Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

05.06.2022, 07:30 Uhr

An Pfingsten gibt's normalerweise Erleuchtung für alle. Für alle? (Foto: Alex Schelbert)

An Pfingsten gibt's normalerweise Erleuchtung für alle. Für alle? (Foto: Alex Schelbert)


1. Juni 2022

Beschlossene Sache, endgültig: Der 1. September 2022 ist der Stichtag, das E-Rezept ist Pflicht, Pflicht für alle Apotheken, sie müssen ab 1. September E-Rezepte in Papierform oder auf dem Smartphone einlösen können. Aber noch lange nicht Pflicht für alle Arztpraxen, nur für die in Westfalen-Lippe und Schleswig-Holstein. Für die Praxen in Westfalen-Lippe gilt der 1. Dezember als Stichtag. Und die Arztpraxen in allen anderen Bundesländern dürfen dann sukzessive die Einführung des E-Rezepts voranbringen. Wie niedlich, mein liebes Tagebuch, wie nett vom BMG. Nun ja, die Kassenärztlichen Vereinigungen in den übrigen Bundesländern haben eben einfach laut genug dagegen protestiert, und schon kommt ihnen das BMG entgegen. Na, dann schaun wir mal, wie sich das alles so entwickelt. Vielleicht klemmt’s im September dann am Internet. Oder, wie erst vor Kurzem im Einzelhandel geschehen, an der Software für ein Kartenlesegerät. Irgendwann wird’s schon funktionieren.

Fürs Privatrezept gibt es eh noch keinen verbindlichen Zeitplan, wie vom Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) zu erfahren war. Die ersten PKV-Unternehmen wollen etwa gegen Ende des Jahres oder Anfang 2023 mal so langsam in die elektronische Patientenakte einsteigen und dann bei diesem Einstieg ihren Versicherten anbieten, E-Rezepte zu nutzen. Mein liebes Tagebuch, das klingt nicht wirklich richtig schwungvoll und voller Elan, im Klartext: Auch hier wird es noch dauern.

Der angekündigte und vermutlich mehr als holprige E-Rezept-Start im September hält unseren Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach allerdings nicht davon ab, schon jetzt voller Entzücken von einem „Durchbruch für die Digitalisierung“ zu sprechen, vom „Beginn der überfälligen digitalen Revolution in unserem Gesundheitssystem“. Währenddessen lässt der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) die Sektkorken knallen. Er freut sich überschäumend darüber, erreicht zu haben, dass das E-Rezept nicht ganz so schnell kommen muss, dass es ab September erstmal eine freiwillige Teilnahme von Pilotpraxen geben wird und irgendwann später dann der weitere Rollout erfolgt. Aber auch der Deutsche Apothekerverband ist zufrieden mit dem nun beschlossenen Stichtag 1. September. Kein Wunder, wir Apothekers waren ja auch viel folgsamer auf dem Weg in die Digitalisierung: Was die Anbindung an die Telematik-Infrastruktur betreffe, so seien die Apotheken schon längst E-Rezept-ready, lässt DAV-Chef Thomas Dittrich wissen. Und jetzt wird das Personal noch fit gemacht und dann, ja dann freuen sich die Apotheken auf die ersten E-Rezepte ab September. Wenn sie denn kommen. Und damit keine Null-Retax wegen technischer Formfehler auf die Apotheken zukommt, wird es „in ein paar Monaten“ einen Referenzvalidator geben, also eine Art softwarebasiertes Prüfmodul, das die technische Prüfung der E-Rezepte vornimmt. Mein liebes Tagebuch, dann hoffen wir mal, dass bis  dahin die Friedenspflicht mit den Krankenkassen gilt.



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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5 Kommentare

Dr. Diefenbach

von Karl Friedrich Müller am 07.06.2022 um 17:11 Uhr

Lieber Herr Dr.Diefenbach,
mit Ihrer Antwort haben Sie natürlich recht. Verzeihen Sie, dass ich hier genervt reagiere. Letztkich fühle ich mich einfach hinter das Licht geführt, wenn das eRezept dermaßen gelobt wird und Herr Ditzel ständig dessen schnelle Einführung fordert, ohne auf die damit verbundenen Probleme einzugehen. Ich bin überzeugt, dass es nur Anleger und Kapitalinteressen dient und nicht dem Kranken, Arzt oder Apotheken.

