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Unterste Schublade: Hessens Ärztefunktionäre rufen ihre Hausärzte dazu auf, die Apothekers zu bespitzeln und schlechte Beratung zu melden. Sie denken darüber nach, in ihren Praxen Rezeptterminals aufzustellen, damit Patienten dort ihre Rezepte einlösen können „auf einem Weg, der nicht durch inkompetente Beratung belastet ist“. Der Grund für die Aggression: das Honorar für die pharmazeutischen Dienstleistungen. Dabei ist Lauterbach gerade dabei, mit seinem Spargesetz den Apotheken fast genau den gleichen Betrag wieder wegzunehmen. Was für eine irre Welt!
4. Juli 2022
Es macht fassungslos, was Lauterbach mit seinem GKV-Spargesetz vorhat: Der Kassenabschlag soll für die Dauer von zwei Jahren auf 2 Euro erhöht werden. Die Apotheken sollen also an die gesetzlichen Krankenkassen für jedes Arzneimittel, das sie ihren Versicherten bezahlen, 2 Euro statt derzeit 1,77 Euro abgeben. 170 Mio. Euro sollen damit bei den Apotheken eingespart werden. Und das in Zeiten von Inflation, gallopierenden Energiekosten, gestiegenen Personalkosten, in Zeiten, in denen die Apotheke mit jedem Cent rechnen muss. Und eigentlich sollte dieser Kassenrabatt doch gänzlich wegfallen – welche Berechtigung hat so ein Rabatt in unseren digitalen Zeiten überhaupt noch? Eine Erhöhung des Kassenabschlags – sehen so die „Effizienzreserven“ aus, die Lauterbach in den vergangenen Wochen in Gesundheitswesen so vollmundig gesucht hat? Mein liebes Tagebuch, die Anforderungen an die Apotheken steigen Jahr für Jahr, immer mehr Zusatzaufgaben, immer mehr Bürokratie (z. B. Präqualifizierung) – und dann eine satte Honorarkürzung. Für die ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening ist das ein Schlag ins Gesicht der Apothekerschaft, wie sie in einem Statement erklärt. Es zeige die Fantasielosigkeit der Gesundheitspolitik. Eine solche Maßnahme habe zudem nichts mit der Hebung von Effizienzreserven zu tun. Hinzu kommt: Auf der einen Seite sollen Mittel für die honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen zur Verfügung gestellt werden, auf der anderen Seite wird nahezu der gleiche Betrag wieder über eine Honorarkürzung eingesammelt. Mein liebes Tagebuch, es ist in der Tat ein Unding, was hier abläuft.
Um das Finanzloch der Krankenkassen zu stopfen, sind natürlich noch weitere Maßnahmen geplant. Für die Pharmaindustrie soll das Preismoratorium um weitere vier Jahre verlängert werden. Außerdem sollen die pharmazeutischen Unternehmen eine Solidaritätsabgabe leisten (etwa 1 Mrd. Euro in den nächsten beiden Jahren). Der ausgehandelte Erstattungsbeitrag für neue patentgeschützte Arzneimittel soll bereits ab dem siebten Monat nach dem erstmaligen Inverkehrbringen greifen, außerdem sollen z. B. noch eine mengenbezogene Staffelung oder ein jährliches Gesamtvolumen vereinbart werden neben weiteren speziellen Vorgaben für Erstattungsbeträge – mein liebes Tagebuch, der Maßnahmenkatalog liest sich wie ein kleiner Folterkatalog für die Pharmas. Immerhin knöpft sich der Lauterbachsche Gesetzentwurf auch die Verwaltungsausgaben der Krankenkassen vor. Und auch bei den Ärzten und Zahnärzten soll ein bisschen gespart werden.
