegal, Ruanda und gegebenenfalls Südafrika zu liefern. Unternehmenschef Ugur Şahin betonte: „Das Projekt wird in enger Zusammenarbeit mit den Partnern der jeweiligen Region betrieben, die unter anderem die Infrastruktur vor Ort vorbereiten und uns bei den regulatorischen Prozessen unterstützen.“ Der Betrieb vor Ort solle zunächst mit eigenen Produktionsspezialisten sichergestellt werden, „während wir lokale Fachkräfte ausbilden, um die Produktion langfristig an die afrikanischen Partner zu übergeben“.
Es wird aber noch eine Weile dauern, bis ein erster Impfstoff eine der Container-Anlagen in Afrika verlässt. Biontech geht davon aus, dass die Produktion zwölf Monate nach der Anlieferung der Module im Zielland starten kann. Bestimmt seien die darin hergestellten Impfstoffe dann fürs Inland und für den Export an andere Staaten der Afrikanischen Union, für einen gemeinnützigen Preis.
Die WHO will sich bei der Produktion von Impfstoffen und anderen Medikamenten nach schlechten Erfahrungen nicht mehr auf das Wohlwollen von Firmen und Regierungen in reichen Ländern verlassen. Auf dem Kontinent sind nach Angaben der afrikanischen Gesundheitsbehörde Africa CDC erst rund 11 Prozent der Bevölkerung vollständig gegen das Coronavirus geimpft – im Vergleich zu mehr als 70 Prozent in Europa.
Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) verwies darauf, dass derzeit nur 1 Prozent der in Afrika verwendeten Impfstoffe auch dort hergestellt würden. Das sei weder fair, noch nachhaltig. Auch sie begrüßte das Vorhaben der Mainzer. Es gehe nicht um neue Märkte. „Hier geht es um Technologietransfer – darum, dass mehr Länder als bisher selber Impfstoffe herstellen.“ Die Bundesregierung unterstützt nach Angaben eines Ministeriumssprechers Ghana, Ruanda, Senegal und Südafrika dabei, die Voraussetzungen für eine Impfstoffproduktion zu schaffen.
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