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Zum 1. Juli
Flächendeckende Einführung des E-Rezepts in Österreich
In Deutschland lässt die bundesweite Einführung des elektronischen Rezepts noch auf sich warten. Unser Nachbarland Österreich ist dagegen bereits einen Schritt weiter: Seit dem 1. Juli 2022 wird dort das E-Rezept offiziell per Gesetz flächendeckend angewendet. Allerdings gab es zuletzt vonseiten der Apothekerkammer wie auch der niedergelassenen Ärzteschaft Kritik an fehlenden Kartenlesegeräten sowie offenen Fragen.
Peter Lehner, Vorsitzender der Konferenz der österreichischen Sozialversicherungsträger, verkündete am 20. Juni eine aus seiner Sicht frohe Botschaft: „Das E-Rezept ist bereits erfolgreich österreichweit eingeführt und funktioniert. In der vergangenen Woche wurden 1,2 Millionen E-Rezepte ausgestellt. 97 Prozent der Apotheken und 85 Prozent der Arztpraxen nutzen bereits das E-Rezept. Wir befinden uns damit aktuell in der finalen Phase des mehrmonatigen Rollout-Prozesses.“
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Dieser Prozess hat Anfang Juli eine weitere entscheidende Hürde genommen – seitdem gilt in unserem südlichen Nachbarland per Gesetz und damit offiziell die flächendeckende Anwendung des digitalen Rezepts. Die bislang geltende Behelfslösung der elektronischen Medikamentenverordnung über E-Medikation sollte damit abgelöst werden. Ob es wirklich dazu kommt, ist aktuell allerdings noch unklar.
„Meilenstein in der Digitalisierung“
Lehner scheint in seinem Optimismus jedenfalls ungebrochen: Das E-Rezept sieht er als den nächsten „Meilenstein in der Digitalisierung des Gesundheitssystems“. Damit werde das Papierrezept ersetzt und der gesamte Rezeptprozess, von der Ausstellung über das Einlösen bis zur Abrechnung, digitalisiert.
Nach Ansicht des Chefs der Sozialversicherungsträger-Konferenz hat das E-Rezept zudem „klare Vorteile für alle“. Es ermögliche mehr Transparenz dank der leichteren Überprüfbarkeit, eine deutliche Reduktion des Verwaltungsaufwands und eine hohe Fälschungssicherheit sowie Schutz vor Betrug. Für die Versicherten bedeute das E-Rezept: „Keine Zettelwirtschaft und nichts kann mehr verloren gehen; unterschiedliche Möglichkeiten, ein Rezept einzulösen oder einlösen zu lassen; eine Übersicht über alle E-Rezepte und die tagesaktuelle Ermittlung der bezahlten Rezeptgebühren“, so Lehner. Für Ärzte reduziere sich wiederum der Verwaltungsaufwand, und für Apotheken bedeute das E-Rezept eine Erleichterung bei der Abrechnung, der Wegfall der Archivierung der Papierrezepte und ein geringerer Beratungsaufwand zur Rezeptgebührenbefreiung.
Mit dem neuen digitalen Prozess erstellen Ärzte das E-Rezept und speichern dieses im E-Card-System. Die Information liegt damit elektronisch vor. In der Apotheke kann ein bestimmtes E-Rezept mit einem QR-Code via App auf dem Smartphone oder mittels zwölfstelliger alphanumerischer E-Rezept-ID eingelöst werden. Der Scan eines Ausdrucks soll ebenso möglich sein. Mit der E-Card können in der Apotheke alle offenen E-Rezepte des Versicherten abgerufen werden. Auch die Abholung von Medikamenten durch Dritte soll mit dem E-Rezept möglich sein.
In Österreich werden jährlich rund 60 Millionen Rezepte und 110 Millionen kassenfinanzierte Verordnungen ausgestellt und abgerechnet. Die Sicherheit ist laut Sozialversicherung gewährleistet, weil das E-Rezept innerhalb des geschlossenen Gesundheitsinformationsnetzes gespeichert sei.
