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31. Mai 2022
Deutscher Ärztetag in Bremen. Eines der großen Themen war die Einführung des E-Rezepts. Die Ärzte beklagten die E-Rezept-Technik, die zum Teil nicht funktioniere und ihre Alltagstauglichkeit nicht bewiesen habe. Klar, auch das Thema Impfen stand auf der Tagesordnung: Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, sagte, was er sagen muss: Impfen sei eine ärztliche Aufgabe und es sei nicht notwendig, Apotheker ins Impfen mit einzubeziehen. Viel wichtiger wäre es, Ärzten das Dispensierrecht für den Notdienst zu übertragen. Mein liebes Tagebuch, es ist die ärztliche Gebetsmühle, die Retourkutsche, mit der man ein paar Euro an Honorarverlusten durch entgangene Impfungen wettmachen will. Sinnvoll oder notwendig ist die ärztliche Arzneimittelabgabe im Notdienst keineswegs.
Ein bemerkenswertes Novum vom Deutschen Ärztetag: Die Ärzteschaft verständigte sich auf einen Antrag, die Zusatzbezeichnung Homöopathie aus der Musterweiterbildungsordnung zu streichen. Begründung: Es fehlten wissenschaftliche Studien, die einen evidenzbasierten Einsatz der Homöopathie belegen. Mein liebes Tagebuch, das ist mutig. Man kratzt hier an einer Art von religiösen Glaubenssätzen. Und so ist diese Entscheidung des Ärztetages auch nicht unumstritten. Denn so manche Ärztinnen und Ärzte sehen hier die Gefahr, dass die für die Homöopathie empfänglichen Patientinnen und Patienten vermehrt zu Heilpraktikern gingen, um dort diese Therapie zu empfangen. Mein liebes Tagebuch, wie man hörte, denkt nun auch die ABDA darüber nach, wie sie mit dem Thema der homöopathischen Weiterbildung umgehen wird. Man wird da in sich gehen und vor allem die Folgen bedenken müssen: Man kann doch nicht befürworten, dass die Homöopathie aus der Apotheke verschwindet und im Supermarkt-Regal landet. Bei allen Zweifeln und bei aller Kritik: Ist es nicht sinnvoller, wenn Homöopathie von Fachleuten eingeordnet wird und die Patienten davor gewarnt werden, auf keinen Fall auf ihre allopathische Medikation zu verzichten…
Es war ein Kraftakt: Die Bundesapothekerkammer (BAK) hatte sich zusammen mit den Hochschullehrerinnen und -lehrern sowie anderen Interessenvertretungen und dem Bundesverband der Pharmaziestudierenden (BPhD) in einem jahrelangen Prozess endlich auf ein Positionspapier zur Novellierung der apothekerlichen Approbationsordnung verständigt. Allen Beteiligten ist seit langem klar, dass eine Neukonzipierung der pharmazeutischen Ausbildung notwendig ist. Mit diesem Papier wird die BAK ans Bundesgesundheitsministerium herantreten, um die überfällige Novellierung in Gang zu setzen. Die Pharmaziestudierenden allerdings stehen dem Papier kritisch gegenüber, sie lehnten es auf ihrer Verbandstagung ab. In einem DAZ.online-Gespräch sagt Fabian Brückner, der Beauftragte für Lehre und Studium des BPhD, welche Ansätze unbedingt nochmal weitergedacht werden sollten. Dem Studierendenverband geht es dabei z. B. um ein besseres Konzept für die Benotungsstruktur, um die Frage, wie man die Einführung der wissenschaftlichen Arbeit praktisch umsetzt. Und die Fächer Klinische Pharmazie und Pharmakologie seien stundenmäßig zwar erhöht, aber im Vergleich zu anderen Fächern zeitlich nicht aufgewertet worden. Der BPhD wünscht sich vielmehr, dass im Hauptstudium alle Fächer gemessen an der Stundenzahl einen Anteil von jeweils 20 Prozent haben sollten. Die Studierendenvertretung will nun ihre Anliegen selbst an die Politik herantragen. Mein liebes Tagebuch, klar, es wird nicht einfach werden, so eine neue Approbationsordnung auszuarbeiten, zu breit angelegt sind hier die Interessensgebiete, allein das akademische Gerangel zwischen Pharmazeutischer Chemie auf der einen Seite und der Klinischen Pharmazie und Pharmakologie auf der anderen Seite, deutet daraufhin, dass es noch eine kleine Weile braucht, bis eine neue Approbationsordnung spruchreif ist. Vielleicht hilft es, wenn man sich erstmal über die Frage einig wird: Welchen Apotheker, welche Apothekerin braucht unsere Gesellschaft heute?
Gerd Glaeske ist tot. Er war Apotheker, ja, aber er war auch ein Gesundheitswissenschaftler, Arzneimittelanwendungsforscher, Gesundheitsökonom, Sozialpolitiker, Sachverständiger für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen. Und ja, er war auch Arzneimittelkritiker, der Apotheken und deren Tätigkeit und Sortimente mitunter kritisch hinterfragte, was ihn für einige auch zum „Gegner der Apotheken“ machte. Sicher, er provozierte damit, aber letztlich lag er mit vielen seiner Aussagen, Meinungen und Ansichten richtig. Er sah im Apothekerberuf mehr den Heilberuf und stellte den Apotheker als Kaufmann eher in die zweite Reihe – es ist der ewige Konflikt, der unseren Beruf seit Jahrhunderten begleitet. Mein liebes Tagebuch, seine profunden Kenntnisse des Gesundheitswesens und der Arzneimittelversorgung, seine Eloquenz in öffentlichen Auftritten, seine Offenheit, sie werden fehlen.
5 Kommentare
Dr. Diefenbach
von Karl Friedrich Müller am 07.06.2022 um 17:11 Uhr
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Nabelschau
von Karl Friedrich Müller am 06.06.2022 um 14:35 Uhr
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AW: Nabelschau
von Dr.Diefenbach am 07.06.2022 um 15:23 Uhr
Tagebuch
von Gert Müller am 05.06.2022 um 16:10 Uhr
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AW: Tagebuch
von Reinhard Rodiger am 05.06.2022 um 21:04 Uhr
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