Die Reaktionen der Pharmaindustrie bleiben nicht aus. So ist auch der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) geschockt über die mit dem Entwurf eines GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes geplanten Sparmaßnahmen. „Die im Spargesetz vorgesehenen Einsparungen im Arzneimittelbereich gefährden die Arzneimittelversorgung und fügen dem Pharmastandort Deutschland weiteren Schaden zu“, kommentiert BAH-Chef Hubertus Cranz den Entwurf. Auch im Bereich der pharmazeutischen Industrie seien die Effizienzreserven bereits ausgereizt. Ähnlich fallen die Reaktionen beim Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) aus. Bei solchen Sparmaßnahmen werde es immer schwerer, eine störungsfreie Versorgung zu sichern, vor allem angesichts labiler Lieferketten und explodierender Kosten. Auch der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) äußert massive Kritik. Er stellt heraus, dass dieser Entwurf und die Art und Weise der Entstehung grottenschlecht seien. Mein liebes Tagebuch, dieses Spargesetz führt ins Chaos.
Das drohende Spargesetz ist der jüngste Druck, der auf die Apotheke zukommt. Was die Apothekenbetriebe dagegen schon eine Zeitlang belastet, ist eine ausufernde und zum Teil sinnlose Bürokratie, zu der die Präqualifizierung gehört – eines der größten Ärgernisse in den Apotheken. Das zeigen die Zuschriften zur DAZ.online-Aktion, die die Apotheken dazu aufgerufen hatte, ihre absurdesten Geschichten zum Thema Präquali einzureichen. Mitgemacht hat auch Kai Christiansen, Präsident der Apothekerkammer Schleswig-Holstein. Ihn ärgert z. B., dass immer wieder dieselben Unterlagen eingefordert werden, die selbstverständlich sind wie beispielsweise die Betriebserlaubnis der Apotheke. Mein liebes Tagebuch, das ist in der Tat vollkommen absurd und unverständlich. Und wie Christiansen anmerkt, sind solche Beispiele auch keine Einzelfälle. Christiansen findet deutliche Worte: „Für die Apotheken ist die Präqualifizierung so, wie sie derzeit umgesetzt wird, schlichtweg ungeeignet und überflüssig.“ Angesichts der Kosten im Zusammenhang mit der Präqualifizierung rechne es sich für Apotheken kaum noch, die Hilfsmittelversorgung zu übernehmen. Mein liebes Tagebuch, und warum läuft dieser Irrsinn dann immer noch weiter, warum tut da keiner etwas dagegen? Gute Frage. Christiansen verweist hier zurecht auf den Deutschen Apothekerverband, der die Verträge mit der GKV abschließt. Man müsse allerdings auch auf politischer Ebene um Unterstützung werben und mit Politikerinnen und Politikern ins Gespräch kommen. Mein liebes Tagebuch, die Präqualifizierung für Apotheken muss endlich vom Tisch – was sollen solche irrwitzigen Formalien und Bürokratismen, die für die Apotheken finanziell und zeitlich nur belastend sind. Es ist höchste Zeit, dass diesem Aberwitz ein Ende bereitet wird.
5. Juli 2022
Noch so ein Irrsinn: die neue Testverordnung, die ab 30. Juni in Kraft ist. Die Tests sind nicht mehr für alle Bürgerinnen und Bürger kostenlos, viele müssen nun eine Eigenbeteiligung von mindestens 3 Euro bezahlen. Und die Teststelle muss überprüfen, ob die zu Testenden denn auch für die kostenlosen Tests oder die 3-Euro-Tests berechtigt sind. Wird keiner der definierten Punkte erfüllt, muss der volle Preis (zwischen und 10 und 15 Euro) bezahlt werden Mein liebes Tagebuch, Apotheken, die auch weiterhin Tests anbieten, müssen also nachfragen, ob die zu Testenden die Anforderungen erfüllen. Im Klartext: mehr Bürokratie für die bisher relativ unkomplizierten Testungen. Kritik kam von verschiedenen Seiten. Auch Dr. Christian Fehske von der Rathaus-Apotheke Hagen wendet sich mit einem Hilferuf an das Bundesgesundheitsministerium (BMG). In einem Schreiben ans BMG beklagt er, dass die aktuelle Fassung der Testverordnung sowohl für Bürger als auch für Teststellen eine Zumutung sei. Er bittet zu prüfen, ob nicht eine „Rückkehr zur alten Testverordnung bei gleichzeitig deutlich intensivierten Betrugs-Kontrollen“ die gleichen Ziele erreichen könne. Mein liebes Tagebuch, richtig, einerseits verspricht die Politik ständig, Bürokratie abzubauen, und schon ist wieder eine Verordnung, ein Gesetz auf den Weg gebracht, das ein Vielfaches an kleinteiliger Bürokratie bringt. Eine Farce!
