GKV-Finanzreform

Lauterbach will Expertenkommission berufen

Berlin - 08.07.2022, 17:00 Uhr

Die GKV-Finanzen werden nicht mit einem Gesetz in den Griff zu bekommen sein. Experten sollen sich Gedanken über die nächste Reform machen. (Foto: studio v-zwoelf  / AdobeStock)

Die GKV-Finanzen werden nicht mit einem Gesetz in den Griff zu bekommen sein. Experten sollen sich Gedanken über die nächste Reform machen. (Foto: studio v-zwoelf  / AdobeStock)


Seit vergangenem Montag ist der Referentenentwurf für das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz bekannt, nun hat das Bundesgesundheitsministerium ihn offiziell den Ländern und Verbänden zur Anhörung zugeleitet. Zugleich kündigt  Minister Karl Lauterbach die nächste Finanzreform an – dafür will er eine Expertenkommission berufen.

Seit Anfang der Woche kursiert der Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) für das „Gesetz zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung“. Er hat nicht nur die Apothekerschaft, Pharmaindustrie, Ärzte und Zahnärzte in Wallung gebracht – auch in den Reihen der Regierungskoalition gibt es nicht nur Begeisterung für die Vorlage. Doch diese Kritik hat bislang nicht zu Nachjustierungen geführt. Wie das BMG mitteilt, hat es den Entwurf am heutigen Freitag an die Länder und Verbände zur Anhörung zugeleitet – und zwar exakt in der bekannten Fassung vom 30. Juni. Die Verbändeanhörung im BMG soll am kommenden Mittwoch stattfinden.

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Ziel des Gesetzes ist, mit einer „umfassenden Struktur- und Finanzreform“ das für das Jahr 2023 erwartete 17-Milliarden-Euro-Defizit der Krankenkassen auszugleichen.

Dazu erklärt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) laut einer Pressemitteilung: „Gerade in Krisenzeiten geben die Sozialsysteme der Bevölkerung Sicherheit. Deshalb müssen alle Beteiligten einen Beitrag zu deren Stabilisierung leisten. Mit diesem Gesetzentwurf verbinden wir den Anspruch langfristiger Strukturreformen mit dem Ziel ausgeglichener Finanzen.“

Lauterbach freut sich vor allem, dass es keine Abstriche in der Versorgung geben werde – „Leistungskürzungen bleiben ausgeschlossen“. Dafür soll es unter anderem neue Vorgaben zur Preisbildung patentgeschützter Arzneien geben. Zudem sollen die Regeln bei der Vergabe von Arztterminen korrigiert und die Bezahlung der Pflege in den Krankenhäusern präzisiert werden. Darüber hinaus hält das BMG an der temporären Erhöhung des Kassenabschlags auf 2 Euro je Rx-Arzneimittel und einer 2-Milliarden-Euro-Solidarabgabe der Pharmaindustrie fest – dies dürfte doch eher als reine Sparmaßnahme denn als Strukturreform zu verbuchen sein.

Und so ist auch dem Minister bewusst, dass es mittelfristig darum geht, Lösungen für die angespannte Finanzlage der Krankenkassen zu finden. „Für die Ausarbeitung künftiger Finanzreformen werde ich deshalb eine Expertenkommission berufen.“ Auf diese darf man nun gespannt sein.

Die Inhalte des GKV-Stabilisierungsgesetzes in einer Aufzählung des BMG:

