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15. März 2022
Das war die Knaller-Meldung der Woche: Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) beabsichtigt den Kassenabschlag zu erhöhen! Von 1,77 auf 2 Euro für zwei Jahre. Außerdem ist eine Mehrwertsteuerabsenkung für Arzneimittel vorgesehen auf 7 Prozent. Im Klartext hieße dies: Jede einzelne dieser Maßnahmen wäre für die Apotheke bereits ein schmerzlicher Verlust. Und in Kombination ein Desaster: Diese beiden Maßnahmen bedeuteten eine Honorarkürzung des Apothekenhonorars von insgesamt 5,5 Prozent oder 38 Cent. Allerdings, diese Gesetzesvorlage für ein „GKV-Finanzstabilisierungsgesetz“ hätte so noch gar nicht an die Öffentlichkeit gesollt, hieß es, die Maßnahmen seien mit den Regierungsfraktionen so nicht abgestimmt. Das BMG ließ sogar verlauten, dass es „aktuell keinen Gesetzentwurf“ gebe. Nun ja, mein liebes Tagebuch, das ist natürlich Quatsch, das herumgeisternde Papier ist vielleicht kein offizieller Gesetzentwurf, gleichwohl ein existierendes Papier, das zeigt, wie eine erste Gesetzesvorlage aus dem Haus Lauterbach aussehen könnte. Mein liebes Tagebuch, was mich besonderes erschreckte: Das Dokument offenbart, wie gering die Arbeit der Apotheken sichtlich geschätzt wird. Aus dem Papier geht auch die schonungslose, ja, fast schon brutale Denke und eiskalte Ignoranz der Ministerialen in Richtung Vor-Ort-Apotheke hervor. Warum diese drastische De-facto-Honorar-Kürzung? Klar, die Finanzen der Gesetzlichen Krankenversicherung sind in Schieflage geraten, das Defizit soll bei 5,8 Milliarden Euro liegen, der Bund sucht nach Einsparungsmöglichkeiten im Gesundheitswesen. 170 Millionen Euro dürfte die Honorarkürzung der Apotheken vermutlich bringen. Mein liebes Tagebuch, man mag es nicht glauben, wie da im Ministerium gedacht und gerechnet wird. Was können da 170 Millionen an Einsparungen angesichts eines Milliardendefizits für die Kassenfinanzen bringen – nichts, außer ein beschleunigtes Apothekensterben. Ist das gewollt? Eine Honorarkürzung für Apotheken, die doch eigentlich gerade jetzt einen erhöhten Finanzbedarf haben wegen Mehrausgaben für die Digitalisierung, wegen Pandemie-bedingter Aufwendungen, wegen erhöhter Ausgaben für den Klimaschutz, wegen steigender Energiepreise und wegen steigender Personalkosten – eine solche Honorarkürzung kann man nur als eine beabsichtigte staatliche Reduktion der Apothekenzahlen interpretieren. Außerdem, wer glaubt denn wirklich, dass so eine Erhöhung des Kassenabschlags nur für zwei Jahre gelten soll? Mein liebes Tagebuch, wenn man bei Apotheken in unseren Zeiten den Rotstift ansetzt, dann will man nur eine Richtung forcieren: nach unten mit den Apothekenzahlen. Mein liebes Tagebuch, dabei haben wir doch eigentlich daran gedacht, in diesem Jahr dafür zu kämpfen, dass das Apothekenhonorar erhöht wird! Aber wie so oft, vermutlich heißt es am Jahresende dann: Wir konnten froh sein, dass wir nur eine kleine Honorarkürzung hinnehmen mussten, es hätte alles noch viel schlimmer kommen können. Mehr zu diesem Thema auch im Tagebucheintrag vom 18. März dieser Woche.
Gab’s auch offizielle Reaktionen aus dem Berliner Apothekerhaus? Ja, die gab’s, aber noch relativ moderat. So ließ der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands Thomas Dittrich wissen, dass eine Erhöhung des Kassenabschlags die dringend notwendige und zuverlässige Zukunftsperspektive für die lokale Arzneimittelversorgung konterkariere. Man wolle den Entwurf weiter analysieren und das Gesetzgebungsverfahren intensiv begleiten – mein liebes Tagebuch, das wollen wir hoffen. Und von Seiten der ABDA ein wenig Theaterdonner: Präsidentin Gabriele Overwiening erklärte im „ABDA-Livetalk“, dass die Apothekerschaft die im Papier beabsichtigten Honorarkürzungen nicht tragen könne. Overwiening: „Das ist für uns alle wie ein Schlag ins Gesicht“. Die vom BMG im Apothekenbereich geplanten Einsparungen von 170 Millionen Euro seien nicht nachvollziehbar. Mein liebes Tagebuch, das klingt alles so, als sei man paralysiert von diesem Überraschungspapier aus dem BMG. So richtig im Kampf-Modus scheint unsere Berufsvertretung noch nicht zu sein, da muss mehr kommen.