Nochmal zur geplanten Erhöhung des Kassenabschlags auf 2 Euro. DAZ-Wirtschaftsexperte Dr. Thomas Müller-Bohn hat sich das Vorhaben des BMG angeschaut und nachgerechnet. Für die Krankenkassen wäre der Vorteil dieser Maßnahme angesichts ihres gewaltigen Finanzvolumens überschaubar: Die Maßnahme würde den Krankenkassen etwa 142 Mio. Euro Ausgaben pro Jahr ersparen. Das würde nur 0,5 Promille der GKV-Ausgaben des Jahres 2021 ausmachen. Mein liebes Tagebuch, was für die Krankenkassen eher als Peanuts um die Ecke kommt, ist für die Apotheken dagegen erheblich. Müller-Bohn rechnet vor, dass der erhöhte Abschlag die Apotheken fast so belasten würde wie ein Wegfall des Notdienstfonds. Mein liebes Tagebuch, man kann es also auch so sehen: Da haben wir vor Jahren mühsam ein Honorar für den Notdienst eingefordert und erhalten und nun wird es durch das befristete Sonderopfer für zwei Jahre rückgängig gemacht. Das kommt doch alles irgendwie irre um die Ecke, oder? Und von wegen Effizienzreserven: Eine Durchschnittsapotheke wird durch die Erhöhung des Kassenabschlags mit 6400 Euro belastet, sprich es ist eine simple Kürzung der Einnahmen. Was hat das mit Effizienz zu tun?
Der Skandal der Woche: Der Hessische Hausärzteverband macht Stimmung gegen die honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen. Er ruft seine Ärztinnen und Ärzte dazu auf, „Fälle, in denen eine inkompetente Beratung durch Apotheken stattgefunden hat“, zu dokumentieren. Der Hausärztverband verteilte in der vergangenen Woche „Patienteninformationen“ an die Hausarztpraxen, die die pharmazeutischen Dienstleistungen in ein schlechtes Bild rücken sollen. Die Kassenärztliche Vereinigung Hessens (KV) unterstützte diese Aktivitäten. In einem Schreiben an die Mitglieder begrüßt sie die Aktion des Hausärzteverbands und stellt Mittel und Wege dar, wie die Vor-Ort-Apotheken boykottiert werden können. Mein liebes Tagebuch, als ich das Schreiben des Hausärzteverbands bzw. der KV durchgelesen habe, traute ich meinen Augen nicht. Kann es sein, dass im Jahr 2022 Ärzteverbände derart primitiv gegen Apotheken hetzen? Im Hintergrund geht es darum, dass die ärztlichen Verbandsfunktionäre den Apotheken die Honorare für die Dienstleistungen nicht gönnen. So hält die Kassenärztliche Vereinigung Hessen (KV) die pharmazeutischen Dienstleistungen und die vorgesehene Honorierung für einen „Schlag ins Gesicht jeder Ärztin und jedes Arztes und eine Kriegserklärung der Apothekerinnen und Apotheker an die KV-Mitglieder“. Der Apothekerschaft wird gedroht, den Sprechstunden- und Praxisbedarf bei anderen Quellen zu beziehen. Außerdem sollen die Ärztinnen und Ärzte wohl auch die Patientinnen und Patienten befragen, wie die Beratung in den Apotheken lief und ob eine „inkompetente Beratung durch Apotheken stattgefunden hat“. Darüber hinaus will die KV selbst „zuverlässige Anbieter“ finden, um „über Rezeptterminals in den Praxen Rezepte auf einem Weg einlösen zu können, der nicht durch inkompetente Beratung belastet ist“. Mein liebes Tagebuch, was hier gerade abläuft ist unterste Schublade, da drehen gerade einige Standesfürsten der Ärzte durch – man kann es nicht anders nennen. Denn mit einer Kritik- und Diskussionskultur hat das nichts mehr zu tun. Wie reagieren unsere Vertreter auf diese skandalöse Hetze? Bisher habe man eine konstruktive Zusammenarbeit mit der KV gepflegt, lässt Holger Seyfarth, Chef des Hessischen