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12. April 2022
Die steigenden Kosten auf allen Ebenen, vor allem im Energie- und Personalbereich, setzen auch den Pharmagroßhandlungen zu. Sanacorp hat bei der Belieferung bereits eine Kostenbeteiligung und Tourenoptimierung angekündigt, die Noweda ihre Konditionenkürzungen. Phoenix zieht da nun nach: Dieser Großhändler wird von Apotheken künftig eine Servicepauschale (150 Euro monatlich) verlangen, außerdem einen „Konditionensicherungsausgleich“. Hinzukommen ein Energiekostenzuschlag (2,13 Euro pro Tour) und eine "Optimierung der Tourenkonstellation“. Mein liebes Tagebuch, es war zu erwarten, dass die Großhandlungen ihre steigenden Energie- und Lieferkosten auf die Apotheken abwälzen. Jetzt steht die rhetorische Frage im Raum: An wen können wir die steigenden Kosten weitergeben?
Die allermeisten Versicherten können derzeit mit der Gematik-App noch gar nichts anfangen, geschweige denn ein E-Rezept damit in der Apotheke einlösen. Der Grund liegt bei den Krankenkassen: Sie müssen allen Versicherten eine NFC-fähige Versichertenkarte und eine PIN zusenden, denn nur damit kann der Versicherte sich übers NFC-fähige Smartphone und der Gematik-App authentifizieren. Bis jeder GKV-Versicherten seine moderne NFC-fähige Versichertenkarte samt PIN hat, wird es laut Gematik noch Jahre dauern! Mein liebes Tagebuch, unglaublich, an welchen Ecken und Enden immer wieder neue Hemmschuhe fürs E-Rezept auftauchen. Doch hier will die Gematik mit einer Übergangslösung Abhilfe schaffen: Die E-Rezept-Einlösung soll eine zeitlang ohne Authentisierung möglich sein. Vereinfacht dargestellt sieht der Ablauf dann so aus: Der Versicherte übernimmt den QR-Code auf dem E-Rezept-Ausdruck des Arztes in die Gematik-App, indem er ihn mit dieser App scannt. Dann schickt der Versicherte den Token über die Gematik-App an seine Apotheke. Über dieses vereinfachte Verfahren muss noch abgestimmt werden. Mein liebes Tagebuch, ob es dazu kommt, ist noch offen. Und es bleibt die Frage offen, was den Versicherten davon abhalten soll, den QR-Code auch mit anderen Apps zu scannen oder einfach nur abzufotografieren und zu versenden…
Was der Fernsehbeitrag des NDR-Magazins „Panorama 3“ thematisierte, sollte viel stärker in der Öffentlichkeit diskutiert werden: Finanzinvestoren kaufen immer mehr Arztpraxen. Gemäß den Recherchen des NDR arbeitet geschätzt etwa ein Fünftel aller in Deutschland ambulant tätigen Augenärzte in Praxen von Finanzinvestoren. Mein liebes Tagebuch, was das für die freie und unabhängige Arztwahl, aber auch für eine freie Therapieentscheidung von Augenärzten bedeuten kann, ist bedenklich. Wie die NDR-Journalisten herausgefunden haben, gibt es bereits Fälle, in denen es um offensiv angebotene Zusatzleistungen und möglicherweise sogar überflüssige Augenoperationen geht. Der Druck der Investoren auf ihre Augenärzte scheint immens zu sein. Eigentlich können sich Investoren nicht unmittelbar an Arztpraxen bzw. an Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) beteiligen. Aber es gibt ein Schlupfloch: Zugelassene Krankenhäuser dürfen ein MVZ betreiben, und Finanzinvestoren dürfen Krankenhäuser kaufen. Der NDR nennt hier das Beispiel einer kleinen Schlafklinik, die zahlreiche augenärztliche Praxen betreibe. Aber nicht nur Augenarztpraxen sind Spekulationsobjekte von Finanzinvestoren, auch Zahnärzte, Radiologen und Gynäkologen sind laut Virchowbund, dem Verband der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte, dabei. Laut einer Studie des IGES-Instituts erbringen investorengeführte Praxisketten „vermehrt betriebswirtschaftlich attraktivere Leistungen, während sie weniger attraktive Leistungen vernachlässigen“. Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass eine Versorgung im MVZ „höhere Honorarumsätze nach sich zieht, was die These einer stärkeren Ausrichtung an ökonomischen Motiven stützt“. Mein liebes Tagebuch, da müssen doch bei Krankenkassen und in der Politik die Sirenen heulen. Warum reagiert die Bundesregierung nicht auf solche Erkenntnisse? Solche Gutachten belegen doch, dass kapitalgetriebene Medizinbetriebe keine Vorteile bringen, weder für die Patienten, die zu unnötigen Behandlungen gedrängt werden, noch für das Gesundheitssystem, das mit höheren Kosten belastet wird. Für den Apothekenbereich lässt sich daraus die Erkenntnis gewinnen, dass Fremdbesitz nicht zu Ersparnissen führt. Und man sollte im Blick haben, dass selbst die kleinste Lücke im Fremdbesitzverbot ausreicht, um dieses Prinzip auszuhöhlen.
5 Kommentare
E-Rezept spart Papier
von Friedemann Ahlmeyer am 17.04.2022 um 10:57 Uhr
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Mal was Neues wagen…beim Tagebuch
von Ulrich Ströh am 17.04.2022 um 9:24 Uhr
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AW: Mal was Neues wagen…beim Tagebuch
von Conny am 17.04.2022 um 10:09 Uhr
Danke!
von Peter Ditzel am 17.04.2022 um 8:43 Uhr
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Ostern 22
von Dr.Diefenbach am 17.04.2022 um 8:18 Uhr
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