Klar, das bekannt gewordene Papier aus dem Ministerium scheucht nicht nur uns Apothekers auf. Weitaus größere Einsparungen sollen bei den Arzneimittelherstellern, bei der Pharmaindustrie geholt werden: Längeres Preismoratorium, höherer Herstellerrabatt sind für die Industrie schon hier die Reizworte – hinzukommen sollen noch einschneidende Änderungen im AMNOG-Verfahren, also bei der Preisregulierung für neue Arzneimittel. Der Geschäftsführer des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH), Dr. Hubertus Cranz, sieht die Arzneimittelversorgung sowie den Pharmastandort Deutschland massiv gefährdet. Die in der Gesetzesvorlage vorgesehene Verdreifachung des Herstellerabschlags sei „völlig inakzeptabel“. Ähnliche Reaktionen kommen auch von Seiten des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI) und des Verbands forschender Pharmaunternehmen (vfa) und vom Generikaverband Pro Generika.
Jetzt gilt sie: die einrichtungsbezogene Covid-19-Impfpflicht. Das bedeutet, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestimmter Einrichtungen des Gesundheitswesens eine Immunität gegen Covid-19 nachweisen müssen. Solche Einrichtungen sind zum Beispiel Krankenhäuser, Arztpraxen und Pflegeheime. Aber, wie in Deutschland so üblich, ist die Umsetzung bundesweit alles andere als einheitlich geregelt. Vielerorts gelten sogar Übergangsfristen. Apotheken sind von dieser einrichtungsbezogenen Covid-19-Impfpflicht zunächst nicht betroffen. Allerdings kann das Apothekenpersonal unter diese Bestimmungen fallen, wenn es bestimmte Tätigkeiten in diesen betroffenen Einrichtungen ausübt. Wenn beispielsweise Apothekenpersonal im Rahmen der Klinik- oder Heimversorgung in solchen Einrichtungen tätig ist, muss es einen Impfschutz nachweisen. Betroffen sind beispielsweise Apothekerinnen und Apotheker, die auf den Stationen arbeiten.
Das ist sie, die Transparenzoffensive der Gematik. Ein neues Portal der Gematik zeigt an, welche Softwareanbieter für Praxen, Zahnarztpraxen und Krankenhäuser E-Rezept-ready sind. Ja, mein liebes Tagebuch, und nun sind auch die Anbieter der Apotheken-Software hier aufgeführt. Das Gematik-Portal www.ti-score.de soll einen Überblick verschaffen, wo die IT-Häuser bei der Einführung des E-Rezept stehen. „Für die flächendeckende Einführung des E-Rezepts ist es wichtig, dass alle Apotheken in Deutschland technisch startklar und die Teams geschult sind“, betont die Gematik in einer Pressemitteilung. So ist das, mein liebes Tagebuch, alles schön transparent und offen, im Zeitalter der Digitalisierung. So sieht man gleich, welches Software-Haus seine Hausaufgaben gemacht hat.
15 Kommentare
Böses Erwachen
von Conny am 20.03.2022 um 16:20 Uhr
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AW: Böses Erwachen
von Korrektor am 22.03.2022 um 9:34 Uhr
AMBOG
von Karl Friedrich Müller am 20.03.2022 um 12:38 Uhr
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AW: AMBOG
von Karl Friedrich Müller am 20.03.2022 um 12:40 Uhr
Nicht tragbar
von Reinhard Rodiger am 20.03.2022 um 11:46 Uhr
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Es ist auch von Apothekerseite gewollt, dass die Apothekendichte schrumpft
von Michael Reinhold am 20.03.2022 um 11:06 Uhr
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AW: Es ist auch von Apothekerseite gewollt,
von Michael Reinhold am 20.03.2022 um 11:08 Uhr
AW: Es ist auch von Apothekerseite gewollt,
von Anita Peter am 20.03.2022 um 11:15 Uhr
Finanzberechungen der Politik
von Dr.Diefenbach am 20.03.2022 um 10:04 Uhr
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AW: Finanzberechungen der Politik
von Karl Friedrich Müller am 20.03.2022 um 10:37 Uhr
.
von Anita Peter am 20.03.2022 um 9:39 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 4 Antworten
AW: Honorarkürzung
von Daniela Hänel am 20.03.2022 um 12:34 Uhr
AW: ..
von Anita Peter am 20.03.2022 um 13:10 Uhr
AW: .die Nichtleister sitzen ganz vorne
von Karl Friedrich Müller am 20.03.2022 um 13:55 Uhr
AW: Honorarkürzung.
von Gerhard Zibulak am 21.03.2022 um 18:40 Uhr
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