Apothekerverbands, wissen. Doch mit der Einführung der honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen sei diese erschüttert. Man wolle nicht mit demselben Tenor darauf reagieren, vielmehr versuche man den Konflikt in persönlichen Gesprächen zu lösen. Auch die ABDA-Präsidentin habe inzwischen Kontakt zur KV aufgenommen. Darüber hinaus hat der Hessische Apothekerverband angekündigt, rechtliche Schritte zu prüfen. Mit diesen Schritten sollte der HAV nicht zögern, denn in den Ankündigungen der KV ist erhebliches Potenzial enthalten, das womöglich gegen Gesetze verstößt und Verunglimpfungen und einem Boykottaufruf gleichkommt. Auch für die Präsidentin der Apothekerkammer Hessen, Ursula Funke, ist mit dem Vorgehen der Hessischen Ärztefunktionäre eine rote Linie weit überschritten. Sie bringt es auf den Punkt: Es geht bei der KV Hessen nicht um Patientenversorgung, „sondern schlicht um pekuniäre Gründe und Wahlkampf bei der KVH“, wie sie im DAZ.online-Interview sagt. Sie macht deutlich, dass der Hausärzteverband mit seinen Aktionen kranke Menschen, Patienten verunsichert und instrumentalisiert, um einen anderen Heilberuf zu diffamieren – das sei für sie ein absolutes No-Go. Mein liebes Tagebuch, man kann nur hoffen, dass sich die Hessischen Ärztefunktionäre wieder einkriegen – eine öffentliche Entschuldigung ist das Mindeste, was wir jetzt erwarten.
Der Streit um die neue Testverordnung zwischen Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und Bundesgesundheitsministerium (BMG) ist beigelegt. An den neuen Regeln wird zwar nichts geändert, die Kassenärztlichen Vereinigungen überprüfen weiterhin die rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen aus den Zentren und die Akkreditierung der Testzentren. Die KVen geben dann die Daten an den Bund weiter, der die Plausibilität der durchgeführten Tests und die Ergebnisse überprüft und Auffälligkeiten an die verantwortlichen Ordnungsbehörden der Kommunen weitergibt. Die Ordnungsbehörden teilen dann gegebenenfalls den KVen mit, in welcher Höhe Rückforderungen zu erfolgen haben. Mein liebes Tagebuch, ob das dann alles so wie gewollt funktioniert, wird man sehen. Zumindest sind beide Seiten erstmal damit zufrieden. Und für den KBV-Vorstand ist geklärt, „dass die KVen die neuen Anspruchsvoraussetzungen für Bürgertests nicht prüfen müssen.“ Und der KBV-Vorstand geht davon aus, dass die KVen für Betrugsfälle, denen falsche oder gefälschte Angaben von Getesteten oder Teststellen zugrunde liegen, weder verantwortlich sind noch dafür im Nachhinein verantwortlich gemacht werden können. Mein liebes Tagebuch, wie dann allerdings die Angaben der Getesteten im Nachhinein verifiziert werden können und wer letztlich dafür verantwortlich gemacht werden kann, erschließt sich aus all dem nicht wirklich.
6. Juli 2022
Er kommt! Laut ABDA-Newsroom hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach angekündigt, den Deutschen Apothekertag in München (14. bis 16. September 2022) zu besuchen, um ein Grußwort an die Delegierten der Hauptversammlung zu richten. Nun ja, mein liebes Tagebuch, ob er den Termin halten kann, werden wir sehen. Bis jetzt hat er es ja nicht mal geschafft, einen Gesprächstermin mit der ABDA zu vereinbaren, trotz mehrfacher Anfragen. Und wenn er seine Ankündigung mit der Erhöhung des Kassenabschlags auf 2 Euro durchzieht, könnte es sein, dass er sich für seinen Auftritt in München warm anziehen muss.