  • Solidarabgabe der Pharmaindustrie: Einmal-Zahlungen von jährlich 1 Mrd. Euro der forschenden Pharmafirmen an den Gesundheitsfonds (auf zwei Jahre befristet), bemessen nach dem Anteil des jeweiligen Unternehmens am Ausgabenvolumen der GKV für Patentarzneimittel im Vorjahr.
  • Das Preismoratorium bei Arzneimitteln wird bis Ende 2026 verlängert.
  • AMNOG I: Die Zeitspanne für die freie Preisbildung von patentgeschützten Arzneimitteln wird auf sechs Monate verkürzt.
  • AMNOG II: Für die Preisbildung von Arzneimitteln mit keinem oder geringem Zusatznutzen gibt es Vorgaben.
  • AMNOG III: Erhöht sich der Absatz eines patentgeschützten Arzneimittels (z. B. durch Ausweitung auf weitere Patientengruppen) erheblich, muss das bei Preisverhandlungen berücksichtigt werden.
  • AMNOG IV: Reduzierung der Umsatzschwelle für Arzneimittel, die zur Behandlung eines seltenen Leidens zugelassen worden sind, von 50 Millionen Euro auf 20 Millionen Euro.
  • AMNOG V: Bei der Erstattungsverhandlung ist zukünftig ein Verwurf preismindernd zu berücksichtigen, wenn bei den jeweiligen Patientengruppen ein Verwurf von mehr als 20 Prozent der in Verkehr gebrachten Packungsgröße zu erwarten ist.
  • Abschlag auf Arzneimittel einer Kombinationstherapie: Wenn Arzneimittel in vom G-BA definierten Kombinationen eingesetzt werden, erhalten Krankenkassen vom Hersteller einen Abschlag in Höhe von 20 Prozent des Erstattungsbetrags.
  • Bereinigung der Pflegebudgets: Künftig dürfen nur Pflegekräfte in den Pflegebudgets berücksichtigt werden.
  • Neuordnung Terminservicestellen: Die extrabudgetäre Vergütung von Neupatienten für Vertragsärzte wird abgeschafft. Terminservicestellen bleiben für Patienten erhalten.
  • Anhebung Apothekenabschlag: Erhöhung des Apothekenabschlags von 1,77 Euro auf 2 Euro pro Packung (auf zwei Jahre befristet).
  • Begrenzung des Honorarzuwachses für Zahnärzte: Die von den Krankenkassen an die KZVen gezahlten Gesamtvergütungen für Zahnbehandlung ohne Zahnersatz dürfen sich 2023 höchstens um die um 0,75 Prozentpunkte verminderte und 2024 höchstens um die um 1,5 Prozentpunkte verminderte Veränderungsrate verändern (ausgenommen Früherkennung und Individualprophylaxe).
  • Finanzreserven: Krankenkassen müssen überschüssige Finanzreserven an den Gesundheitsfonds abführen (90 Prozent ihrer Finanzreserven oberhalb von 0,3 Monatsausgaben und 65 Prozent oberhalb von 0,2 und unterhalb von 0,3 Monatsausgaben). Diese Mittel stehen für Zuweisungen an die Krankenkassen und damit für die Stabilisierung des Zusatzbeitragssatzes 2023 zur Verfügung).
  • Liquiditätsreserve Gesundheitsfonds: Die Obergrenze des Gesundheitsfonds wird auf 0,25 Monatsausgaben halbiert. Überschreitende Mittel stehen für Zuweisungen an die Krankenkassen und damit für die Stabilisierung des Zusatzbeitragssatzes 2023 zur Verfügung.
  • Bundeszuschuss: Der bestehende Bundeszuschuss wird von 14,5 Milliarden Euro für 2023 um 2 Milliarden Euro erhöht.
  • Darlehen Bund: Der Bund gewährt der GKV ein unverzinsliches langfristiges Darlehen für 2023 von 1 Milliarde Euro an den Gesundheitsfonds.
  • Begrenzung Verwaltungskosten: Die Verwaltungskosten der Krankenkassen werden begrenzt.
  • Anhebung Zusatzbeitrag: Der Schätzerkreis wird im Herbst das verbleibende Defizit berechnen, das über höhere Zusatzbeiträge zu finanzieren ist. Das BMG wird auf dieser Basis den durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz für das Jahr 2023 festsetzen.

Quelle: BMG-Information vom 8. Juli 2022


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Lauterbach

von Wolf am 08.07.2022 um 21:28 Uhr

Lauterbach will die Apotheken, die er eh für überflüssig hält aus der GKV verbannen. Leistungserbringer sind sie bei ihm eh schon nicht mehr. Da Herr Lauterbach gar nicht weiss, wie eine Leistung vollbracht wird ist das nicht schlimm. Nur sollte man eine solche Niete nicht in ein wichtiges Amt befördern.

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