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14. April 2022
Oh, oh, kündigt ein Apothekenrechenzentrum an, dass es möglicherweise Verzögerungen bei der Auszahlung der Rezeptabrechnungen gebe, dann gehen bei vielen Apothekers die Alarmglocken an: Erinnerungen an die AvP-Pleite 2020 werden wach. Der Rezeptabrechner Noventi sorgte vor Kurzem für Unruhe: In einer Servicemeldung wies er auf eine möglicherweise verspätete Abrechnung hin: pandemiebedingte Personalausfälle und viele Rezepte, so die Begründung. Bald darauf Entwarnung, die Abrechnung erfolgte pünktlich. Die Kunden anderer Rechenzentren mussten allerdings teils länger auf ihr Geld warten. Der Grund dafür sind in der Tat eine Reihe von pandemiebedingten Herausforderungen. Mein liebes Tagebuch, nun denn, hoffen wir, dass die Einschränkungen bald abnehmen und das Geld auch weiterhin pünktlich auf den Konten erscheint. Ein AvP-ähnliches Desaster bei einem Rezeptabrechner wäre jetzt das, was wir am wenigsten brauchen.
Aus Sicht eines EU-Versenders mag es clever sein, sich einen Express-Lieferdienst einzuverleiben. So geschehen beim Versender Shop Apotheke, der den Start-up-Lieferdienst First A zu 100 Prozent übernommen hat. Wir erleben es gerade: Lieferdienste dieser Art, die mit Vor-Ort-Apotheken zusammenarbeiten und quasi den Botendienst erledigen möchten, drängen in Großstädten mit Macht auf den Markt. Kunden bestellen per App auf der Plattform dieser Lieferdienste ihre gewünschten OTC- und Kosmetikprodukte, Fahrradkuriere holen sie bei Partnerapotheken ab und bringen es den Kunden an die Haustür. Die Apotheke spielt bei diesem System namentlich kaum eine Rolle, nicht selten geriert sich die Plattform des Kurierdienstes als vermeintliche Apotheke. Bei dem jüngsten Deal von Shop Apotheke und First A verschafft sich der Versender Zugang zum Vor-Ort-Geschäft und zur Zusammenarbeit mit Vor-Ort-Apotheken. Und schwupps und über Nacht ist die Vor-Ort-Apotheke der Partner eines Erzkonkurrenten, eines EU-Versenders. Aber, mein liebes Tagebuch, will das die Apotheke überhaupt, kann sie sich dagegen wehren und aus dem First-A-Vertrag aussteigen? DAZ.online hat bei zwei Rechtsanwälten nachgefragt. Ohne Kenntnis der jeweiligen Verträge kann man dies natürlich nur schwer beurteilen. Aber beide Juristen kommen zu dem Schluss, dass ein sofortiger Ausstieg möglich sein sollte, eine Vertragsfortführung kann unter den neuen Bedingungen nicht mehr zugemutet werden. Abgesehen davon könnte die Apotheke wohl die Belieferung einstellen, weil sie aus Gründen der Kapazität nicht in der Lage sei, die erforderliche Beratung zu erbringen. Hinzukommt, dass auch eine umsatzabhängige Vergütung im Arzneimittelbereich problematisch sei, es könnte ein Verstoß gegen das Apothekengesetz vorliegen. Mein liebes Tagebuch, vielleicht ist das die Chance für Apotheken, die sich in der Zusammenarbeit mit Lieferdiensten irgendwelche Vorteile versprachen, noch schnell die Reißleine zu ziehen: Nichts wie raus aus diesen Verträgen. Und ja, was Shop Apotheke vorgemacht hat, ist die Blaupause für andere Versender – da werden mit Sicherheit über kurz oder lang noch mehr Übernahmen kommen. Jede Vor-Ort-Apotheke, die auch nur kurz darüber nachdenkt, mit einem Versender oder einem Express-Kurierdienst zusammenzuarbeiten, sollte da mal tief in sich gehen und sich fragen, ob es ihr Traumziel ist, Partner-Apotheke eines EU-Versenders zu werden – und damit am Ast zu sägen, auf dem sie selber sitzt.
Überhaupt, mein liebes Tagebuch, was sich da derzeit am Markt so zusammenbraut, kann uns Vor-Ort-Apothekers nicht österlich froh und munter stimmen. Solche Übernahmen wie die von First A durch den Versender Shop-Apotheke wecken Erinnerungen an die Übernahme der Teleclinic-Online-Ärzte durch die DocMorris-Mutter Zur Rose. Hier hat sich ein Versender eine Online-Arzt-Plattform hinzugekauft und schon stellen Zur-Rose-Ärzte E-Rezepte aus, die dann vom Zur-Rose-Versender beliefert werden. Mein liebes Tagebuch, da wird die Trennung zwischen Arzt und Apotheker durchs Hintertürchen aufgeweicht.
Einen weiteren Aspekt erwähnt Noweda-Chef Dr. Michael Kuck: Die Vor-Ort-Apotheke sollte bei der Wahl ihrer Geschäftspartner sehr genau überlegen, mit wem sie zusammenarbeitet und welche Konsequenzen dies für die Zukunftsfähigkeit der eigenen Apotheke hat. Die Übernahme von First A durch den Versender Shop Apotheke zeigt doch, wie gefährlich es ist, auf digitale Lösungen zu setzen, die nicht apothekenbeherrscht sind. Mein liebes Tagebuch, da kann man ihm nur zustimmen. Die Bedeutung von digitalen Lösungen für den Apothekenmarkt wird immer stärker. Umso mehr muss sich eine Apotheke auf den Partner verlassen können, der für sie die digitale Plattform bietet.
5 Kommentare
E-Rezept spart Papier
von Friedemann Ahlmeyer am 17.04.2022 um 10:57 Uhr
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Mal was Neues wagen…beim Tagebuch
von Ulrich Ströh am 17.04.2022 um 9:24 Uhr
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AW: Mal was Neues wagen…beim Tagebuch
von Conny am 17.04.2022 um 10:09 Uhr
Danke!
von Peter Ditzel am 17.04.2022 um 8:43 Uhr
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Ostern 22
von Dr.Diefenbach am 17.04.2022 um 8:18 Uhr
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