Apropos Erhöhung des Kassenabschlags. Jens Dobbert, Präsident der Landesapothekerkammer Brandenburg, erwartet bei Apotheken sogar eine Schließungswelle, wenn der Kassenabschlag wie vorgesehen auf 2 Euro je Rx-Packung angehoben wird. Mein liebes Tagebuch, Dobbert bringt es auf den Punkt: Von den Apotheken werden neue und zusätzliche Leistungen für das gleiche Geld erwartet, „das kann und wird nicht gut gehen“. Außerdem seien dann viele Apotheken älterer Inhaberinnen und Inhaber aufgrund der betriebswirtschaftlichen Zahlen nicht mehr verkaufbar, „das kommt einer kalten Enteignung gleich“, so Dobbert. Für ihn sei es zudem mehr als ein schlechter Witz, dass das Ministerium davon spreche, bei Apotheken „Effizienzreserven“ heben zu wollen. Für Dobbert steht fest: Lauterbach müsse den Gesetzentwurf zurückziehen.
7. Juli 2022
„Die politische Lage ist alles andere als rosig“, stellte Hans-Peter Hubmann, Chef des Bayerischen Apothekerverbands (BAV), auf der Mitgliederversammlung des BAV fest. Und diese politischen Rahmenbedingungen machen keine Hoffnung auf eine bessere Vergütung. Im Gegenteil. Die von Bundesgesundheitsminister Lauterbach geplante Erhöhung des Kassenabschlags umzusetzen, bezeichnete Hubmann als völlig sinnlos, denn es seien politische Sparmaßnahmen, die für die Krankenkassen keinen spürbaren Effekt haben, für Apotheken aber eine massive Belastung darstellen. Vollkommen richtig, mein liebes Tagebuch. Und dass Lauterbach der ABDA bis heute noch keinen Gesprächstermin gewährte – das trägt für Hubmann die Handschrift eines SPD-geführten Gesundheitsministeriums. Dagegen sei „das CDU-geführte Ministerium mit Jens Spahn und seinem Vorgänger ein Glücksfall“ gewesen. Nun ja, mein liebes Tagebuch, ob wir gleich von einem Glücksfall sprechen wollen, sei dahingestellt. Aber das unionsgeführte Ressort habe sich laut Hubmann differenzierter mit den Herausforderungen der Apotheken auseinandergesetzt und eher Perspektiven geschaffen als Spargesetze vorzubereiten. Immerhin, mein liebes Tagebuch, für Gespräche mit uns Apothekers war Spahn zugänglicher als Lauterbach.
Dass die Sparpläne von Lauterbach „die gute und geordnete Versorgung der Patienten durch die Apotheken“ bedrohen, macht auch Kai-Peter Siemsen, Präsident der Apothekerkammer Hamburg, deutlich. Wenn das Apothekenhonorar um 140 Millionen Euro gekürzt werde, könnte dies das Ende für weitere Apotheken bedeuten: „Dieser Radikaleingriff wird der Todesstoß für zahlreiche weitere Apotheken sein…“. Hinzu kommen die derzeit riesigen Inflationsraten. Dann reiche das gesetzlich festgesetzte Honorar auf der Grundlage von 2002 nicht mehr aus, um alle Aufgaben der Apotheken zu erfüllen. Aber wo ist ein Ausweg? Mein liebes Tagebuch, Siemsen denkt weiter: Seit 20 Jahren gab’s keine Honoraranpassung an gestiegene Kosten, dazu die angekündigte Honorarkürzung, eine Riesen-Inflation und ein eklatanter Fachkräftemangel – dies alles könne nur dazu führen, dass Apotheken nicht mehr alle Leistungen erbringen können: Die Honorierung reicht einfach nicht mehr für alle Aufgaben. Jetzt solle die Politik entscheiden, welche Leistungen oder Aufgaben der Apotheken wegfallen sollen: Nachtdienst, unendliche Dokumentationspflichten, Rezepturherstellung, Öffnungszeiten auf Praxisniveau? Mein liebes Tagebuch, man muss es mal so drastisch sehen: Das Apothekenhonorar verträgt null Kürzung, es ist bereits unters Limit gerutscht. Über den Wegfall von Leistungen kann man diskutieren. Man muss sich allerdings auch fragen, ob unser Apothekenwesen den Verzicht auf Leistungen verträgt. Die Apotheke sähe dann auf jeden Fall anders aus als heute – könnte das der Anfang vom Ende sein? Und damit stellt sich die Frage: Will die Politik, will unsere Gesellschaft eine vollkommen andere Apotheke?
