Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

05.06.2022, 07:30 Uhr

An Pfingsten gibt's normalerweise Erleuchtung für alle. Für alle? (Foto: Alex Schelbert)

An Pfingsten gibt's normalerweise Erleuchtung für alle. Für alle? (Foto: Alex Schelbert)


31. Mai 2022

Deutscher Ärztetag in Bremen. Eines der großen Themen war die Einführung des E-Rezepts. Die Ärzte beklagten die E-Rezept-Technik, die zum Teil nicht funktioniere und ihre Alltagstauglichkeit nicht bewiesen habe. Klar, auch das Thema Impfen stand auf der Tagesordnung: Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, sagte, was er sagen muss: Impfen sei eine ärztliche Aufgabe und es sei nicht notwendig, Apotheker ins Impfen mit einzubeziehen. Viel wichtiger wäre es, Ärzten das Dispensierrecht für den Notdienst zu übertragen. Mein liebes Tagebuch, es ist die ärztliche Gebetsmühle, die Retourkutsche, mit der man ein paar Euro an Honorarverlusten durch entgangene Impfungen wettmachen will. Sinnvoll oder notwendig ist die ärztliche Arzneimittelabgabe im Notdienst keineswegs.

 

Ein bemerkenswertes Novum vom Deutschen Ärztetag: Die Ärzteschaft verständigte sich auf einen Antrag, die Zusatzbezeichnung Homöopathie aus der Musterweiterbildungsordnung zu streichen. Begründung: Es fehlten wissenschaftliche Studien, die einen evidenzbasierten Einsatz der Homöopathie belegen. Mein liebes Tagebuch, das ist mutig. Man kratzt hier an einer Art von religiösen Glaubenssätzen. Und so ist diese Entscheidung des Ärztetages auch nicht unumstritten. Denn so manche Ärztinnen und Ärzte sehen hier die Gefahr, dass die für die Homöopathie empfänglichen Patientinnen und Patienten vermehrt zu Heilpraktikern gingen, um dort diese Therapie zu empfangen. Mein liebes Tagebuch, wie man hörte, denkt nun auch die ABDA darüber nach, wie sie mit dem Thema der homöopathischen Weiterbildung umgehen wird. Man wird da in sich gehen und vor allem die Folgen bedenken müssen: Man kann doch nicht befürworten, dass die Homöopathie aus der Apotheke verschwindet und im Supermarkt-Regal landet. Bei allen Zweifeln und bei aller Kritik: Ist es nicht sinnvoller, wenn Homöopathie von Fachleuten eingeordnet wird und die Patienten davor gewarnt werden, auf keinen Fall auf ihre allopathische Medikation zu verzichten…

 

Es war ein Kraftakt: Die Bundesapothekerkammer (BAK) hatte sich zusammen mit den Hochschullehrerinnen und -lehrern sowie anderen Interessenvertretungen und dem Bundesverband der Pharmaziestudierenden (BPhD) in einem jahrelangen Prozess endlich auf ein Positionspapier zur Novellierung der apothekerlichen Approbationsordnung verständigt. Allen Beteiligten ist seit langem klar, dass eine Neukonzipierung der pharmazeutischen Ausbildung notwendig ist. Mit diesem Papier wird die BAK ans Bundesgesundheitsministerium herantreten, um die überfällige Novellierung in Gang zu setzen. Die Pharmaziestudierenden allerdings stehen dem Papier kritisch gegenüber, sie lehnten es auf ihrer Verbandstagung ab. In einem DAZ.online-Gespräch sagt Fabian Brückner, der Beauftragte für Lehre und Studium des BPhD, welche Ansätze unbedingt nochmal weitergedacht werden sollten. Dem Studierendenverband geht es dabei z. B. um ein besseres Konzept für die Benotungsstruktur, um die Frage, wie man die Einführung der wissenschaftlichen Arbeit praktisch umsetzt. Und die Fächer Klinische Pharmazie und Pharmakologie seien stundenmäßig zwar erhöht, aber im Vergleich zu anderen Fächern zeitlich nicht aufgewertet worden. Der BPhD wünscht sich vielmehr, dass im Hauptstudium alle Fächer gemessen an der Stundenzahl einen Anteil von jeweils 20 Prozent haben sollten. Die Studierendenvertretung will nun ihre Anliegen selbst an die Politik herantragen. Mein liebes Tagebuch, klar, es wird nicht einfach werden, so eine neue Approbationsordnung auszuarbeiten, zu breit angelegt sind hier die Interessensgebiete, allein das akademische Gerangel zwischen Pharmazeutischer Chemie auf der einen Seite und der Klinischen Pharmazie und Pharmakologie auf der anderen Seite, deutet daraufhin, dass es noch eine kleine Weile braucht, bis eine neue Approbationsordnung spruchreif ist. Vielleicht hilft es, wenn man sich erstmal über die Frage einig wird: Welchen Apotheker, welche Apothekerin braucht unsere Gesellschaft heute?

 

Gerd Glaeske ist tot. Er war Apotheker, ja, aber er war auch ein Gesundheitswissenschaftler, Arzneimittelanwendungsforscher, Gesundheitsökonom, Sozialpolitiker, Sachverständiger für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen. Und ja, er war auch Arzneimittelkritiker, der Apotheken und deren Tätigkeit und Sortimente mitunter kritisch hinterfragte, was ihn für einige auch zum „Gegner der Apotheken“ machte. Sicher, er provozierte damit, aber letztlich lag er mit vielen seiner Aussagen, Meinungen und Ansichten richtig. Er sah im Apothekerberuf mehr den Heilberuf und stellte den Apotheker als Kaufmann eher in die zweite Reihe – es ist der ewige Konflikt, der unseren Beruf seit Jahrhunderten begleitet. Mein liebes Tagebuch, seine profunden Kenntnisse des Gesundheitswesens und der Arzneimittelversorgung, seine Eloquenz in öffentlichen Auftritten, seine Offenheit, sie werden fehlen.