Kritik von Apothekern und Ärzten
Doch nicht alle Marktteilnehmer sehen die aktuelle Situation beim E-Rezept so positiv wie Lehner. So wies die Österreichische Apothekerkammer kürzlich darauf hin, dass es den Apotheken aktuell an Hardware mangele. Konkret fehlten in den Apotheken rund 5.000 Kartenlesegeräte, um eine geregelte Abgabe von Medikamenten an die Patienten zu gewährleisten. Die einzige infrage kommende Lieferfirma könne diese frühestens Ende September ausliefern. Die Apothekerkammer-Präsidentin sprach in dem Zusammenhang von einem „Fiasko“ und warnte vor einem übereilten Start.
Auch die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) übte jüngst deutliche Kritik an der Einführung des E-Rezepts. Es gebe zu viele Kinderkrankheiten und Baustellen, sagte ÖÄK-Präsident Johannes Steinhart. Die Ärzteschaft sei bereit, aber viele Arztsoftwarehersteller seien etwa noch säumig, verlässliche und umfassende Lösungen fertigzustellen. Der Ablauf bei den Patienten in Pflegeheimen sei noch viel zu bürokratisch und im Bereich der Wahlärzte sei sich die Sozialversicherung selbst noch nicht einmal über die Einbindung und Umsetzung im Klaren.
Zudem wies auch der ÖÄK-Präsident auf die Probleme bei den Apotheken hin. „Hier hat die Apothekerschaft klar den Start verschlafen – eventuell sollte man weniger Zeit damit verschwenden, sich in ärztliche Tätigkeitsbereiche einzumischen und lieber erst einmal seine Kernaufgaben erledigen“, mahnte Steinhart. Die flächendeckende Einführung des E-Rezepts zum 1. Juli 2022 ist in seinen Augen ein „Chaos mit Ansage.“ Steinhart verlangte eine Verschiebung um mindestens drei Monate. „Das sollte ausreichen, um die noch bestehenden Kinderkrankheiten zu behandeln.“
Der Vorsitzende der Konferenz der Sozialversicherungsträger, Lehner, wies die Vorwürfe der Apotheker scharf zurück. Diese „Panikmache“ und „bewusste Falschinformation“ sei „gefährlich“ und schaffe Unsicherheit bei allen Beteiligten, mahnte er.
Angesichts der unklaren Gemengelage zeichnete sich nach einem Bericht des „Handelsblatt“ zuletzt ab, dass die bislang geltende E-Medikation in Österreich um ein halbes Jahr verlängert wird. Dabei handelt es sich um eine Liste in der elektronischen Patientenakte Österreichs – der ELGA. Seit dem Start der Corona-Pandemie können Ärzte ihre Verordnungen in der E-Medikation speichern. So soll eine kontaktlose Verordnung möglich sein. Die Patienten nennen in der Apotheke sodann ihre Sozialversicherungsnummer, woraufhin die Apotheke die Verordnung in der E-Medikation sehen und das Medikament aushändigen kann. Diese seit mehr als zwei Jahren bestehende Übergangslösung soll nun noch einmal per Gesetz verlängert werden.
Pilotprojekt seit 2021
Das E-Rezept wurde in einem Pilotprojekt in Kärnten im Sommer 2021 getestet und danach sukzessive in Österreich ausgerollt. Nach Angaben der Sozialversicherung sind im ersten Halbjahr 2022 bereits 7,7 Millionen E-Rezepte ausgestellt worden, „82 Prozent der Ordinationen und 93 Prozent der Apotheken nutzen bereits das E-Rezept“, erklärte Lehner vor einigen Wochen. Er bezifferte die Kosten für die Einführung mit 2,4 Millionen Euro Entwicklungskosten in der Sozialversicherung und 4 Millionen Euro für Implementierung und Support für die Systempartner.
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