8. Juli 2022
Funktionäre sind nicht unbedingt die Basis – das ist bei uns Apothekers so, aber auch bei der Ärzteschaft. Ein Beispiel hierfür ist das Apothekerbashing der Funktionäre des Hessischen Hausärzteverbands und der Hessischen Kassenärztlichen Vereinigung, die in primitiver Art und Weise gegen die pharmazeutischen Dienstleistungen hetzen. An der Basis, sprich bei Hausärzten selbst findet sich ein solches Verhalten sichtlich nicht. Es mag zwar den einen oder die andere geben, die in das Horn ihrer Funktionäre blasen, aber der große Widerhall ist von der Basis nicht zu hören. Im Gegenteil. Der Hamburger Arzt Reinhard Köller hat bereits einen Brief an die KV Hessen geschrieben und den Funktionären mitgeteilt, dass er sein sehr gutes Verhältnis mit „seinen“ Apotheken pflege und auf konstruktive Zusammenarbeit setze. Seiner Meinung nach sei eine gute Zusammenarbeit mit dem Apotheker elementar. „Auch der Arzt kann mal etwas übersehen und der Apotheker bewahrt als zweite ‚Prüfinstanz‘ beispielsweise die Schwangere vor der Einnahme eines embryotoxischen Präparates“, schreibt Köller als Beispiel. Die Apothekerschelte der hessischen Ärztefunktionäre nennt Köller „wirklich peinlich“. Die Ärzte sollten diese Dienstleistungen vielmehr positiv sehen und an dem Beratungsergebnis interessiert sein. Engagierte Ärztinnen und Ärzte sollten sich nicht von einer guten Zusammenarbeit mit den Apothekerinnen und Apothekern abbringen lassen, so Köller. Mein liebes Tagebuch, ein großes Danke an diesen Arzt, der den hessischen Funktionären zeigt, was es heißt, den Arztberuf ernst zu nehmen und auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Apothekerinnen und Apothekern zu setzen. Lass uns hoffen, dass die hessische Funktionärsriege da eine unrühmliche Ausnahme bleibt und den Charakteren geschuldet ist, die derzeit dort an der Spitze sind. An der Basis, in der Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheker vor Ort dürfte diese Funktionärsmeinung mehrheitlich nicht vorhanden sein.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ist mit seinem Spargesetz bei allen angeeckt, bei Leistungserbringern, bei Pharmaherstellern, bei Krankenkassen und bei Versicherten. So soll es sogar bei den Liberalen den festen Entschluss geben, Lauterbachs Kürzungspläne im Pharmabereich zu verhindern. Aber auch die Ersatzkassen laufen gegen das Gesetz Sturm. So bezeichnet der Ersatzkassenverband vdek das Spargesetz als einen „Offenbarungseid einer kurzsichtigen Politik und einen Generalangriff auf die sozialen Sicherungssysteme und die Beitragszahler:innen“. Natürlich möchten die Kassen die Leistungserbringer stärker zur Kasse bitten, aber bemängelt wird auch, dass es an einer notwendigen Strukturreform fehle. Zu einem Umdenken, zum Nachjustieren hat die Kritik von allen Seiten allerdings nicht geführt. Lauterbach hat sein Spargesetz ohne Änderungen (also mit dem erhöhten Kassenabschlag für Apotheken) an die Länder und Verbände weitergeleitet. Mein liebes Tagebuch, man wird sehen, ob man nun noch Änderungen einbringen kann. Was eine von den Kassen eingeforderte Strukturreform betrifft: Hier will Lauterbach aktiv werden. Er kündigt schon die nächste Finanzreform an, eine Expertenkommission soll dafür berufen werden. Ob die nächste Reform dann besser wird?
2 Kommentare
Wir wollen Karl!
von Dr. Radman am 10.07.2022 um 13:21 Uhr
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von Beldowitz am 10.07.2022 um 8:12 Uhr
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