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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5 Kommentare

Dr. Diefenbach

von Karl Friedrich Müller am 07.06.2022 um 17:11 Uhr

Lieber Herr Dr.Diefenbach,
mit Ihrer Antwort haben Sie natürlich recht. Verzeihen Sie, dass ich hier genervt reagiere. Letztkich fühle ich mich einfach hinter das Licht geführt, wenn das eRezept dermaßen gelobt wird und Herr Ditzel ständig dessen schnelle Einführung fordert, ohne auf die damit verbundenen Probleme einzugehen. Ich bin überzeugt, dass es nur Anleger und Kapitalinteressen dient und nicht dem Kranken, Arzt oder Apotheken.

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Nabelschau

von Karl Friedrich Müller am 06.06.2022 um 14:35 Uhr

Wie immer voll daneben, Herr Ditzel. Es ist schon sehr unerträglich, wie Sie das eRezept nur aus einer Sicht - Ihrer - zu sehen vermögen.
Die Gematik nennt 5000 Apotheken als ready gemeldet. Das ist ca ein Viertel aller.
Viel wichtiger ist, dass die Bevölkerung, die schließlich auch damit umgehen muss, eher viel Probleme haben wird.
Sie sind wohl ein „Enthusiast“. Das kann man nur sein, wenn man alles Andere ringsrum ausblendet und so gar nichts mit der Umsetzung zu tun hat. Mit der damit verbundenen Korruption zum Beispiel. Augen zu, heißt Ihre Devise. Das ist beschämend. Sie sollten endlich in Rente gehen. Sie will niemand mehr lesen. Nur für Ihr Ego brauchen wir das Tagebuch nicht mehr, das einmal meine Lieblingslektüre war.
Ich bin sauer und vor allem enttäuscht.
Deutschland ist furchtbar geworden. Der Bürger wird immer weniger wert. Er wird nicht geschützt, siehe Corona. Die Kinder wissentlich der schweren Erkrankung ausgesetzt, nicht mal Luftfilter waren drin. Oft zumindest. Die Freiheit der FDP zerstört alles, Egoismus und das gnadenlose Unterstützen der Konzerne auf Kosten der Bürger. Tankrabatt, der Milliarden Steuergeld in die Konzernlassen spült, derweil die Leute nicht wissen, wie Wohnen die ne Essen zu bezahlen sind. Longcovid als Armutsrisiko. Alles unwichtig. Hauptsache, die Reichen und Konzerne profitieren.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Nabelschau

von Dr.Diefenbach am 07.06.2022 um 15:23 Uhr

Lieber Herr Müller,in der Vergangenheit schrieben Sie oft Dinge,die nachvollziehbar waren.Wem nutzen jetzt derartige Beiträg wie dieser?TAGEBUCH heisst doch auch die WIEDERGABE der Dinge,die sich
in der entsprechenden Woche abspielten!!Insofern kann man sehr wohl Etliches aus Herrn Ditzels Infoworten für sich entnehmen.Ich möchte nicht auf das Tagebuch verzichten.Wie stehen Sie denn zu den sanften Worten der Kommentare in der PZ?? Da war doch stets jegliche Form von Provokation verpönt-bis man dieses subventionierte Blättchen wirklich nicht mehr in die Hand nahm.ODER nennen Sie mir doch eine Gazette die regelmässig die(Un )taten des Marktes derart
auflistet wie das Tagebuch?Die DAZ kann nun wirklich nichts dafür, dass die Politik den Stand so schräg behandelt wie es der Fall ist.Viel schlimmer ist die Struktur der Gesamtorganisation,dieser heilige Gral darf ja nicht mal auch nur rhetorisch angesprochen werden,ohne dass die schwerpunktmässig Herren aus der Kammeretage so allergisch reagieren, dass man erst recht erkennt ,dass die Kritik HIER richtig ist.Fragen Sie mal in Berlin was aus der QS ,die die ABDA vor Jahren installierte, geworden ist.DANN sehen wir doch gerne weiter...DA stimmts nämlich infomässig nicht!!!Auch wenn in Corona Zeiten sehr gut gearbeitet wurde.Jetzt sind neue Zeiten auf dem Markt

Tagebuch

von Gert Müller am 05.06.2022 um 16:10 Uhr

Die Kommentare überschlagen sich ja förmlich.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Tagebuch

von Reinhard Rodiger am 05.06.2022 um 21:04 Uhr

Das ist kein Wunder,es unterbleibt jeder Reizpunkt."His Masters Voice" regt halt nicht an, das war mal anders.
Aber, es fehlen auch die, die die Defizite fassbar machen wollten.Sie fanden keine diskursive Resonanz.Bei solch hoffnungsloser Lage für 75% eigentlich unverständlich.Aber Standespolitik zahlt sich eben aus.Und hier werden eben nur die 25% angesorochen.Die brauchen aber nicht zu debattieren.Jetzt wäre die Notwendigkeit, die desaströse Verhandlungseröffnung anzusprechen.Doch kein Wort.
So ist das eben.

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