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Nabelschau

von Karl Friedrich Müller am 06.06.2022 um 14:35 Uhr

Wie immer voll daneben, Herr Ditzel. Es ist schon sehr unerträglich, wie Sie das eRezept nur aus einer Sicht - Ihrer - zu sehen vermögen.
Die Gematik nennt 5000 Apotheken als ready gemeldet. Das ist ca ein Viertel aller.
Viel wichtiger ist, dass die Bevölkerung, die schließlich auch damit umgehen muss, eher viel Probleme haben wird.
Sie sind wohl ein „Enthusiast“. Das kann man nur sein, wenn man alles Andere ringsrum ausblendet und so gar nichts mit der Umsetzung zu tun hat. Mit der damit verbundenen Korruption zum Beispiel. Augen zu, heißt Ihre Devise. Das ist beschämend. Sie sollten endlich in Rente gehen. Sie will niemand mehr lesen. Nur für Ihr Ego brauchen wir das Tagebuch nicht mehr, das einmal meine Lieblingslektüre war.
Ich bin sauer und vor allem enttäuscht.
Deutschland ist furchtbar geworden. Der Bürger wird immer weniger wert. Er wird nicht geschützt, siehe Corona. Die Kinder wissentlich der schweren Erkrankung ausgesetzt, nicht mal Luftfilter waren drin. Oft zumindest. Die Freiheit der FDP zerstört alles, Egoismus und das gnadenlose Unterstützen der Konzerne auf Kosten der Bürger. Tankrabatt, der Milliarden Steuergeld in die Konzernlassen spült, derweil die Leute nicht wissen, wie Wohnen die ne Essen zu bezahlen sind. Longcovid als Armutsrisiko. Alles unwichtig. Hauptsache, die Reichen und Konzerne profitieren.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Nabelschau

von Dr.Diefenbach am 07.06.2022 um 15:23 Uhr

Lieber Herr Müller,in der Vergangenheit schrieben Sie oft Dinge,die nachvollziehbar waren.Wem nutzen jetzt derartige Beiträg wie dieser?TAGEBUCH heisst doch auch die WIEDERGABE der Dinge,die sich
in der entsprechenden Woche abspielten!!Insofern kann man sehr wohl Etliches aus Herrn Ditzels Infoworten für sich entnehmen.Ich möchte nicht auf das Tagebuch verzichten.Wie stehen Sie denn zu den sanften Worten der Kommentare in der PZ?? Da war doch stets jegliche Form von Provokation verpönt-bis man dieses subventionierte Blättchen wirklich nicht mehr in die Hand nahm.ODER nennen Sie mir doch eine Gazette die regelmässig die(Un )taten des Marktes derart
auflistet wie das Tagebuch?Die DAZ kann nun wirklich nichts dafür, dass die Politik den Stand so schräg behandelt wie es der Fall ist.Viel schlimmer ist die Struktur der Gesamtorganisation,dieser heilige Gral darf ja nicht mal auch nur rhetorisch angesprochen werden,ohne dass die schwerpunktmässig Herren aus der Kammeretage so allergisch reagieren, dass man erst recht erkennt ,dass die Kritik HIER richtig ist.Fragen Sie mal in Berlin was aus der QS ,die die ABDA vor Jahren installierte, geworden ist.DANN sehen wir doch gerne weiter...DA stimmts nämlich infomässig nicht!!!Auch wenn in Corona Zeiten sehr gut gearbeitet wurde.Jetzt sind neue Zeiten auf dem Markt

Tagebuch

von Gert Müller am 05.06.2022 um 16:10 Uhr

Die Kommentare überschlagen sich ja förmlich.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Tagebuch

von Reinhard Rodiger am 05.06.2022 um 21:04 Uhr

Das ist kein Wunder,es unterbleibt jeder Reizpunkt."His Masters Voice" regt halt nicht an, das war mal anders.
Aber, es fehlen auch die, die die Defizite fassbar machen wollten.Sie fanden keine diskursive Resonanz.Bei solch hoffnungsloser Lage für 75% eigentlich unverständlich.Aber Standespolitik zahlt sich eben aus.Und hier werden eben nur die 25% angesorochen.Die brauchen aber nicht zu debattieren.Jetzt wäre die Notwendigkeit, die desaströse Verhandlungseröffnung anzusprechen.Doch kein Wort.
So ist das eben.

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